Bei einer Protestkundgebung gegen das Vorgehen der französischen Regierung bei der Rentenreform ist es am Freitagabend in Paris erneut zu Zusammenstössen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Laut Medienberichten setzten Sicherheitskräfte Wasserwerfer und Tränengas gegen die Protestierenden ein, die Pflastersteine und Feuerwerkskörper auf Polizisten warfen. Auch Gegenstände wurden in Brand gesetzt.
Nach Informationen des französischen Fernsehsenders BFMTV wurden 38 Menschen festgenommen. Rund 4000 Teilnehmer sollen bei dem Protest gezählt worden sein. Auch in anderen Städten kam es zu Protesten, etwa in Bordeaux, Lyon und Strassburg.
Die spontane Kundgebung in Paris fand auf dem zentralen Place de la Concorde statt, der unweit des Parlamentsgebäudes liegt. Dort war es bereits am Vortag zu Ausschreitungen gekommen, nachdem die französische Regierung beschlossen hatte, die umstrittene Reform mit Hilfe des Sonderartikels 49.3 ohne Abstimmung in der Nationalversammlung durchzuboxen. Sie befürchtete, dass nicht genügend Abgeordnete der Reform zustimmen. Diese sieht vor, das Renteneintrittsalter von 62 auf 64 Jahren zu erhöhen.
Gymnasien und Universitäten wurden teils von protestierenden jungen Leuten blockiert, wie etwa in Clermont-Ferrand und Lille. Die Gewerkschaften planen am nächsten Donnerstag erneut einen landesweiten Streik- und Protesttag. Wegen ihres Vorgehens muss sich die Regierung am Montag einem Misstrauensvotum stellen.
Einige Raffinerien kündigten am Freitag erneute oder verlängerte Streiks an, die Versorgung der Tankstellen mit Kraftstoff kam bislang aber nicht ins Stocken. Die streikende Müllabfuhr in Paris wurde unterdessen vom Polizeipräfekten zum Dienst verpflichtet, um mit der Beseitigung von rund 9000 Tonnen aufgehäuften Mülls aus den Strassen zu beginnen. Die Behinderungen im öffentlichen Nahverkehr und bei der französischen Bahn blieben am Freitag überschaubar. Im südfranzösischen Toulon aber besetzten Demonstranten Bahngleise und brachten den Zugverkehr zum Erliegen, berichtete der Sender BFMTV. Auch in Bordeaux stürmten Demonstranten den Bahnhof.
Die französische Regierung hatte am Donnerstagnachmittag kurzfristig entschieden, die umstrittene Rentenreform ohne die eigentlich anstehende Abstimmung in der Nationalversammlung durchzuboxen. Sie griff zu einem Sonderartikel der Verfassung, um das wichtigste Reformprojekt von Präsident Macron umzusetzen. Das Renteneintrittsalter wird dadurch von 62 auf 64 Jahre erhöht. Die Sorge war, dass doch nicht genügend Abgeordnete der Reform zustimmen.
Am Montag erwartet nun die Regierung ein Misstrauensvotum. Zwei Misstrauensanträge wurden bis Freitag in der vorgeschriebenen Frist gestellt. Dass damit die Regierung von Premierministerin Élisabeth Borne gestürzt wird, gilt aber als wenig wahrscheinlich.
Ein fraktionsübergreifender Misstrauensantrag wurde von der kleinen Zentrums-Mitte-Partei Liot gestellt. Dieser könnte vom Linksbündnis unterstützt werden, hiess es am Freitag aus den Parteien. Das rechtsnationale Rassemblement National brachte einen eigenen Antrag ein, der von keiner der übrigen Oppositionsparteien unterstützt werden dürfte. Die Frage ist, ob einige Abgeordnete der konservativen Républicains, die die Reform grundsätzlich unterstützt hatten, für den fraktionsübergreifenden Antrag stimmen und unter Umständen auch rechtsnationale Abgeordnete.
Seit Wochen schon protestieren Gewerkschaften mit Streiks gegen das Reformvorhaben. Für den nächsten Donnerstag haben sie erneut zu einem landesweiten Streik- und Protesttag aufgerufen. (sda/dpa)