Das EU-Gipfeltreffen ist am Freitag in Brüssel wegen der zähen Briten-Verhandlungen in die Verlängerung gegangen. Die EU-Partner setzten den britischen Premier David Cameron beim unter Druck, das Reformpaket endlich zu akzeptieren.
Was von den Gipfel-Organisatoren im Spass als «English Breakfast» der 28 EU-Staats- und Regierungschefs angekündigt worden war, endete schlussendlich als «British Dinner» – also als Abendessen.
Denn während des ganzen Freitags trafen sich die EU-Chefs in kleinen Gruppen, um Kompromissmöglichkeiten auszuloten. Dabei ging es vor allem um die Frage, wie lange es London erlaubt werden soll, eine geplante «Notbremse» zu ziehen. Mit dieser will die Regierung in London zugewanderte EU-Bürger von gewissen Sozialleistungen für eine bestimmte Zeit ausschliessen.
Differenzen gab es auch bei der britischen Forderung nach einem stärkeren Mitspracherecht der Nicht-Euro-Länder bei Entscheidungen der Eurozone.
«Ich werde mich nur auf eine Vereinbarung einlassen, wenn wir bekommen, was Grossbritannien braucht», hatte Cameron während den letzten zwei Tagen immer wieder wiederholt.
Niemand will den «Brexit»
Der britische Premier hatte seinen EU-skeptischen Landsleuten vor drei Jahren ein Referendum über Grossbritanniens Verbleib in der EU versprochen, um seine Chancen auf eine Wiederwahl zu erhöhen. Mit dem Reformpaket sollen nun die britischen Wähler überzeugt werden, für den Verbleib in der EU zu votieren.
Denn Interesse an einem Austritt haben weder der konservative Brite selbst noch die anderen 27 EU-Chefs. «Wir sind zu einem Kompromiss bereit», betonte daher Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel.
Nicht alle EU-Chefs waren jedoch so entgegenkommend. «Wir wollen eine gute Einigung, aber nicht um jeden Preis», polterte etwa die neue polnische Regierungschefin Beata Szydlo. «Kein Land kann es sich erlauben, die gemeinsam aufgestellten Regeln zu missachten», verkündete auch der französische Präsident François Hollande.
Und der belgische Regierungschef Charles Michel, der zu den härtesten Widersachern Camerons gehört, machte deutlich, dass alle mit Grossbritannien jetzt getroffenen Vereinbarungen hinfällig würden, falls die Wähler beim Referendum für den «Brexit» stimmen.
Athen verknüpft Flüchtlingsfrage mit «Brexit»
Im Laufe des Freitags sorgte dem Vernehmen nach zudem der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras für Irritationen. Von ihm hiess es, er habe seine Zustimmung zu einem Briten-Deal an Garantien in der Flüchtlingskrise geknüpft.
«Wir verlangen eine einstimmige Entscheidung, dass bis zum 6. März kein Staat einseitig seine Grenzen schliesst», sagte ein griechischer Regierungsvertreter in Athen der Nachrichtenagentur AFP.
«Wenn nicht, wird die griechische Regierung dem Abschlusstext nicht zustimmen» – in dem Fall könnte der Briten-Deal nicht besiegelt werden, hiess es weiter. Um den 6. März herum soll ein EU-Türkei-Sondergipfel stattfinden.
Hollande und Merkel hätten Griechenland daraufhin «jede Unterstützung, die es benötige» zugesichert, hiess es aus Regierungskreisen in Athen.
Keine Kabinetts-Sondersitzung in London
Britische Medien spekulierten darüber, dass Cameron nach Abschluss des EU-Spitzentreffens eine Kabinetts-Sondersitzung in London abhält. Dann könnte er auch das genaue Datum für das Referendum bekanntgeben. Spekuliert wird über den 23. Juni.
Doch nachdem ein weiteres Treffen der EU-Chefs voraussichtlich auf 20 Uhr angesagt wurde, sagte der Brite die Sitzung ab. «Eine Kabinettssitzung wird heute Abend nicht möglich sein», schrieb er im Kurzbotschaftendienst Twitter.
Es war von Beginn an klar, dass die Verhandlungen lange dauern werden, denn um innenpolitisch bestehen zu können, muss Cameron seine Haut in Brüssel möglichst teuer verkaufen – eine frühzeitige Einigung würde dem britischen Premier zu Hause als Schwäche und als Einknicken ausgelegt werden.
EU braucht Türkei Flüchtlingskrise
Am ersten Gipfeltag diskutierten die EU-Chefs neben «Brexit» auch über die Flüchtlingskrise. Dabei bekräftigen die EU-Chefs, dass es bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise die Zusammenarbeit mit der Türkei braucht – trotz des eskalierenden Kurdenkonflikts.
Anlass zu roten Köpfen gab die am Mittwoch von Österreich angekündigte Einführung einer Flüchtlingsobergrenze.
Merkel etwa lehnt eine Obergrenze aus humanitären und rechtlichen Gründen ab. Auch die EU-Kommission hält das Vorgehen für unvereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Genfer Flüchtlingskonvention sowie mit Artikel 18 der EU-Grundrechtecharta. (jas/sda/dpa/afp)