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Sunak gegen Truss: Den Briten steht ein heisser Sommer bevor

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Schenkten sich nichts: Rishi Sunak und Liz Truss in der Fernsehdebatte am letzten Sonntag.Bild: keystone

Sunak gegen Truss: Den Briten steht ein heisser Politik-Sommer bevor

Für die Nachfolge von Premierminister Boris Johnson kommt es zum Duell zwischen Liz Truss und Rishi Sunak. Entscheidend dürfte sein, wer die nächste Unterhauswahl gewinnen kann.
21.07.2022, 15:4222.07.2022, 11:18
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Das Königreich ächzt und schwitzt. Am Londoner Flughafen Heathrow wurde am Dienstag erstmals die 40-Grad-Marke geknackt. Auf solche Temperaturen ist man auf den an ein mildes Ozeanklima gewöhnten Britischen Inseln nicht eingestellt. Es gibt kaum Klimaanlagen, und die Bahngeleise wurden weiss angestrichen, damit sie sich nicht verbiegen.

Die durch eine spezielle Wetterlage verursachte Gluthitze machte den Britinnen und Briten zu schaffen. Heiss ging es in den letzten Tagen auch in der Politik zu und her. Der Kampf um die Nachfolge von Boris Johnson, der letzte Woche als Parteichef der Konservativen und Premierminister zurückgetreten war, wurde zunehmend hitzig und schmutzig ausgetragen.

In den Fernsehdebatten am letzten Freitag und Sonntag flogen die Fetzen. Die Topfavoriten, Ex-Finanzminister Rishi Sunak und Aussenministerin Liz Truss, attackierten sich mit einer solchen Schärfe, dass manche Tories um das Image der Partei fürchteten. Selbst Sunak und Truss wurde es zu viel, sie liessen eine für Dienstag geplante weitere Debatte platzen.

Aus für Mordaunt

Das TV-Spektakel hatte einen seltsamen Beigeschmack, denn eigentlich ging es nur 358 Personen direkt etwas an. Gemeint sind die konservativen Unterhaus-Abgeordneten, die das Kandidatenfeld in mehreren Wahlgängen auf zwei Namen reduzierten. Am Mittwoch fand die Endauswahl statt, und wie erwartet setzten sich Truss und Sunak durch.

Auf der Strecke blieb Penny Mordaunt, deren zeitweiliger Höhenflug in den Umfragen und Wettbüros selbst Kenner der britischen Politik erstaunte. Mordaunt gehörte bislang nicht zu den politischen «Schwergewichten». Damit aber wirkte sie unverbraucht, und sie hätte einen echten Neuanfang markiert, denn Mordaunt war immer auf Distanz zu Johnson.

«Hasta la vista, baby»

Der scheidende Premier gab am Mittwoch bei seinem letzten Auftritt in der Fragestunde des Parlaments nochmals eine Kostprobe seiner chaotischen Amtszeit. Als lupenreiner Populist gab er allerlei Unsinn von sich und schwadronierte über angebliche Erfolge. Seine Abschiedsworte «Hasta la vista, baby» klangen in manchen Ohren wie eine Drohung.

Wie das britische Volk Boris Johnsons Bilanz beurteilt, zeigt sich in den Umfragen. Dort kommen die Tories auf knapp 30 und Labour auf 40 Prozent. Wären heute Wahlen, würde die Opposition wohl einen Erdrutschsieg erringen. Die konservativen Abgeordneten bescherten dem abtretenden Regierungschef dennoch eine Standing Ovation.

Verkehrte Brexit-Welt

Trotz seiner Lügen und seines vor allem wirtschaftlich dürftigen Leistungsausweises verfügt Boris Johnson in seiner Partei noch immer über viele Sympathien. Das bekam Rishi Sunak zu spüren. Er hatte mit seinem Rücktritt als Schatzkanzler den Sturz des Premiers eingeleitet und gilt seither für Johnsons Gefolgsleute als Verräter.

Sie lancierten eine Schlammschlacht gegen Sunak und bezeichneten ihn als verkappten «Remainer», obwohl er 2016 für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt hatte. Liz Truss hingegen hatte für den Verbleib in der EU votiert. Heute gibt sie sich als Brexit-Hardlinerin, womit sie die Johnson-Anhänger auf ihre Seite ziehen konnte.

«Inder» gegen Thatcher-«Kopie»

Trotz des Sperrfeuers, das auch auf den Steuer- und Niederlassungsstatus seiner Frau zielte, holte der 42-jährige Sunak bis zuletzt die meisten Stimmen in der Fraktion. Seine Eltern gehörten zur indischen Minderheit in Kenia. Er selbst gilt als politisch moderat. So war der einstige Finanzminister als einziger Kandidat gegen sofortige Steuersenkungen.

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Liz Truss wird am Mittwoch nach ihrem Erfolg in der Fraktion von ihren Mitarbeitern gefeiert.Bild: keystone

Die 46-jährige Elizabeth Truss hingegen inszeniert sich gerne und für manche etwas aufdringlich als «Kopie» von Tory-Ikone Margaret Thatcher. Sie plädiert für tiefere Steuern, um die lahmende britische Wirtschaft anzukurbeln. Sie unterstützt auch ein Gesetz, das die umstrittene Regelung für Nordirland im Brexit-Deal mit der EU einseitig aufheben will.

Sunak in Rücklage

Mit Truss gegen Sunak steht den Briten nach der wettermässigen Hitze nun auch ein heisser Politik-Sommer bevor. Allgemein wird erwartet, dass der Wahlkampf im bisherigen harten Stil weitergehen wird. Bis zum 5. September müssen die rund 160’000 Mitglieder der Tories entscheiden, wer künftig die Partei führen und das Land regieren wird.

Für Rishi Sunak sieht es auf den ersten Blick nicht gut aus. Er geniesst an der Basis bei Weitem nicht so viel Unterstützung wie in der Fraktion. In einer YouGov-Umfrage unter Parteimitgliedern unterlag er gegen Liz Truss klar mit 35 zu 54 Prozent. Ob die Briten damit ihre nächste Premierministerin bekommen werden, ist dennoch nicht sicher.

Wahlsieg als höchste Priorität

Entscheidend wird nach Ansicht britischer Experten die Frage sein, wer die nächste Unterhauswahl gewinnen kann, die spätestens Ende 2024 stattfinden wird. Und da habe Sunak keine schlechten Karten, meinte der Politologe Tim Bale gegenüber dem «Guardian». Beim Thema Wirtschaft sei die Parteibasis nicht so rechtslastig wie die Fraktion.

Ein Sieg bei den nächsten Wahlen habe für die konservative Basis höchste Priorität, meinte Bale mit Verweis auf Umfrage-Ergebnisse: «Ich nehme an, dass die Mitglieder im kommenden Monat zum Schluss kommen werden, dass Sunak in dieser Hinsicht eine bessere Chance hat als Liz Truss, und sich vielleicht entsprechend verhalten werden.»

Allerdings betont auch die Aussenministerin, sie sei besser geeignet, um Labour-Chef Keir Starmer bei der Unterhauswahl zu schlagen. Auch das lässt auf einen heftigen Wahlkampf schliessen. Los geht es am nächsten Montag mit einem Fernsehduell bei der BBC.

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15 Kommentare
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Magnum
21.07.2022 18:13registriert Februar 2015
Pest oder Cholera: Liz Truss ist eine unterbegabte Thatcher-Imitatorin, und Rishi Sunak mit einer der reichsten Oligarchen-Familien Indiens verschwägert und in diverse Steuer-Tricksereien verstrickt. Die Tories haben sich selbst runter gewirtschaftet, mit permanenten Intrigen und dem Clown BoJo als Premierminister.

Poor little England, say goodbye to Scotland.
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