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Queen trauert: Neuer Bericht bringt Johnson weiter in Bedrängnis

Queen trauert, Downing Street feiert: Neuer Bericht bringt Johnson weiter in Bedrängnis

14.01.2022, 06:4214.01.2022, 13:36
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Am Vorabend der Beisetzung von Queen-Gemahl Prinz Philip im April sollen Dutzende Mitarbeiter des britischen Premierministers Boris Johnson in dessen Amtssitz zwei Lockdown-Partys gefeiert haben.

Wie die Zeitung «Daily Telegraph» in der Nacht zum Freitag berichtete, nahmen insgesamt etwa 30 Menschen daran teil. Es sei Alkohol getrunken und getanzt worden. Damals galten strenge Kontakt- und Abstandsregeln wegen der Corona-Pandemie. Die Queen musste wegen der Vorschriften am nächsten Tag ganz alleine in der Kapelle ihrer Residenz Windsor sitzen, als dort ihr Ehemann, mit dem sie 73 Jahre verheiratet war, bestattet wurde.

Britain's Queen Elizabeth II takes her seat during the funeral of Prince Philip, the man who had been by the Queen's side for 73 years, at Windsor Castle, Windsor, England, Saturday April 17 ...
Einsame Trauer: Die Queen am Begräbnis von Prinz Philipp.Bild: keystone

Das Foto der einsamen Queen war einer der prägenden Eindrucke der Pandemie und berührte die Herzen von Millionen Briten. Umso grösser ist nun die Empörung. «Während sie trauerte, feierte No. 10», sagte der Chef der Liberaldemokraten, Ed Davey.

Auch wenn Johnson selbst nicht an den Partys am 16. April 2021 teilnahm und auch nicht in der Downing Street anwesend war, wird er für das Verhalten seiner Mitarbeiter verantwortlich gemacht. «Ich habe keine Worte für die Kultur und das Verhalten in No. 10», sagte die Vizechefin der grössten Oppositionspartei Labour, Angela Rayner. Der Fisch stinke vom Kopf.

Es ist die erste Lockdown-Party im Regierungssitz aus dem Jahr 2021, die bekannt wird. Bisher waren mehrere Feiern im Mai und Dezember 2020 publik geworden. Für grossen Ärger hatte ein Bericht vom Montag gesorgt. Demnach hatte Johnsons Büroleiter am 20. Mai 2020 in einer E-Mail an etwa 100 Mitarbeiter zu einer Gartenparty geladen. Er betonte dabei: «Bringt Euren eigenen Alkohol mit.»

Johnson hatte sich am Mittwoch im Parlament für den Eindruck entschuldigt, dass diejenigen, die die Corona-Regeln machen, sich nicht daran halten. Er räumte ein, dass er am 20. Mai 2020 für 25 Minuten im Garten anwesend war. Seinem Eindruck zufolge habe es sich um ein Arbeitstreffen gehandelt. Rückblickend habe er damit falsch gelegen, sagte Johnson.

Er forderte aber, das Ergebnis einer laufenden internen Untersuchung abzuwarten, bevor Konsequenzen gezogen werden. Die Opposition fordert bereits jetzt seinen Rücktritt. Auch einige Abgeordnete von Johnsons Konservativer Partei haben den Premier zum Rückzug aufgefordert.

Wegen der zeitlichen Nähe zur Beisetzung des im Volk äusserst beliebten Herzogs von Edinburgh gelten die nun bekannt gewordenen Feierlichkeiten als besonders gefährlich für Johnson. Downing Street dementierte die Partys nicht, wie auch die BBC berichtete. Johnsons ehemaliger Kommunikationsdirektor James Slack habe eine Abschiedsrede gehalten, um sich bei seinen Mitarbeitern zu bedanken, sagte eine Sprecherin. Auf weitere Details ging sie nicht ein.

Laut «Telegraph» ging es bei der zweiten Verabschiedung um einen persönlichen Fotografen des Premiers. Mitte April 2021 waren strikte Abstandsregeln in Kraft, Mitglieder verschiedener Haushalte durften sich nicht in geschlossenen Räumen treffen.

Wie der «Telegraph» berichtete, war eine Beraterin Johnsons zeitweise für die Musik verantwortlich. In einem Koffer seien mehrere Flaschen Wein aus einem nahen Supermarkt als Nachschub geholt worden. Ein Teilnehmer habe im Garten von Johnsons Amtssitz die Schaukel von dessen Sohn genutzt und dabei kaputt gemacht. Die beiden anfangs separaten Veranstaltungen hätten sich gegen Mitternacht vermischt.

Kommentatoren werteten den Artikel im «Telegraph», der eigentlich als Hausblatt Johnsons gilt und für den der 57-Jährige früher selbst tätig war, als Teil des Machtkampfs um die Zukunft des Premiers. Johnson versucht seit Tagen mit aller Macht, Unterstützer um sich zu scharen. Sprechen sich 15 Prozent der 360 konservativen Abgeordneten gegen den Premier aus, kommt es in der Fraktion zur Misstrauensabstimmung.

Downing Street entschuldigt sich

Der Amtssitz des britischen Premierministers Boris Johnson hat sich beim Buckingham-Palast für zwei Lockdown-Partys entschuldigt.«Es ist zutiefst bedauerlich, dass dies zur Zeit nationaler Trauer stattgefunden hat», sagte Johnsons Sprecher am Freitag in London. Johnson habe diese Woche bereits betont, dass das Verhalten im Regierungssitz den höchsten Standards entsprechen müsse. Die Downing Street übernehme auch die Verantwortung, «für Dinge, die wir nicht richtig gemacht haben».

(sda/dpa)

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16 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Kong
14.01.2022 07:35registriert Juli 2017
Arbeitstreffen… wie muss ich mir die Arbeit dort vorstellen? Partymusik, abtanzen und Alkohol? Kann man sich da noch bewerben? Eine zerwuselte Frisur krieg ich hin!
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Nicht_Millennial
14.01.2022 07:27registriert April 2020
Johnson muss gewiss weiterhin zur wöchentlichen Audienz. Unglaublich taktlos, am Vorabend der Beisetzung von Prinzgemahl Philip eine Party zu schmeissen, weil die ganze Clique nicht erwartet wird. Bin kein Royalist, aber das Bild der einsamen Queen bricht einem das Herz. "Our hearts go out to..." wird so einfach nur noch zur Farce.
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alberich
14.01.2022 08:18registriert Juli 2020
Auch hier gilt:
„Das macht man einfach nicht.“

Er wird dann wohl der nächste sein, der nach Hause geht.
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