Deutschland und Frankreich gelten als Motor der Europäischen Union. Wirtschaftlich allerdings war das Verhältnis lange ungleich. Nach den Reformen der Regierung Schröder brillierte Deutschland als Exportweltmeister und starker Industriestandort. Frankreich galt als reformunfähig, gelähmt durch Bürokratie und streikfreudige Gewerkschaften.
Kein Wunder, blickten französische Wirtschaftsführer neidisch über den Rhein. Die Zeiten aber haben sich geändert. Heute bewundern deutsche Geschäftsleute die französische Regierung, die «die Wirtschaft fördert, Unternehmensführer umwirbt und Frankreich aggressiv als Standort für Innovationen und Investitionen anpreist», schreibt der «Economist».
Die deutschen Bosse seien frustriert über die dysfunktionale Ampelregierung in Berlin, so das Wirtschaftsblatt. Gerade kämpft sie mit den Tücken der Schuldenbremse. Frankreich hingegen ernte «die Früchte von Präsident Emmanuel Macrons wirtschaftsfreundlichen Reformen». Kein europäisches Land zieht derzeit mehr Direktinvestitionen an.
Von aussen mag dies überraschen angesichts der häufigen und oft gewaltsamen Proteste gegen den unbeliebten Staatschef, sei es von den Gilets jaunes oder zuletzt gegen die Rentenreform. Doch der oberflächliche Eindruck täuscht. «Frankreich ist derzeit das bessere Deutschland», meint Michael Sauga, Wirtschaftskolumnist des «Spiegel».
Macron habe gleich nach seiner Amtsübernahme 2017 begonnen, seinen Landsleuten Arzneien zu verabreichen, «die bitter, aber heilsam waren»: «Seine Popularitätswerte stürzten in den Keller, aber die Attraktivität des Standortes stieg. Frankreich galt plötzlich als Land, in dem die Politik handelt, wie sie redet.» Das zeigt sich an aktuellen Kennzahlen.
Während Deutschland laut dem Internationalen Währungsfonds dieses Jahr als weltweit einzige grosse Volkswirtschaft schrumpfen dürfte, läuft es in Frankreich besser. Für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» ist es «schon bemerkenswert, dass die französische Wirtschaft seit der Erholung vom Corona-Schock merklich stärker gewachsen ist als die deutsche».
Dafür gibt es einige Gründe. Deutschland hat sich (zu) abhängig gemacht von den Exporten nach China und von russischem Erdgas. Dieses musste mühsam ersetzt werden. Gleichzeitig hat die Ampel den Atomausstieg durchgedrückt. Nun leidet die Wirtschaft unter den Energiepreisen, während der französische Atomstrom vergleichsweise günstig ist.
Die Regierung Macron habe zudem «extrem schnell» Finanzhilfen ausgeschüttet, sagte der deutsche Jurist und Ökonom Armin Steinbach, der an der Hochschule HEC in Paris lehrt, der Deutschen Welle: «Das hat einen grossen Unterschied gemacht, auch wenn Deutschland anteilig an seinem Bruttoinlandsprodukt (BIP) etwas mehr ausgegeben hat.»
In solchen Fällen zahlt sich der oft beklagte Zentralismus der «Grande Nation» aus. Doch für die guten Wirtschaftszahlen sind auch Macrons Reformen verantwortlich. «Er hat die Unternehmenssteuern gesenkt, den Arbeitsmarkt liberalisiert, die Arbeitslosenversicherung reformiert und zuletzt auch die schmerzhafte Rentenreform durchgesetzt», so Steinbach.
Hinzu kommen Foren und Programme, die es so in Deutschland nicht gibt, etwa der jährliche Investorengipfel Choose France im prächtigen Schloss Versailles, an dem Präsident Macron Wirtschaftsgrössen hofiert, dieses Jahr etwa den Chef des dänischen Pharma-Überfliegers Novo Nordisk. Elon Musk erhielt eine Audienz im Elysée-Palast.
Ein weiteres Beispiel ist die Plattform La French Tech, mit der Start-ups vom Wirtschaftsministerium bei der Erschliessung ausländischer Märkte unterstützt werden. Nicht verschwunden ist der Dirigismus, die berüchtigte französische Industriepolitik. Doch auch hier setzt Emmanuel Macron neue Akzente, mit dem vor zwei Jahren vorgestellten Plan France 2030.
Er will die französische Industrie mit Subventionen von 54 Milliarden Euro ökologischer und innovativer machen. Dazu gehören neue Nuklearreaktoren und «grüner» Wasserstoff. In der strukturschwachen Region Dünkirchen in Nordfrankreich soll ein Battery Valley entstehen. Ein deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt wurde im Mai eingeweiht, eine Fabrik eines Unternehmens aus Taiwan ist im Bau.
Emmanuel Macron ist in solchen Momenten stets zur Stelle. Seine Wirtschaftsoffensive ist auch eine Antwort auf den üppig dotierten Inflation Reduction Act von US-Präsident Joe Biden, der in Europa als protektionistisch empfunden wird. Unter dem Schlagwort «strategische Autonomie» soll Frankreich eine Führungsrolle in der EU einnehmen.
Die Arbeitslosigkeit ist zuletzt auf sieben Prozent gesunken, den tiefsten Wert seit 20 Jahren. Kritiker verweisen jedoch darauf, dass das Wachstum in Frankreich immer noch tiefer ist als in den USA oder in aufstrebenden Schwellenländern. Eine grosse Last sind zudem die Staatsverschuldung von 112 Prozent des BIP und das hohe Budgetdefizit.
Deutschland bleibt auch die mit Abstand grösste Wirtschaftsmacht Europas. Doch nicht nur Unternehmer und Manager attestieren Macron und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire – er hat Ambitionen auf die Nachfolge des Staatschefs –, sie seien auf dem richtigen Weg. Während Deutschland für «Spiegel»-Kolumnist Sauga «ein Sanierungsfall» ist.
Die deutsche Industrie hat natürlich auch viel verpennt und wollte zu lange im Erfolg der Vergangenheit zehren. Erfolg hat viele blind für die Zukunft gemacht.
Deutschland war bei der Windenergie lange Vorreiter, jetzt wo vieles verkauft wurde, kann DE nicht mal mehr selber Windräder bauen, machte sich abhängig.
Ja, die Franzosen waren nicht vom Erfolg geblendet und sind noch knapp rechtzeitig auf den richtigen Zug aufgesprungen.
Um mit Asien mithalten zu können und aufzuholen ist es unumgänglich, dass der Staat hier einen Boost gibt.
BIP in DE / 1000 Einw. 46 Mio €, in FR 39 Mio €
Arbeitslosigkeit in DE 3%, in FR 7.5%.
Durchschnittseinkommen in DE 50‘000€, in FR 43‘000€
Staatsverschuldung in DE 46%, in FR 92%
Bei fast allen wirtschaftlichen Kennzahlen liegt DE vorne.