In der Coronavirus-Krise ist Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an allen Fronten: Er berät mit dem Krisenstab, lässt Atemschutzmasken beschlagnahmen, besucht Ärzte und ein Altersheim. Ob sich sein Aktivismus in Wählerstimmen bezahlt macht, ist jedoch fraglich.
Bei den Kommunalwahlen ab nächstem Sonntag droht dem 42-Jährigen ein Denkzettel für seine Reformpolitik. Davon profitieren dürften vor allem Grüne und Rechtspopulisten.
Die Kommunalwahlen sind ein wichtiger Stimmungstest für Macron auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl 2022, rund 35'000 Städte und Gemeinden wählen neue Bürgermeister. Doch Macrons Partei drohe «alles um die Ohren zu fliegen», warnt ein Verantwortlicher von La République en Marche (LREM, Die Republik in Bewegung). Die 2016 gegründete Bewegung des Staatschefs stehe bei ihrer ersten Kommunalwahl «vor der schwersten Krise ihres Bestehens».
Nichts verdeutlicht die Misere besser als die Lage in Paris: Im Rennen um das Rathaus musste die bisherige Gesundheitsministerin Agnès Buzyn als Notfallkandidatin einspringen. Macrons früherer Sprecher Benjamin Griveaux war zuvor über eine peinliche Sexvideo-Affäre gestürzt.
Zudem konnte der Staatschef den preisgekrönten Mathematiker Cédric Villani in Paris nicht an einer Kandidatur hindern, woraufhin Villani aus der Präsidentenpartei geworfen wurde. Buzyn und Villani machen sich nun gegenseitig Stimmen streitig, Chancen auf das Bürgermeisteramt haben beide nicht.
Auch in anderen Städten wie Lyon oder dem Badeort Biarritz lieferten sich Macron-Anhänger unwürdige Rangeleien um die Kandidatur. Die Präsidentenpartei hat ihr Wahlziel heruntergeschraubt: Sie hofft in der Stichwahl am 22. März auf 10'000 der insgesamt gut 500'000 Sitze in den Stadt- und Gemeinderäten.
Ausser in Lyon ist ihr kein Sieg in einer Grossstadt sicher. LREM-Chef Stanislas Guérini nennt dies bereits einen «riesigen Schritt» für eine Partei, die im Land kaum verankert ist.
Eine Quittung hatte der unbeliebte Macron bereits bei der Europawahl im vergangenen Jahr bekommen, als die Rechtspopulisten von Marine Le Pen an seiner Partei vorbeizogen. Nach mehr als dreimonatigen Protesten und Streiks gegen die Rentenreform haben sich die Aussichten seither nicht verbessert.
Davon könnten vor allem die Grünen profitieren, die bereits bei der Europawahl überraschend stark abschnitten. Experten rechnen mit einer «grünen Welle» in Frankreich. In Gemeinden mit mehr als 10'000 Einwohnern kann sich fast jeder zweite Wähler vorstellen, sein Kreuz bei der Öko-Partei zu machen. In Bordeaux hoffen die Grünen sogar auf den Bürgermeister-Sessel.
Neben der Sorge über den Klimawandel kommt den Grünen der weit verbreitete Frust über Macron zugute. «Wir stehen für den Wandel, aber nicht für eine Revolution», sagt die Kandidatin Sabrina Sebaihi, die in der Pariser Vorstadt Ivry-sur-Seine antritt.
Auch Marine Le Pens Partei Rassemblement National (Nationale Sammlungsbewegung) hofft auf enttäuschte Macron-Wähler. Bei der letzten Kommunalwahl 2014 hatte sich die rechtspopulistische Partei unter ihrem alten Namen Front National zehn Rathäuser gesichert, vor allem im deindustrialisierten Norden und im rechtskonservativen Süden des Landes.
«Wenn unsere Bürgermeister wiedergewählt würden, wäre das ein grosser Erfolg», gibt sich Le Pen bescheiden. Die Rechtspopulisten rühmen sich, in «ihren» Hochburgen die Charta «Meine Kommune ohne Migranten» verabschiedet und die Videoüberwachung ausgeweitet zu haben.
Macron bleibt da nur die möglichst grosse Sichtbarkeit im Kampf gegen das Coronavirus. Spekulationen, die Kommunalwahlen müssten wegen der Epidemie abgesagt werden, weist die Regierung zurück. Zumindest dabei hat sie eine klare Mehrheit hinter sich: Drei Viertel der Bürger sprachen sich zuletzt dafür aus, die Wahlen dem Virus zum Trotz abzuhalten. (aeg/sda/afp)