Crépol ist ein beschauliches Dorf, wie man es überall in Frankreich antrifft: alte Steinhäuser, ein Kirchturm, dazu auf dem Hügel eine Burgruine; darum herum Eichen und Nussbäume, unter denen die 500 Einwohner im Winter nach Trüffeln suchen.
Umso bestürzter verfolgen die Französinnen und Franzosen, was sich in der ländlichen Drôme-Gegend seit zwei Wochen abspielt. Der Anfang ist bekannt: An einer grossen Dorfparty in Crépol wurde der 16-jährige Thomas P., Spieler im lokalen Rugbyclub, von einem Auswärtigen brutal erstochen; 16 weitere Jugendliche landeten teils schwer verletzt in der Notfallstation.
Wie es dazu kam, bleibt bis heute umstritten. Nach einer Version verlangte ein Dutzend 20-Jähriger, die niemand kannte, gegen zwei Uhr morgens vergeblich Einlass – offiziell, weil die Fete zu Ende ging. Nach anderer Darstellung, weil sie aus dem Einwandererviertel des nahen Hauptortes, dem Provinzort Romans-sur-Isère (32'000 Einwohner), kamen.
Rassismus gegen Banlieue-Kids? Oder im Gegenteil «antiweisser Rassismus» durch bewaffnete Kleinkriminelle, wie die Rechtspolitikerin Marion Maréchal behauptet?
Klar ist, dass die Angreifer schon bei ihrer Ankunft bewaffnet waren. Die Justiz verfolgt sechs der neun Verhafteten wegen «bandenmässigen Mordes». Die konservative Zeitung «Le Figaro» publizierte zudem ihre meist arabisch klingenden Vornamen und berichtete, wie ihr Einwandererviertel La Monnaie am Rande von Romans-sur-Isère von Drogenhändlern beherrscht werde.
In der aufgeheizten Stimmung, von den Medien beschönigend als «émotion nationale» bezeichnet, konnte dies die Spirale der Gewalt nur ankurbeln. Nach einem friedlichen, betont apolitischen «Marsch für Thomas» rotteten sich am vergangenen Samstag bei Einbruch der Nacht rund 100 schwarz vermummte, ortsfremde Ultrarechte in Romans-sur-Isère zusammen.
Mit Baseballschlägern zogen sie in Richtung des Einwandererviertels und skandierten «Gerechtigkeit für Thomas» oder «Die Strasse, Frankreich gehört uns».
Die Polizei versperrte den Weg, konnte den Clash aber nicht verhindern. Einwohner des Viertels beschossen die Demonstranten mit Feuerwerk; Jugendliche beider Seiten griffen einander an. Ein älterer Augenzeuge berichtete der Zeitung «Libération», die Ultrarechten hätten bald abziehen müssen; einer sei aber hängen geblieben und laut einem Videomitschnitt übel traktiert worden; nackt und blutüberströmt sei er schliesslich von einer Ambulanz aufgegriffen worden.
Seither hat die Polizei die Lage im Griff. Innenminister Gérald Darmanin kündigte an, er wolle drei ultrarechte Gruppierungen verbieten. Die wichtigste ist «Division Martel», benannt nach dem fränkischen Hausmeier Karl Martell, der die aus Spanien vorgestossenen Mauren im Jahr 732 in der Schlacht von Tours und Poitiers zurückgeschlagen hatte.
Den Franzosen steht der Sinn aber weder nach Schlachtenlärm noch Banlieue-Krawallen. Sie wollen nur, dass die urbane Gewalt nicht in ihre bisher friedlichen Landregionen vordringt. Im Zuge der Crépol-Affäre berichten Lokalblätter nun von einem weiteren und ähnlichen Angriff von Pistolen schwingenden Angreifern auf ein Kommunalfest, geschehen im Oktober im Dorf Saint-Martin-Petit südöstlich von Bordeaux.
Der Angriff von Ultras auf die Immigrantensiedlung wirkt jetzt aber kontraproduktiv und versetzt paradoxerweise die gesamte Rechte in die Defensive. Der Präsident der konservativen «Les Républicains», Eric Ciotti, musste die Attacke verurteilen, nachdem die Linke sein Schweigen verurteilt hatte. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen nimmt sich ebenfalls zurück.
Nachdem sie den Tod von Thomas P. zuerst selber vereinnahmt hatte, kritisiert sie nun die radikale Haltung des rechtsextremen Ex-Präsidentschaftskandidaten Eric Zemmour. Dessen Anhänger hatten einen «Zivilisationskonflikt» mit anschliessendem «Bürgerkrieg» geortet – eine Sicht, die Le Pen nun als «gefährlich» bezeichnet, weil dies die Franzosen gegeneinander aufwiegle. Damit hat sie nicht einmal unrecht. (aargauerzeitung.ch)
Die Reaktion der Politik nach Vergeltungsschlägen von wahrscheinlich rechten Gruppierungen:
Rechte Gruppierungen müssen verboten werden.
Von mir aus sehr gerne, aber was ist mit der Gegenseite?
Hört man da auch mal noch was, ausser dass auf keinen Fall erwähnt werden darf, dass es sich um arabische Jugendliche handelte?
Es ist eben nicht einfach ein "Jugendproblem".
Es muss ganz übel um Frankreich stehen, dass Marine Le Pen (!) als Stimme der Vernunft wahrgenommen wird.
Wie wärs wenn man erstmal darüber diskutieren würde, anstatt über die Menschen die darüber empört auf die Strasse gehen?