Es ist gar nicht so einfach zu beschreiben, was die französische Investorengruppe vorhat: Am besten stellt man sich einen hydraulisch beweglichen Kinosaal mit 1000 Plätzen vor, der sich auf einer Strecke von 400 Metern nicht nur an verschiedenen Leinwänden mit Dokumentarfilmen vorbeischiebt, sondern auch an rund 30 Bühnen mit Schauspielern, die Kriegsepisoden nachstellen.
Das Thema ist die alliierte Landung in der Normandie am 6. Juni 1944, eine der entscheidenden Operationen auf dem Weg zum Sieg über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg. Der geplante Standort des 90-Millionen-Franken-Projekts ist die Ortschaft Carentan in der Nähe des damaligen Landungsabschnitts «Utah».
Nach der Eröffnung am 1. September 2025 erwarten die Projektinitianten jährlich 600'000 Besucherinnen und Besucher, die sich für Ticketpreise von bis zu 28 Euro die 45-minütige History-Show zu Gemüte führen wollen.
Auf ihrer Homepage werben die beiden Macher Serge Denoncourt und Stéphane Roy für ihr Megaprojekt: Erstmals überhaupt würden szenische Darstellungen und modernste audiovisuelle Technik kombiniert, um «diesen Moment unserer Geschichte zu teilen und fassbar zu machen».
Im Testimonial zitiert wird der hoch dekorierte 98-jährige US-Veteran Charles Norman Shay, der den «D-Day» als Sanitäter der 1. Infanterie-Division miterlebte und 2012 darüber ein Buch schrieb. Die Konzeption des Projekts hält er für angemessen:
Schliesslich befürwortet auch der frühere Verteidigungsminister Hervé Morin, heute Präsident der Region Normandie, das Projekt. «Hommage aux Héros» werde «die Werte des Humanismus, der Toleranz und des Friedens» hochhalten und gleichzeitig die Attraktivität der Region steigern; dies in einer Linie «mit der beispielhaften Arbeit» bisheriger Gedenkstätten.
Mit derartigen Vorschusslorbeeren kann der emeritierte Sorbonne-Professor Bertrand Legendre überhaupt nichts anfangen. Im Gespräch mit dem britischen «Guardian» schäumt der Kommunikationswissenschafter und Autor:
Legendre und zahlreiche Gleichgesinnte werfen «Hommage aux Héros» vor, viel mehr an den Profiten als der Bewahrung der Geschichte interessiert zu sein. Familien von ehemaligen Normandiekämpfern bezeichnen das Multimedia-Spektakel als entwürdigend. Aus diesen Kreisen stammt auch die despektierliche Bezeichnung «D-Day Land», in Anspielung an den Freizeitpark Disneyland Paris.
«Der Ehrgeiz der Promotoren nach dem ?Wow-Effekt? ist vollständig abzulehnen», heisst es in einer Petition gegen das Projekt, die von Legendre gestartet und bisher von mehr als 700 Personen unterzeichnet worden ist. Doch Investor Régis Lefebvre widerspricht im «Guardian» vehement:
Vielmehr gehe es darum, mit modernsten technischen Mitteln die Geschichte der Invasion «mit grösstmöglicher historischer Genauigkeit für möglichst viele Menschen» interessant zu machen.
Bis am 7. Oktober dauert die öffentliche Vernehmlassung, nach welcher die Investoren die definitive Baubewilligung zu erhalten hoffen.
Wie jedes Jahr pilgerten auch in diesem Sommer bei Bilderbuchwetter Touristenscharen an die Küste der Normandie, wo vor 78 Jahren rund 160'000 amerikanische, britische, kanadische und französische Soldaten im Morgengrauen anlandeten und am «Längsten Tag» Hitlers Atlantikwall durchbrachen. Regionen-Präsident Morin schätzt die gesamte jährliche Besucherzahl auf fünf Millionen.
Der offizielle Reiseführer von Normandie-Tourismus zum «D-Day» listet zwischen Cherbourg und Calais auf 74 (!) Seiten all die Museen, Gedenkstätten und Erinnerungsorte zum Zweiten Weltkrieg auf, welche um die Gunst der zahlenden Gäste ringen.
Da erstaunt es nicht, wenn manche Verantwortliche der alteingesessenen Sehenswürdigkeiten nur wenig Freude an zusätzlicher Konkurrenz zeigen. Mark Worthington, Kurator des Museums an der «Pegasus Bridge» in Ranville bestätigt britischen Medien, wie sich zahlreiche seiner Amtskollegen besorgt darüber gezeigt hätten, dass «Hommage aux Héros» die Besucherzahlen ihrer Museen «kannibalisieren» könnte. (aargauerzeitung.ch)