Schweiz
Interview

Scharfe Kritik an Bundesrat Albert Rösti nach AKW-Entscheid

Laut Priska Wismer-Felder braucht die Schweiz keine AKW – wenn sie den Weg der Erneuerbaren konsequent geht
Laut Priska Wismer-Felder braucht die Schweiz keine AKW – wenn sie den Weg der Erneuerbaren konsequent gehtkeystone
Interview

«Damit gefährdet Rösti Versorgungssicherheit»: Scharfe Kritik an Bundesrat nach AKW-Wende

Die Luzerner Nationalrätin Priska Wismer-Felder spricht für die Mitte-Partei in Energiefragen. Deren Meinung zum Atom-Comeback sei gemacht, sagt sie im Interview. Das kommt einem Vorentscheid im Parlament gleich.
14.08.2025, 06:0014.08.2025, 08:16
Benjamin Rosch / ch media
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Glauben Sie noch an die Energiewende?
Priska Wismer-Felder: Mehr denn je. Gerade diesen Frühling hat die Akademie der Wissenschaften festgehalten, dass eine sichere Stromversorgung durch die Erneuerbaren bis 2050 möglich ist. Auch der wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsverbands Aeesuisse ist zu diesem Ergebnis gekommen. Wir müssen den eingeschlagenen Weg nur konsequent beschreiten, und das will auch das Volk.

Ihre Zuversicht in Ehren – aber die Schweiz braucht dringend mehr Strom, und der Ausbau der Erneuerbaren verläuft schleppend.
Wir brauchen mehr Strom, das ist so. Aber wir brauchen weniger Energie. Das geht in dieser Diskussion immer wieder vergessen. Und ja, vor allem Winterstrom müssen wir rascher zubauen. Da spielt eben auch die Windenergie eine wichtige Rolle. Wir müssen unsere Vorbehalte dagegen überwinden. Dazu braucht es Fortschritte in der Effizienzsteigerung, zum Beispiel durch Wärmedämmung von Häusern. Das sind aber alles Technologien, die wir haben. Deshalb tut es auch so weh, wenn jetzt wieder Vorschläge auf den Tisch kommen, die gar nicht umsetzbar sind.

Sie sprechen den Vorschlag von Bundesrat Albert Rösti an, das Verbot für Atomreaktoren aufzuheben. Warum soll es schlecht sein, einen Plan B in der Hinterhand zu halten?
Der Plan B ist dann gut, wenn er wirklich eine Rückfallposition ist. Aber mit diesem Notfalltürchen für die Atomenergie gefährdet Rösti den Plan A, den Ausbau der Erneuerbaren, ohne dass AKW überhaupt eine realistische Option sind – und damit die Versorgungssicherheit der Schweiz.

Das ist ein happiger Vorwurf.
Er sagt das ja auch nicht direkt. Aber er schafft mit diesem indirekten Gegenvorschlag zur Blackout-Initiative eine neue Rechtsunsicherheit für die Erneuerbaren. Das ist Gift für dringend benötigte Investitionen. Dabei ist die Finanzierung neuer Atomreaktoren völlig ungeklärt: Nirgendwo in Europa bauen Private noch AKW. Auch die Axpo würde das nicht tun, das hat sie selber gesagt. Man streut den Leuten Sand in die Augen, wenn man nun Atomkraft als echte Alternative präsentiert. Und zeitlich liegt Rösti völlig quer.

Wie meinen Sie das?
Wir haben jetzt schon im Sommer einen Überschuss an Energie aufgrund des Solarbooms. Man müsste neue AKW also nur halbjährig laufen lassen, was ihren Strom nochmals verteuert. AKW passen nicht mehr in unsere Zeit und das erneuerbare Energiesystem. Es braucht nun einen rascheren Zubau der Erneuerbaren und die dazugehörigen Speichermöglichkeiten und Netzausbauten. Mit dem Beschleunigungserlass bietet sich dem Parlament bereits in der Herbstsession die nächste Gelegenheit dazu.

Sie vertreten in dieser Frage die Mitte-Partei, die im Nationalrat das Zünglein an der Waage spielen wird. Stimmen FDP und SVP geschlossen für Atomkraft, braucht es aus der Mitte nur sechs Abweichler …
... Ich bin nicht sicher, ob die FDP wirklich geschlossen stimmt in dieser Frage. Ihr Meinungsumschwung ist ja noch nicht so alt.

Sie scheint jetzt aber geeint. Und Ihre Fraktion?
Einzelne Abweichler sind immer möglich. Aber die Parteileitung war sehr klar: Wir wollen den Weg der Erneuerbaren weiter beschreiten. Stand heute glaube ich nicht, dass Rösti für seinen Gegenvorschlag eine Mehrheit im Nationalrat findet.

Und wie sieht es im Ständerat aus? Mit Peter Hegglin sitzt sogar ein Mitte-Ständerat im Komitee der Blackout-Initiative.
Es ist möglich, dass es eine Differenz zwischen den beiden Räten geben wird. Aber für einen Gegenvorschlag braucht es am Ende die Zustimmung beider Räte.

Der Elefant im Raum in der Energiedebatte ist das Stromabkommen mit der EU als Teil der Bilateralen III. Wie stellt sich Ihre Fraktion dazu?
Zum Stromabkommen haben wir in der Urek (Energiekommission, Anm. d. Red.) diese Woche Fragen an Herrn Rösti stellen können. Die grundsätzliche Auffassung, dass es ein solches Abkommen für die Schweizer Versorgungssicherheit braucht, ist in unserer Fraktion sehr breit vertreten. Es bedarf zwar schon noch der Klärung einiger wichtiger Fragen. Das grössere Problem beim Stromabkommen ist aber, dass es nur gemeinsam mit dem Rest des Pakets in Kraft tritt. Gegen den institutionellen Teil des Pakets gibt es sicher grössere Vorbehalte.

Sie reden hier als Vertreterin der Mitte – aber eigentlich sind Sie auch die oberste Lobbyistin der Windkraft.
Ich sehe mich nicht als Lobbyistin der Windkraft, sondern als Verfechterin aller Erneuerbaren. Dazu gehören auch die Wasserkraft, die Solarenergie und ja, vor allem für die Winterstromlücke, auch die Windenergie. Es braucht die Diversität im Schweizer Strommix.

Zwei kürzlich eingereichte Initiativen wollen deren ohnehin schon kleinen Ausbau in der Schweiz weiter beschränken. Machen Sie sich Sorgen?
Diese Initiativen waren noch nicht Thema in unserer Partei. Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass wir diese unterstützen. Zudem hat sich die Schweizer Bevölkerung mehrmals zur Energiewende bekannt. Dennoch darf man das Anliegen nicht auf die leichte Schulter nehmen. Es gibt Teile in der Bevölkerung, die genau auf die einzelnen Pfeiler der Energiewende zielen. Um damit die Atomkraft zurück ins Spiel zu bringen. Das halte ich für eine gefährliche und unsinnige Strategie. (aargauerzeitung.ch)

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Phrosch
14.08.2025 06:26registriert Dezember 2015
Recht hat die Frau. Röstis Plan B gibt doch nur den Bürgerlichen eine weitere Ausrede, um alles, was es zur Förderung erneuerbarer Energien braucht, zu sabotieren. Dabei ist sonnenklar, dass wir da endlich zügig vorangehen müssen.
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skandalf
14.08.2025 06:27registriert November 2021
Solange die fusion noch nicht serienreif ist, müssen wir über dieses Thema nicht abstimmen.
Selbst wenn dieses svp gejammer angenommen würde, würde trotzdem keins begaut.
Denn niemand will ein akw in seiner Gemeinde, niemand will so viel investieren und niemand will es versichern.
Thema beendet.
Diese dumpfbacken sind bemitleidens.. Ja nein, das dann doch nicht.
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Rethinking
14.08.2025 06:32registriert Oktober 2018
NEIN zur Blackout-Initiative!
NEIN zum Gegenvorschlag!
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