International
Grossbritannien

Streit um erneute Johnson-Kandidatur als Premierminister

Nach Truss-Rücktritt: Johnson will wieder Premier werden, Tories im Umfrage-Debakel

21.10.2022, 16:5121.10.2022, 16:51
Mehr «International»

Will Johnson wieder Premier werden? Nach dem Rücktritt der britischen Premierministerin Liz Truss wird heftig um ihre Nachfolge diskutiert. Dabei zeichnet sich parteiintern vor allem ein Streit um eine mögliche Kandidatur des früheren Premierministers Boris Johnson ab.

Former Prime Minister Boris Johnson reads a tribute out in the House of Commons, following the death of Queen Elizabeth II on Thursday, in London, Friday Sept. 9, 2022. (House of Commons/PA via AP)
Umstritten: Boris JohnsonBild: keystone

Laut der «Times» nimmt Johnson nämlich an, eine erneute Kandidatur sei im «nationalen Interesse». Berichten zufolge soll er deswegen sogar seinen Urlaub in der Karibik vorzeitig abgebrochen haben. Johnson hatte sein Amt als Premierminister vor sechs Wochen nach mehreren Skandalen und unter heftigem Druck seiner Fraktion niedergelegt.

Bild

Doch der ehemalige Premier hat trotz der «Partygate»-Affäre und vielen weiteren Skandalen Anfang Juli noch immer eine loyale Unterstützerbasis und schnitt in Umfragen unter Parteimitgliedern zuletzt wieder gut ab.

Unter anderem hat sich der britische Wirtschaftsminister Jacob Rees-Mogg am Freitag für eine Rückkehr Boris Johnsons ins Amt des Premierministers ausgesprochen. «I'm backing Boris» («Ich unterstütze Boris») twitterte der als exzentrisch geltende Brexit-Hardliner. Seinen Tweet versah er zudem mit dem Hashtag #BORISorBUST (auf Deutsch etwa: Boris oder kaputtgehen).

Und auch Ex-Kulturministerin Nadine Dorries, eine Vertraute Johnsons, befürwortet seine Rückkehr. Sie nannte den früheren Premier einen Siegertypen. Ein Kabinettsmitglied sagte ausserdem gegenüber dem Sender Sky News, Johnson sei in der Lage, die für eine Kandidatur nötigen Stimmen von 100 Tory-Abgeordneten zu erreichen.

Andere Tory-Abgeordnete wie Crispin Blunt warnen hingegen vor einem Johnson-Comeback. Der 58-Jährige sei nicht der Typ, um das Image der Partei wiederherzustellen, sagte dieser am Freitag dem Sky News. Der Parlamentarier Roger Gale kündigte sogar an, er werde aus der Partei austreten, wenn Johnson wieder in die Downing Street einziehe. Dem Portal «Politico» zufolge droht noch eine Reihe weiterer konservativer Abgeordneter, im Fall einer Ära Johnson 2.0 dem Premier die Gefolgschaft zu verweigern oder gar die Partei zu verlassen. «Ich werde Boris mit allen Mitteln stoppen», sagte ein Abgeordneter, der namentlich nicht in dem Bericht auftauchen wollte. «Wenn er gewinnt, bedeutet das das Ende der konservativen Partei.»

Auch auf Twitter wird fleissig über ein mögliches Comeback von Johnson diskutiert: «Es ist offensichtlich, muss aber gesagt werden – Boris Johnson kehrt nicht zurück, weil er die Wirtschaft retten oder unsere Leben verbessern will. Er kehrt zurück, weil er sein massiv verletztes Ego wieder aufbauen will», schreibt ein User. «Wenn die Antwort Boris Johnson lautet, hast du die Frage nicht verstanden», schreibt ein anderer.

Aber der ehemalige Premierminister erhält auch Zuspruch: «Ich will einen Leader und Boris Johnson ist dieser Leader», lautet ein Tweet zur erneuten Kandidatur von Johnson.

Um ins Rennen um die Truss-Nachfolge zu gehen, brauchen Kandidaten den Rückhalt von mindestens 100 Abgeordneten. Bis Montagnachmittag können noch Nominierungen eingehen. Nehmen mehr als zwei Kandidaten diese Hürde, soll bei Abstimmungen in der Fraktion danach ausgesiebt werden. Gibt es danach noch zwei Finalisten, kann die Parteibasis im Laufe der Woche in einem Online-Votum abstimmen. Die Entscheidung könnte auch schon früher fallen, falls sich einer der beiden Finalisten freiwillig zurückzieht. Spätestens am Freitag nächster Woche soll ein neuer Regierungschef oder eine -chefin gewählt sein.

Als Favoriten auf die Truss-Nachfolge gelten derzeit der frühere Finanzminister Rishi Sunak und Penny Mordaunt, die Ministerin für Parlamentsfragen, sowie aus dem rechtskonservativen Lager die am Mittwoch zurückgetretene Innenministerin Suella Braverman. Truss, die erst seit 6. September im Amt war, hatte am Donnerstag ihren Rücktritt angekündigt. Auslöser waren Marktturbulenzen aufgrund ihres radikalen Wirtschaftsprogramms, das auch in den eigenen Reihen auf scharfe Kritik gestossen war.

Britische Tories sacken in Umfrage ab

Nach dem Rücktritt der britischen Premierministerin Liz Truss hat die konservative Tory-Partei in Umfragen erneut deutlich an Zustimmung verloren.

In einer am Donnerstag von dem Marktforschungsinstitut PeoplePolling für den Sender GB News durchgeführten Umfrage gaben 53 Prozent der Befragten an, sie würden die oppositionelle Labour-Partei wählen, wenn eine Neuwahl anstünde. Nur 14 Prozent wollten trotz der politischen Turbulenzen in der britischen Regierung in den vergangenen Monaten noch die Tories wählen. Die Liberaldemokraten kamen in der Umfrage auf elf Prozent.

Die britischen Oppositionsparteien fordern nach dem erneuten Kollaps der konservativen Regierung eine sofortige Neuwahl. Diese muss allerdings die Regierung ausrufen, weshalb eine baldige Wahl als eher unwahrscheinlich gilt. Spätestens muss diese Anfang 2025 stattfinden, es wird aber mit einer Wahl im Jahr 2024 gerechnet.

(lst/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Boris Johnson
1 / 10
Boris Johnson
Boris Johnson: Ob der Konservative ahnt, worauf er sich da eingelassen hat?
quelle: x02954 / neil hall
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Liz Truss erklärt ihren Rücktritt
Video: twitter
Das könnte dich auch noch interessieren:
47 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Sälüzäme
21.10.2022 12:23registriert März 2020
Der Pausenclown Johnson kommt aus der Pause zurück. 🥳🤦

Man oh man, wie müssen die Tories am Ar*** sein wenn sie den wieder bringen wollen.
Das wird wohl sogar für den berühmten britischen Humor zuviel sein.
612
Melden
Zum Kommentar
avatar
Liebu
21.10.2022 14:07registriert Oktober 2020
In der Ukraine wurde ein Komiker zum Präsidenten gewählt und sie erhielten einen Staatsmann und Anführer.
In England wurde ein Staatsmann und Anführer gesucht und sie erhielten Clowns.
Andere Länder, andere Sitten.
597
Melden
Zum Kommentar
47
    Gegen Putins Schattenflotte: Dänemark testet US-Segeldrohnen in der Ostsee
    Dänemark setzt erstmals unbemannte Segeldrohnen ein, um maritime Sicherheit in der Ostsee zu stärken. Das US-gestützte Projekt stösst jedoch auf Skepsis.

    Im Schutz vor russischen Aggressionen in der Ostsee setzt Dänemark auf neueste Technologie. Um die maritime Überwachung auszubauen, die Unterwasserinfrastruktur – etwa Tiefseekabel – zu schützen oder Putins Schattenflotte zu überwachen, testet Dänemark nun den Einsatz sogenannter Segeldrohnen. Wie unter anderem die Nachrichtenagentur AP berichtet, sind seit Beginn der Woche mehrere dieser unbemannten Wasserdrohnen unter dänischer Flagge in der Ostsee im Einsatz.

    Zur Story