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Inszenierte Übergabe: Hamas lässt weitere Geiseln frei

epa11914687 People gather at Hostages Square in Tel Aviv, Israel, 22 February 2025, ahead of the scheduled release of six hostages held by Hamas in Gaza. The Israeli military expects Hamas to release  ...
Viele Menschen warten in Tel Aviv auf die Freilassung von weiteren Geiseln.Bild: keystone

Inszenierte Übergabe: Hamas lässt weitere Geiseln frei

22.02.2025, 09:2122.02.2025, 09:21
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Die islamistische Hamas hat im Gazastreifen weitere Geiseln freigelassen. In einer Live-Übertragung im Fernsehen war zu sehen, wie die Terrororganisation dem Roten Kreuz zunächst in Rafah im Süden des Küstengebiets zwei Männer übergab. Später sollten vier weitere folgen. Vermummte und bewaffnete Hamas-Kämpfer in Uniformen inszenierten die Übergabe von Avera Mengistu und Tal Schoham erneut mit einer Bühne, lauter Musik und palästinensischen Fahnen. Schoham wurde gezwungen, einige Worte zu sagen. Die Umgebung der Bühne, Ruinen von Häusern, zeugte vom Krieg. Später sollen in Nuseirat im zentralen Abschnitt des Gazastreifen vier weitere Geiseln übergeben werden.

Kibbuz in Israel: Frauenleiche ist die von Schiri Bibas

Unterdessen wurde eine am Freitagabend von der Hamas übergebene Frauenleiche identifiziert. Der Kibbuz Nir Oz bestätigte am Morgen, es handele sich um die Leiche der verschleppten Geisel Schiri Bibas. Die sterblichen Überreste der Deutsch-Israelin hätten eigentlich zusammen mit denen ihrer beiden kleinen Söhne am Donnerstag an Israel übergeben werden sollen.

In dem Sarg, den die Hamas an dem Tag an das Rote Kreuz ausgehändigt hatte, befand sich jedoch die Leiche einer anderen, unbekannten Frau. Die Terrororganisation räumte später einen möglichen Irrtum ein. Die Vertauschung – ob wissentlich oder versehentlich – hatte in Israel grosse Empörung ausgelöst.

Schon in der Nacht zu Freitag hatte die israelische Armee den Tod von Schiris beiden kleinen Kindern Ariel und Kfir Bibas bestätigt. Sie seien bereits im November 2023 von den Kidnappern ermordet worden. Nach Darstellung der Hamas waren sie bei einem israelischen Luftangriff getötet worden.

Insgesamt sechs weitere Geiseln sollen freikommen

Avera Mengistu (39) ist eine Langzeitgeisel der Hamas. Tal Schoham (40) wurde vor 16 Monaten aus Israel entführt, wie auch Omer Schem-Tov (22), Omer Wenkert (23) und Elija Cohen (27), die ebenfalls heute freigelassen werden sollen. Darüber hinaus wurde die Freilassung von Hischam al-Sajid (36) zugesagt. Er hatte wie Mengistu vor einem Jahrzehnt auf eigene Faust die Grenze in den Gazastreifen überquert, beide sollen unter psychischen Problemen leiden.

Im Gegenzug soll Israel nach palästinensischen Angaben im Rahmen einer Waffenruhe-Vereinbarung insgesamt 602 inhaftierte Palästinenser freilassen. Darunter 50 mit lebenslangen Haftstrafen.

Mann soll während gesamter Geiselhaft angekettet gewesen sein

Palästinensische Terroristen entführten Omer Schem-Tov, Omer Wenkert und Elija Cohen vom Nova-Musikfestival in der Negev-Wüste. Cohens Partnerin überlebte das Massaker nach Angaben des Forums der Geisel-Familien, in dem sie sich unter Leichen versteckte. Cohen soll während seiner gesamten Geiselhaft angekettet gewesen sein, wie israelische Medien unter Berufung auf Berichte von jüngst freigelassenen Geiseln meldeten.

Tal Schoham, der auch österreichischer Staatsbürger ist, wurde mit seiner Frau, ihren beiden Kindern und weiteren weiblichen Angehörigen entführt. Frauen und Kinder kamen im November 2023 als Teil eines damaligen Abkommens zwischen Israel und der Hamas frei.

Al-Sajid ist ein israelischer Araber, der die Grenze in den Gazastreifen 2015 auf eigene Faust überquert hatte. Gleiches gilt für den in Äthiopien geborenen Mengistu, der bereits seit 2014 in der Gewalt der Hamas ist. Die Hamas veröffentlichte auch Aufnahmen der beiden, im Jahr 2022 wurde al-Sajid etwa in einem Bett mit Sauerstoffmaske gezeigt. In Israel sorgte dies für Entsetzen.

Freilassung von drei Geiseln vorgezogen

Die Hamas liess drei der sechs Geiseln früher als geplant frei. Drei Männer sollten gemäss dem Waffenruhe-Abkommen ursprünglich erst kommendes Wochenende freigelassen werden. Die Islamisten wollten, dass die Freilassung Dutzender hochrangiger Mitglieder der Terrororganisation aus israelischen Gefängnissen nicht in letzter Minute scheitert, berichteten mehrere Medien.

Laut der US-Nachrichtenseite «Axios» gibt es sowohl aufseiten der palästinensischen Terrororganisation als auch innerhalb der israelischen Regierung Befürchtungen, dass die erste, sechswöchige Phase der Waffenruhe nicht wie verabredet bis Anfang März halten könnte – und wichtige Forderungen dann unerfüllt bleiben.

Seit Beginn der Waffenruhe im Gaza-Krieg am 19. Januar hatten Islamisten im Gazastreifen in mehreren Runden bislang 19 Geiseln freigelassen. Zusätzlich kamen fünf aus Israel entführte Thailänder unabhängig von der Vereinbarung frei.

Erste Phase des Deals soll offiziell in einer Woche enden

Das mehrstufige Abkommen zwischen Israel und der Hamas sieht vor, dass während einer ersten, sechswöchigen Phase nach und nach insgesamt 33 Geiseln, darunter acht Tote, im Austausch gegen 1'904 palästinensische Häftlinge freikommen. Vier weitere Leichen sollen laut Hamas kommende Woche übergeben werden. Damit wird der Austausch von Geiseln gegen Inhaftierte der ersten Phase abgeschlossen. Die erste Phase des Deals soll offiziell in einer Woche enden.

Berichten zufolge haben beide Kriegsparteien bislang, anders als vorgesehen, noch keine ernsthaften Verhandlungen über die zweite Phase der Vereinbarung geführt. Ob sie zustande kommt, ist ungewiss. Sie soll zu einem endgültigen Ende des Krieges sowie zur Freilassung der noch verbliebenen Geiseln führen. Im Gazastreifen werden noch mehr als 60 Geiseln festgehalten, etwa die Hälfte davon ist nach israelischen Informationen nicht mehr am Leben.

Auslöser des Krieges war der Überfall der Hamas und anderer extremistischer Gruppierungen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1'200 Menschen getötet und mehr als 250 Israelis als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seitdem wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen mehr als 48'300 Menschen getötet, darunter auch viele Frauen und Minderjährige. (sda/dpa)

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14 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Sarah.J.M.
22.02.2025 09:54registriert April 2024
Die Hamas gehört komplett eliminiert, egal was es kostet. Alle anderen Szenarien sind nach den unaufhörlichen Gräueltaten und den Inszenierungen der Hamas vom Tisch. Dauerhaften Frieden mit der Hamas wird es nicht geben, weil deren einzige Existenzberechtigung der Hass auf und die Vernichtung von Israel ist. Eine Zwei-Staaten-Lösung ist ebenso in weiter Ferne (weiter als je zuvor) und dem wird Israel nun niemals zustimmen. Bleibt nur die Befreiung der Palästinenser von der Hamas und ihren iranischen Unterstützern. Zeit, auch die Hamas-Unterstützer in der CH ins Visier der Justiz zu nehmen.
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Lisbon
22.02.2025 11:04registriert Januar 2019
Die Szenen am Donnerstag sind kaum zu ertragen. Feiernde Leute um die Särge herum; das Tragen jedes einzelnen Sarges durch die Menge mit lauter Musik; tanzende und kreischende Kinder auf der Bühne; ein paar Monate alte Babies die von den Eltern mitgebracht wurden um dieses "Spektakel" mitzuerleben; wie üblich das Gedränge um die rotkreuz Autos und dann: Im Sarg war nicht Shiri Bibas, sondern eine Unbekannte. Kfir und Ariel wurden brutal stranguliert, ebenso Shiri, als die Hamas nach diesem "Stunt" sie endlich auch übergab. Die Körper wurden (...) um die brutalen Morde versuchen zu verschleiern.
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