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Notre-Dame in Paris geht mit Pomp, Polemik und Parade wieder auf

Notre-Dame in Paris geht mit Pomp, Polemik und Parade wieder auf

Fünf Jahre nach dem verheerenden Brand bereitet sich die Pariser Notre-Dame-Kathedrale auf ihre glanzvolle Wiederauferstehung in weniger als einem Monat vor. Der politisch angeschlagene Präsident würde es ihr gerne nachtun.
18.11.2024, 20:28
Stefan Brändle, Paris / ch media
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Am 7. Dezember erhält Paris ein Wahrzeichen und seinen geistigen Mittelpunkt zurück. Vertreter des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und der Erzbischof Laurent Ulrich haben am Mittwoch bei getrennten Anlässen bekannt gegeben, dass die im April 2019 weitgehend ausgebrannte Notre-Dame-Kathedrale in weniger als einem Monat ihre Pforten neu öffnen soll.

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Sogar im Regen glänzt Notre-Dame nun im hellen Kleid.Bild: keystone

Am 7. Dezember wird Macron demnach rund 2000 hohe Gäste zur Neueinweihung einladen. Tags darauf, einem Sonn- und kirchlichen Marientag, sollen mehrere Bischöfe in der frühgotischen Basilika auf der Seine-Insel eine erste, vierstündige Messe abhalten. In der Woche darauf wird das Publikum nach über fünfeinhalb Jahren wieder in das Monument eingelassen. Dann ist Notre-Dame endlich wieder das spirituelle und – als Ausgangspunkt der Kilometerzählung im Land – geografische Zentrum Frankreichs, Kirche und Kulturerbe in einem.

Notre Dame cathedral is burning in Paris, Monday, April 15, 2019. Massive plumes of yellow brown smoke is filling the air above Notre Dame Cathedral and ash is falling on tourists and others around th ...
Die brennende Notre Dame im April 2019.Bild: AP/AP

Macron wünschte sich moderne Kirchenfenster

Einige Bauarbeiten sind noch im Gang, wovon verbleibende Gerüste ausserhalb des Chorteils zeugen. Auch der Vorplatz wird ohne Tiefgarage noch völlig neu gestaltet. Unklar ist bis heute, ob einzelne Kirchenfenster wie von Macron gewünscht einen zeitgenössischen Zuschnitt erhalten. Zuvor hatte der politisch isolierte Präsident schon auf seine heftig umstrittene Idee verzichten müssen, den emblematischen Spitzturm auf dem Dachfirst durch eine moderne und eher gewagte Konstruktion zu ersetzen.

Im Innern erstrahlt das über die Jahrhunderte dunkel gewordene Gotteshaus nun in einem glänzenden Dekor hell geschliffener Kalksteinwände. Dank den grossen und kleinen Spenden im Umfang von 850 Millionen Euro erscheint die Kathedrale aus dem 12. Jahrhundert wie verjüngt. Dieser «französische Erfolg» strafe die Unkenrufe vom Niedergang der Nation Lügen, hiess es am Mittwoch aus dem Präsidialamt. Frankreich habe die Baufristen eingehalten und seinen Ruf einer «Nation der Erbauer» gerechtfertigt.

Macron klettert in den Dachstuhl

Macron wird die restaurierte Kathedrale bereits nächste Woche besuchen, um Hunderten von Arbeitern und Handwerkern für die Parforce-Leistung zu danken – und von einer Kamera begleitet in den Dachstuhl zu steigen. Am 7. Dezember will er als Zeremonienchef vor Staatsgästen und Künstlern aus der ganzen Welt eine laut seinem Umfeld «sehr gefühlte» Rede halten.

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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.Bild: keystone

Gedacht war der präsidiale Auftritt als Apotheose einer Lichterkette vom Eiffelturm bis zur Kathedrale. Doch die Wiederauferstehung von Notre Dame wird für den Präsidenten kaum zum politischen Jungbrunnen. Auf das stärkste Bild mit einer Rede im renovierten Kirchenschiff muss er verzichten. Die strikte Trennung von Kirche und Staat in Frankreich erlaubt es nicht, dass der republikanische Präsident in einem religiösen Gebäude offiziell das Wort ergreift. Er muss sich deshalb mit einem Festzelt auf dem Vorplatz von Notre-Dame begnügen. Dazu kommen Differenzen mit den Kirchenvertretern dem Episkopat. Laut Pariser Medien hat der Pariser Erzbischof klargemacht, dass es nicht in Frage komme, die Bauspenden für den präsidialen Auftritt zu verwenden. Ein getrennter Spendenappell zugunsten der Einweihungszeremonie wurde aber ganz im Unterschied zu den generösen Gaben für den Wiederaufbau ein «Flop», wie «Le Canard Enchaîné» in seiner neuen Ausgabe schreibt.

Welche Prominenten «Macrons Parade» – wie sich das satirische Enthüllungsblatt ausdrückt – beiwohnen werden, vermochte das Elysée am Mittwoch noch nicht zu sagen. Eine Absage kam offenbar bereits aus dem Vatikan: Papst Franziskus soll dem Drängen Macrons nicht stattgegeben haben. Lieber besucht er wenige Tage später die französische Insel Korsika. (bzbasel.ch)

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