Nach dem Mord am russischen Kreml-Kritiker und Geschäftsmann Nikolai Gluschkow hat die Polizei in Grossbritannien eine Reihe von Exil-Russen kontaktiert. Die Beamten rieten ihnen laut Medienberichten zur Vorsicht.
Damit hätten die Sicherheitsbehörden ihre bisherige Einschätzung vom geringen Risiko für Exil-Russen im Land geändert, berichtete der Sender BBC in der Nacht zum Samstag. Allerdings gebe es weiterhin keinen Zusammenhang mit dem Tod Gluschkows und der Giftattacke gegen den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter Yulia.
London hat inzwischen den russischen Präsidenten Wladimir Putin als Drahtzieher des Attentats auf Skripal bezichtigt. Die Entscheidung sei «höchstwahrscheinlich» von Putin selbst getroffen worden, sagte der britische Aussenminister Boris Johnson am Freitag.
Der Kreml wies die Vorwürfe umgehend zurück. «Jeder Verweis oder eine Erwähnung unseres Präsidenten in diesem Zusammenhang ist nichts anderes als eine schockierende und unverzeihliche Verletzung der diplomatischen Anstandsregeln», sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow.
Bei den Ermittlungen zum Tod Gluschkows fanden Rechtsmediziner am seinem Hals Gewaltspuren, wie Scotland Yard in London mitteilte. Der 68-Jährige war am vergangenen Montag tot in seinem Haus in der Hauptstadt entdeckt worden.
Gluschkow hatte für die russischen Grosskonzerne Avtovaz und Aeroflot gearbeitet. 2004 war er in seiner Heimat zu drei Jahren und drei Monaten Haft nach Vorwürfen von Betrug und Geldwäsche verurteilt worden. 2010 erhielt er in Grossbritannien Asyl. Russland habe bis zuletzt versucht, von ihm rund 113 Milliarden Euro an Aeroflot-Geldern zurückzubekommen, hiess es beim BBC.
Im Fall Gluschkow sieht die Polizei derzeit keine Verbindung zu dem Attentat auf Skripal und dessen Tochter. Die beiden waren am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank in der südenglischen Kleinstadt Salisbury entdeckt worden. Sie befinden sich in einem kritischen Zustand.
Bei dem Attentat war das in der früheren Sowjetunion produzierte, extrem gefährliche Nervengift Nowitschok verwendet worden. London hält daher Moskau für schuldig.
Das für den Anschlag auf Skripal verwendete Nervengift könnte nach einem Medienbericht im Koffer von dessen Tochter versteckt gewesen sein. Davon gingen Geheimdienstkreise aus, berichtete die britische Zeitung «The Daily Telegraph» ohne eindeutige Quelle. Die extrem gefährliche Substanz Nowitschok sei bei einem Aufenthalt von Yulia Skripal in Moskau heimlich in ihrem Koffer deponiert worden. Als die Tochter anschliessend den Vater in England besucht habe, soll sie das Gift dem Bericht nach unwissentlich freigesetzt haben.
Russland deklarierte bei der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) nie Bestände dieses Nervengiftes.
In seltener Geschlossenheit stellten sich Deutschland, Frankreich und die USA hinter Grossbritannien. Am Freitag sicherten laut Downing Street Italien und Australien in Telefongesprächen ebenfalls ihre Rückendeckung zu. Auch die Nato hat nach eigenen Angaben keine Zweifel daran, dass Moskau für den Anschlag verantwortlich ist.
(dsc/sda/dpa)