Gut 50'000 Demonstranten protestierten am Wochenende in mehreren Städten Frankreichs gegen das Sicherheitsgesetz der Regierung, das mehr Überwachung, Dronenflüge und Lokalpolizei vorsieht. Die Lage eskalierte, als sich vermummte Aktivisten aus der friedlichen Menge lösten.
Sie zerschlugen Schaufenster und Bushäuschen, steckten Autos in Brand und lieferten sich mit Wurfgeschossen Gefechte mit der Einsatzpolizei. Diese nahm 95 Demonstranten fest. 67 Polizisten wurden verletzt - eine imposante Bilanz. Soziale Belange und Forderungen nach Erhalt der Presse- und Demonstrationsfreiheit gingen in dem Chaos weitgehend unter.
Die Regierung will an ihrem Gesetz für eine «globale Sicherheit» zwar festhalten; den zentralen Artikel 24, der das Filmen von Einsatzpolizisten einschränken sollte, zieht sie allerdings «zur Neuformulierung» zurück.
Am Freitag hatte Präsident Emmanuel Macron zudem ein langes Interview auf dem bei Jugendlichen beliebten Infoportal «brut.fr» gegeben, um Spannung abzubauen. Einer der Journalisten, Rémy Buisine, berichtete allerdings gleich selber, wie er beim Filmen an einer Demo von Polizisten misshandelt worden sei.
Macron räumte ein, das nun revidierte Filmverbot sei «kein guter Weg». Es gebe in der Tat «polizeiliche Gewalt» und mehr Polizeikontrollen gegen dunkelhäutige Jugendliche als gegen Weisse. Deshalb schaffe er eine Meldeplattform gegen Diskriminierung durch die Polizei.
Mit dieser Ankündigung sorgte Macron allerdings nur für zusätzlichen Unfrieden. Jugendliche orientierten ihn bitter, dass es eine solche Meldeplattform schon gebe, auch wenn sie nie Konsequenzen bewirke.
Aufgebrachte Polizisten erklärten ihrerseits, sie könnten nicht arbeiten, wenn ihnen die eigene Staatsführung in den Rücken falle. Der Sprecher der Gewerkschaft Alliance, Frédéric Lagache, gab zu bedenken, dass die Endlosdebatte über Polizeigewalt echten Delinquenten nur einen Vorwand liefere, sich den Kontrollen zu entziehen. Wenn sie nicht selbst gewalttätig würden, wie es der «Schwarze Block» vormache. Die hohe Zahl verletzter Einsatzpolizisten stützt diese Sicht der Dinge.
Wie alles in Frankreich wird die Frage, auf welcher Seite die eigentlichen Verantwortlichen der Gewaltanwendung sind, rein politisch beantwortet. Unbestreitbar ist dagegen, dass die Präsidentschaft Emmanuel Macrons seit gut zwei Jahren in einen Dauerkonflikt abgleitet. Gelbwesten, breite Proteste gegen Reformvorhaben und jetzt gegen Polizeigewalt erwecken den Eindruck, dass sich die Gewaltspirale in Frankreich immer schneller dreht.
Die zunehmende soziale und politische Spannung beunruhigt die Franzosen gerade in der unwägbaren Coronazeit. Auch Politologen schliessen nicht mehr aus, dass die laufende Amtszeit im Schlamassel enden könnte, falls die Rechtspopulistin Marine Le Pen immer mehr Zulauf erhalten sollte.
Besorgte Franzosen rufen deshalb laut Umfragen nach einer «Autorität», gar einem «starken Mann». Am Sonntag bot sich Generalstabschef Pierre de Villiers den Lesern eines Boulevardblattes im Hinblick auf die nächsten Wahlen an. (aargauerzeitung.ch)