Im baltischen EU- und Nato-Land Litauen zeichnet sich ein Machtwechsel ab. Bei der ersten Runde der Parlamentswahl haben sich nach vorläufigen Ergebnissen der Wahlkommission in Vilnius die Sozialdemokraten gegen die konservative Vaterlandsunion von Ministerpräsidentin Ingrida Simonyte durchgesetzt. Die oppositionelle Kraft kam auf 19,4 Prozent der Stimmen, die mit zwei liberalen Parteien regierende Partnerpartei der CDU/CSU auf 18 Prozent. Dahinter landete die erstmals zur Wahl angetretene populistische Partei Morgenröte von Nemunas (15 Prozent).
Die Sozialdemokraten wurden damit ihrer Favoritenrolle aus Umfragen vor der Wahl gerecht. Sie streben nun eine Mitte-Links-Koalition in dem an die russische Ostsee-Exklave Kaliningrad und Moskaus Kriegsverbündeten Belarus grenzenden Baltenstaat an. Als mögliche Partner gelten die Partei Für Litauen (9,2 Prozent) und der Bund der Bauern und Grünen (7,0 Prozent).
«Wir hoffen, dass wir, sobald die Ergebnisse der zweiten Runde bestätigt sind, über genügend Sitze verfügen, um eine Koalition aus drei Parteien zu bilden», sagte Parteichefin Vilija Blinkeviciute am Montag mit Blick auf den zweiten Wahlgang am 27. Oktober. Dann entscheiden die knapp 2,4 Millionen Wahlberechtigten in einer Stichwahl über 63 noch ausstehende Direktmandate.
Im ersten Wahlgang waren 70 Mandate nach Parteilisten bestimmt worden, zudem konnten acht Kandidaten bereits ein Direktmandat sichern. Insgesamt schafften bei einer Wahlbeteiligung von 52 Prozent sechs Parteien den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde - darunter aber nur einer der beiden Koalitionspartner von Simonyte. Die Regierungschefin sah dennoch keinen Grund, eine Niederlage einzuräumen und betonte, dass alles vom Ergebnis der zweiten Wahlrunde abhänge.
Unabhängig vom endgültigen Wahlausgang dürfte sich am aussen- und sicherheitspolitischen Kurs Litauens nicht viel ändern. Beide Grossparteien befürworten eine klar westliche Ausrichtung auf EU und Nato sowie die entschlossene Unterstützung der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland. Ein Regierungswechsel würde vor allem zu innen- und sozialpolitischen Veränderungen führen.
Litauen ist durch seine Lage an der Nato-Ostflanke in der geopolitischen Konfrontation mit Russland besonders exponiert und betrachtet Moskaus Angriffskrieg gegen die Ukraine auch als direkte Gefahr für seine eigene Sicherheit. Deutschland will deshalb eine gefechtsbereite Brigade mit bis zu 5000 Bundeswehrsoldaten dauerhaft in Litauen stationieren. (leo/sda/dpa)