Die Vorwürfe in der Libyen-Affäre, wegen der Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy jetzt vor Gericht steht, klingen wie das Szenario eines Polit-Thrillers und haben das Zeug für eine Staatsaffäre.
Der in Paris begonnene Prozess stützt sich auf Hinweise, wonach für Sarkozys Präsidentschafts-Wahlkampf 2007 illegal Millionensummen vom Regime des damaligen libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi geflossen sein sollen.
Der Konservative, der von 2007 bis 2012 französischer Präsident war, hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Neben Sarkozy (69) stehen zwölf weitere Angeklagte wegen des Vorwurfs der illegalen Wahlkampffinanzierung, Veruntreuung öffentlicher Gelder und Bestechlichkeit vor Gericht. Zu ihnen gehören die ehemaligen Innenminister Claude Guéant und Brice Hortefeux sowie der ehemalige Arbeitsminister und Abgeordnete Éric Woerth.
Im modernen Pariser Justizpalast stehen vor Start des Prozesses Kamerateams und Medien Schlange, Frankreich hat die Libyen-Affäre seit Jahren mit Spannung verfolgt. Einigen der Angeklagten ist die Anspannung beim Eintreffen im Gericht anzusehen. Der nach einem Urlaub auf den Seychellen leicht gebräunte Sarkozy steht mit den ehemaligen Ministern vor Start der Verhandlung zusammen und diskutiert.
Die Anklage stützt sich unter anderem auf Angaben des französisch-libanesischen Geschäftsmanns Ziad Takieddine, der erklärt hatte, er habe Ende 2006 oder Anfang 2007 mehrere - vom libyschen Regime vorbereitete - Koffer mit mehreren Millionen Euro ins Pariser Innenministerium gebracht, das damals von Sarkozy geführt wurde. Sarkozy bezichtigte ihn daraufhin der Lüge. Takieddines Aussagen schwankten im Laufe der Ermittlungen mehrfach.
Als Gegenleistung für die mutmassliche Zahlung von Millionen sollen dem damals geächteten Libyen gute Geschäfte mit französischen Unternehmen und Hilfe bei der Rückkehr auf die internationale Bühne zugesagt worden sein. In der Tat wurde Muammar al-Gaddafi im Dezember 2007 mit militärischen Ehren im Élysée-Palast empfangen.
Ausserdem sollen Bemühungen zur Aufhebung eines französischen Haftbefehls gegen Gaddafis Schwager Abdallah Senoussi in Aussicht gestellt worden sein. Er war in Paris 1999 in Abwesenheit als Hauptverantwortlicher schuldig gesprochen worden für einen Anschlag auf ein französisches Verkehrsflugzeug, bei dem 170 Menschen starben. Die ehemaligen Minister und Mitangeklagten Guéant und Hortefeux sollen Senoussi 2005 in Libyen heimlich getroffen haben - nach französischen Medienberichten, um die Millionenhilfe einzufädeln.
Die Vorstellung, dass Frankreich hinter dem Rücken der Öffentlichkeit Hilfe für einen Verantwortlichen eines Anschlags auf ein französisches Flugzeug eingefädelt haben könnte, stösst den Angehörigen der 54 französischen Opfer übel auf. Yohanna Brette war damals ein Jahr alt, als ihre Mutter als Stewardess des Fluges Brazzaville-Paris starb. Sie erinnere sich, wie Sarkozy den Opfern Unterstützung bei der Aufklärung des Anschlags zugesichert habe. Als die Libyen-Affäre bekannt wurde, habe sie sich verraten und verachtet gefühlt, sagte sie dem Sender RTL. Als Nebenklägerin wolle sie jetzt die Wahrheit erfahren. «Das sind immerhin staatliche Lügen, über die wir reden.»
Sarkozy drohen im Falle eines Schuldspruchs bis zu zehn Jahre Haft und eine hohe Geldstrafe. Etliche der Mitangeklagten müssen ebenfalls mit bis zu zehn Jahren Haft rechnen. Der Prozess mit 40 Verhandlungstagen ist bis zum 10. April terminiert.
Sarkozy (69) stand bereits wegen diverser Affären vor Gericht. Mitte Dezember erging gegen den Ex-Präsidenten ein endgültiger Schuldspruch in einem Verfahren um Einflussnahme auf die Justiz.
Wegen Bestechung und unerlaubter Einflussnahme wurde Sarkozy dazu verurteilt, eine einjährige Haftstrafe mit einer Fussfessel zu Hause zu verbüssen. Die Modalitäten werden in den nächsten Wochen noch bestimmt, noch bekam Sarkozy die Fussfessel nicht angelegt. (sda/dpa/thw)