International
Gesellschaft & Politik

Merkel-Regierung plante Militärlieferungen an Russland

FILE - Russian President Vladimir Putin, right, holds a binoculars as Russian Defense Minister Sergei Shoigu sits near watching the joint strategic exercise of the armed forces of the Russian Federati ...
Wladimir Putin besucht 2021 das Trainingsgelände, auf welchem die Merkel-Regierung ein hochmodernes Gefechtsübungs-Zentrum errichtet hat.Bild: AP Pool Sputnik Kremlin

Merkel-Regierung plante Militärlieferungen an Russland

Vor Russlands Annexion der Krim plante die Bundesregierung eine Zusammenarbeit mit der russischen Armee. Diese sollte offenbar weiter gehen, als bislang bekannt.
04.03.2024, 15:58
Marianne Max / t-online
Mehr «International»
Ein Artikel von
t-online

Vor mehr als zehn Jahren war geplant, was heute undenkbar erscheint: Die damalige Bundesregierung unter der CDU wollte ein hochmodernes Gefechtsübungszentrum des Rüstungskonzerns Rheinmetall an die russische Armee liefern. Im Jahr 2011 unterschrieb sie den Vertrag mit den russischen Amtskollegen. In Zusammenarbeit mit dem russischen Staatskonzern «Oboronservice AG» sollte das Zentrum in Mulino errichtet werden und 2014 einsatzbereit sein. Der Ort liegt in der Oblast Nischni Nowgorod. Kurz vor der Fertigstellung des Gefechtsübungszentrums durchkreuzte Russlands völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim jedoch die Pläne.

Der neue Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) stoppte damals die Lieferung aller weiteren Bauteile an Russland. Das Gefechtsübungszentrum aber wurde, wenn auch ohne die fehlenden Bauteile aus Deutschland, nach dem Exportstopp fertiggestellt – und zwar von «Oboronservice AG», dem damaligen russischen Partner Rheinmetalls. Danach hielten russische Truppen im Beisein von Russlands Präsident Wladimir Putin die Militärübung «Sapad 2021» in Mulino ab. Sie soll Militärexperten zufolge die Generalprobe für die Invasion in die Ukraine am 24. Februar 2022 gewesen sein.

Pläne der Bundesregierung gingen wohl noch viel weiter

Das alles ist öffentlich. Doch wie nun bekannt wird, hatte die Bundesregierung vor der Krim-Annexion offenbar eine noch viel engere militärische Zusammenarbeit mit Russland angestrebt. Das sollen Dokumente, die dem Sender WDR Investigativ vorliegen, beweisen, berichtet die deutsche Tagesschau. Demnach ging aus Schriftsätzen Rheinmetalls hervor, dass es bei den Plänen der Bundesregierung nicht nur um das schon genehmigte Übungszentrum in Mulino ging, sondern um weitere bis zu acht Ausbildungsanlagen in einem Gesamtwert von einer Milliarde Euro.

Rheinmetall klagte damals in einem Eilverfahren gegen den Stopp der Lieferung an Russland, scheiterte jedoch vor Gericht. Die Dokumente, die WDR Investigativ vorliegen, sollen Teil der bislang unter Verschluss gehaltenen Prozessakte sein. Wie die Tagesschau unter Berufung auf den Konzern berichtet, ruhe das Verfahren derzeit.

De Maizière sprach von «riesigem Potential für die Kooperation»

Auf mehrfache Nachfrage von WDR Investigativ habe ein Sprecher von Rheinmetall die Angaben in den Prozessunterlagen bestätigt. Diese seien jedoch nicht vertraglich festgeschrieben worden, sondern beruhten allein auf den «seinerzeitigen planerischen Überlegungen in Abstimmung mit der Bundesregierung». Diese legte dem Dokument des Konzerns zufolge Eckdaten des Projektes bei einer dreitägigen Sitzung der «Deutsch-Russischen-Rüstungskommission» im März 2009 fest – «massgeblich unter Beteiligung des Verteidigungsministeriums».

Klaus Eberhardt , Vorstandsvorsitzender der Rheinmetall AG, begruesst Franz Josef JUNG, CDU, Bundesverteidigungsminister, auf dem Werksgelaende der Rheinmetall Waffe Munition GmbH in Oberndorf , . Kla ...
Klaus Eberhardt, damals Vorstandsvorsitzender der Rheinmetall AG, begrüsst Franz-Josef Jung (CDU), damals Verteidigungsminister der Bundesregierung (Archivbild von 2009): Nach seinem Amt sass Jung im Aufsichtsrat des Rüstungskonzerns.Bild: imago stock&people

Dieses stand damals unter Franz-Josef Jung (CDU), später sass er im Aufsichtsrat von Rheinmetall. Doch auch sein Nachfolger Thomas de Maizière (CDU) trieb das Vorhaben bei einem Besuch in Moskau 2011 voran und sprach von einem «riesigen Potential für die Kooperation zwischen Russland und Deutschland». Nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine distanzierte er sich von dem Vorhaben, er sei «sehr skeptisch» gewesen, so de Maizière. Auf Anfrage der Tagesschau wollte er sich zu dem Bericht nicht erneut äussern.

Bundeswehr wies russische Soldaten ein

Wenige Jahre nach seinem Besuch in Moskau sollen im Jahr 2013 dann auch russische Offiziere zur Einweisung nach Deutschland gekommen sein, berichtet die Tagesschau unter Berufung auf die Prozessdokumente des Rüstungskonzerns. Im Gegenzug habe die Bundeswehr mehrfach Soldaten für einige Wochen nach Mulino geschickt. Dort sollten russische Soldaten vor Ort in die neue Technik eingewiesen werden.

Der damalige Heeresinspekteur Bruno Kasdorf bestätigt die Angaben gegenüber der Tagesschau. Laut ihm solle für das Jahr 2014 auch eine Militärübung mit der russischen Armee geplant worden sein. Auch diese fand nach Russlands völkerrechtswidriger Annexion der Krim jedoch nicht statt. «Im Rückblick kann man natürlich sagen: Wir hätten den Georgienkrieg (Anm. d. Red.: auch Kaukasuskrieg genannt) 2008 als Warnung nehmen müssen», sagt Kasdorf nun der Tagesschau. «Wir wollten Russland aber die Hand ausstrecken und in eine europäische Friedensordnung einbinden», so Kasdorf.

Präsident Putin beobachtet die Militärübung "Sapad 2021" auf dem Trainigsplatz Mulino.
Putin beobachtet das Trainingsmanöver «Sapad 2021»; flankiert wird er zu seiner linken von Valeri Gerassimow, rechts sitzt Sergei Schoigu.Bild: siriusnews

Während die Politik die Zusammenarbeit mit Russland nach der Annexion der Krim einstellte, sah Rheinmetall in dem ursprünglichen Vorhaben jedoch weiterhin ein lukratives Geschäft. Vor Gericht erklärte der Konzern dem Bericht zufolge, es könne völlig «ausgeschlossen werden, dass eine (…) am Frieden zwischen den Völkern ausgerichtete Aussenpolitik (...) mit der Ausfuhr des Gefechtsübungszentrums gefährdet sein könnte.» Und weiter: «Gefahren gehen davon nicht aus.» – ein Irrtum, wie Russlands Invasion in die Ukraine, erprobt in Mulino, wenige Jahre später gezeigt hat.

Verwendete Quellen:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Anschläge auf Gegner von Putin und der russischen Elite
1 / 14
Anschläge auf Gegner von Putin und der russischen Elite
Der russische Despot Wladimir Putin lässt politische Gegner und kritische Journalistinnen nicht nur mundtot machen, sondern umbringen. Diese Bildstrecke ruft einige der schlimmsten Fälle in Erinnerung...
quelle: ap/pool sputnik kremlin / alexei druzhinin
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Keine Zeit? Das zweistündige Putin-Interview in 6 Minuten
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
43 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
realkontrol.com
04.03.2024 16:43registriert April 2022
Um Himmels willen, da tun sich aber Abgründe auf. Könnte es sein, dass noch irgendwelche IM's mit Moskau-Affinität in der bundesdeutschen Regierung sitzen.
705
Melden
Zum Kommentar
avatar
Loginjust4vote
04.03.2024 16:42registriert September 2022
Danke merkel, oder so..
513
Melden
Zum Kommentar
avatar
Boomer & Boomer GmbH.
04.03.2024 17:59registriert Juli 2019
Die Merkel-Regierung war eine Katastrophe für ganz Europa.
5810
Melden
Zum Kommentar
43
In Peru sind trans Menschen jetzt per Dekret «psychisch krank»
Die peruanische Regierung hat trans Menschen offiziell als «psychisch krank» eingestuft. Jetzt gehen die Leute auf die Strasse.

Peru ist nicht dafür bekannt, besonders offen gegenüber der LGBTQI+-Community zu sein. Im Gegenteil: Homosexualität oder eine trans Identität per se ist zwar nicht strafbar in Peru. Jedoch verzeichnet das Land ein hohes Mass an homophober, transphober und geschlechtsspezifischer Gewalt, wie der britische The Telegraph schreibt.

Zur Story