Im Prozess um die Veruntreuung von EU-Geldern hat die französische Staatsanwaltschaft für die Rechtspopulistin Marine Le Pen fünf Jahre Haft, davon zwei Jahre auf Bewährung, sowie einen fünfjährigen Entzug des passiven Wahlrechts gefordert. Eine solche Strafe «würde den Angeklagten verbieten, bei künftigen lokalen oder nationalen Wahlen zu kandidieren», erklärte der Staatsanwalt Nicolas Barret am Mittwochabend in dem Pariser Gerichtssaal.
Marine Le Pen, die in der ersten Reihe der Angeklagten sass, plant, bei der französischen Präsidentschaftswahl 2027 zum dritten Mal anzutreten. Die geforderte Strafe gefährdet somit diesen Plan.
«Wir befinden uns hier in einem Gerichtsgebäude und das Recht gilt für alle», betonte der Staatsanwalt. Er forderte ein sofortiges Inkrafttreten des Verbots – auch wenn Le Pen in Berufung geht. Die Rechtspopulistin war zuvor bereits zu einer Rückzahlung von 300'000 Euro an das Europaparlament verurteilt worden.
Marine Le Pen verurteilte ihrerseits die «Gewalttätigkeit» und «Übertreibung» der Vorwürfe. «Ich denke, der Wille der Staatsanwaltschaft besteht darin, den Franzosen die Fähigkeit zu nehmen, diejenigen zu wählen, die sie wählen wollen» sowie «die Partei zu ruinieren», betonte die 56-Jährige.
Der Staatsanwalt warf Le Pen ein «organisiertes System» zugunsten ihrer Partei Rassemblement National (RN, früher Front National) vor. «Die Partei war finanziell in einer schwierigen Lage und hat alles genutzt, was möglich war, legal oder nicht legal», sagte Staatsanwältin Louise Neyton zum Auftakt der Plädoyers.
Neben Le Pen sind auch ihre RN-Partei sowie zahlreiche Vertreter der früheren Führungsriege der Partei angeklagt. In dem Prozess geht es um die mutmassliche Scheinbeschäftigung von Assistenten im Europaparlament.
Le Pen hatte im Prozess darauf verwiesen, dass die Assistenten nicht für einzelne EU-Abgeordnete, sondern für die gesamte Gruppe gearbeitet hätten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr hingegen vor, die Assistenten-Gehälter systematisch zur Sanierung der Parteifinanzen genutzt zu haben.
Das EU-Parlament, das in dem Verfahren als Nebenkläger auftritt, beziffert den Schaden auf 3,4 Millionen Euro. Die Partei hat bereits eine Million Euro zurückgezahlt, will dies aber nicht als Schuldeingeständnis gewertet sehen. Der damalige Europaparlamentspräsident Martin Schulz (SPD) hatte die Ermittlungen 2015 ins Rollen gebracht.
Nach jahrelangen Ermittlungen müssen sich schliesslich nun neun der damaligen EU-Abgeordneten, zwölf ihrer damaligen Assistentinnen und Assistenten und weitere Mitarbeiter der Partei vor Gericht verantworten.
(afp, t-online)