Gegen den Attentäter im Schnellzug Thalys von Amsterdam nach Paris wird nach Angaben der französischen Staatsanwaltschaft wegen Mordversuchs mit terroristischem Hintergrund ermittelt. Der Mann habe noch im Zug auf seinem Handy Videos angeklickt, in denen zum bewaffneten Kampf im Namen Allahs aufgerufen werde, erklärte die Staatsanwaltschaft am Dienstag in Paris.
Staatsanwalt François Molins wertete die Beteuerungen des mutmasslichen Islamisten, dass er die Passagiere lediglich ausrauben wollte, als «frei erfunden». Der Marokkaner Ayoub al-Khazzani war am Freitag in Brüssel mit einer Kalaschnikow-ähnlichen Waffe in einen Thalys-Zug gestiegen. Dort verletzte er zwei Menschen, bevor er von Zuginsassen überwältigt wurde.
Anders als zunächst vom Innenministerium angegeben, handelte es sich bei seinem Sturmgewehr nicht um eine Kalaschnikow, sondern um ein Exemplar des ähnlichen Typs AKM aus DDR-Produktion. Er hatte 9 Magazine mit 270 Schuss für das Gewehr dabei, ausserdem eine 9-Millimeter-Pistole mit einem Magazin, ein Teppich-Messer und eine Flasche Benzin.
Der Mann sei von den Zeugen als entschlossen beschrieben worden und habe nicht gezögert, alle seine Waffen zu benutzen.
Der Verdächtige habe gezielt und vorsätzlich gehandelt, erklärte die Staatsanwaltschaft weiter. Sie sprach von einem 25-Jährigen, der vergangenes Jahr fünf bis sieben Monate in Frankreich gelebt habe und dann nach Deutschland und Österreich gereist sei.
Nach der Attacke wurde er im nordfranzösischen Arras festgenommen, wo der Zug gestoppt wurde. Seit den islamistischen Anschlägen auf die Redaktion der Satire-Zeitung «Charlie Hebdo» und einen jüdischen Supermarkt im Januar in Paris hat Frankreich die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. Die Attentäter töteten damals 17 Menschen.
Bereits am Wochenende hatten sich die Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund der Tat in dem Hochgeschwindigkeitszug verdichtet. Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve erklärte, der Angreifer sei den europäischen Sicherheitsbehörden als mutmasslicher Extremist bekannt.
Während seiner Zeit in Spanien war er wegen pro-dschihadistischer Aussagen und Besuchen in einer radikalen Moschee aufgefallen. Deshalb wurde er später in eine Datei des französischen Geheimdienstes aufgenommen, die Information wurde über das Schengen-Informations-System auch an andere Länder weitergereicht. Er ist wegen Drogenhandels mehrfach vorbestraft.
Wo er das vergangene Jahr verbracht hat, ist nicht mit letzter Sicherheit geklärt. Er arbeitete Anfang 2014 kurz in Frankreich, will auch zweimal eine Zeit in Köln gewesen sein, zuletzt lebte er angeblich obdachlos in Brüssel. Genaue Daten dafür könne der Mann nicht nennen, sagte Molins. Eine Durchsuchung bei seiner Schwester in Brüssel ergab, dass er sich dort vor sehr kurzer Zeit aufhielt.
Früheren Informationen aus Sicherheitskreisen zufolge reiste der Mann offenbar im Mai von Berlin nach Istanbul. Die Türkei ist für viele europäische Dschihadisten das Einfallstor zum Bürgerkriegsland Syrien, wo sich Tausende Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen haben.
Unterdessen sucht die belgische Polizei nach möglichen Komplizen des Attentäters: Bei zwei Razzien in Brüssel hätten die Beamte einige Gegenstände beschlagnahmt, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
Die Durchsuchungen konzentrierten sich demnach auf Sint-Jans-Molenbeek, ein ärmeres Viertel der belgischen Hauptstadt. Die Polizei versucht herauszufinden, wo der Verdächtige gelebt hat. Weil der Mann in Brüssel in den Zug gestiegen sei, werde auch in Belgien gegen ihn ermittelt, hiess es. (jas/sda/reu/dpa/afp)