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Interview

Veganer Sterne-Koch Saward über veganes Kochen und Nachhaltigkeit

Ricky Saward ist der weltweit erste vegane Sternekoch. Er leitet das vegane Restaurant "Seven Swans" in Frankfurt, Hessen.
Ricky Saward ist der weltweit erste vegane Sternekoch. Er leitet das vegane Restaurant "Seven Swans" in Frankfurt, Hessen.bild: seven swans / marie preaud
Interview

Veganer Sterne-Koch Saward: «Es regt mich auf, dass viele denken, vegan gleich nachhaltig»

Vegane Ernährung ist kein Kinderspiel. Davon kann Ricky Saward ein Lied singen: Als erster veganer Sternekoch befördert er in Frankfurt vegane Küche auf das Level der Haute Cuisine.
22.01.2023, 15:1422.01.2023, 16:59
Josephine Andreoli, Miriam Meyer / watson.de
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Warum hast du denn dein Restaurant 2019 von der vegetarischen auf die vegane Küche umgestellt?
Ricky Saward: Vor fünf Jahren habe ich noch sehr fleisch- und fischlastig gekocht. Und dann übernahm ich 2018 ein Restaurant, das einen Stern hatte und nur vegetarisch gekocht hat.

War die Umstellung hart?
Das war erstmal eine krasse Umstellung für mich. Nach etwas Zeit habe ich relativ schnell gemerkt, dass es aber gar nicht so schwierig ist. Man muss sich nur mit der Materie auseinandersetzen, dann ist es eigentlich ein Selbstläufer.

«Die meisten Gäste sehen tatsächlich immer nur die Spitze vom Eisberg und denken ‹Gemüse ist doch günstig, da müsst ihr ja richtig viel Cash machen›.»

Ach ja?
Das Einzige, wo wir noch Ei und Milchprodukte verarbeitet haben, war in der Patisserie. Man muss tatsächlich dazu sagen, dass wir uns damals mit circa acht Gästen pro Abend über Wasser gehalten haben. Es war nicht einfach.

Okay, dann ist es tatsächlich mutig, dann noch eins draufzusetzen und komplett auf vegan umzustellen.
Absolut. Es war ein Hardcore-Risiko für alle Beteiligten und wir hatten alle Angst, dass dann niemand mehr kommt. Für mich gab es tatsächlich nur diesen Weg, auch aus Liebe zur Nachhaltigkeit.

Das Restaurant Seven Swans in Frankfurt hat vom Guide Michelin 2020 den Titel «Erstes veganes Sterne-Restaurant» verliehen bekommen.
Das Restaurant Seven Swans in Frankfurt hat vom Guide Michelin 2020 den Titel «Erstes veganes Sterne-Restaurant» verliehen bekommen.bild: seven swans / simon bolz

Jetzt ist es gerade in der hochpreisigen Küche oftmals so, dass man nicht besonders viel Gewinn macht, da teure Produkte, teures Fleisch verwendet werden. Wie ist das in der veganen Küche?
Die meisten Gäste denken «Gemüse ist doch günstig, da müsst ihr ja richtig viel Cash machen.» Aber wir töpfern auch unser Geschirr aus Keramik selber. Gemüse ist günstig, sollte man meinen, aber nicht in unserem Fall. Was sie bei uns bekommen, ist ja nicht nur das vegane Essen, sondern ein Gesamterlebnis.

Eine vegane Kreation mit Hagebutten.
Eine vegane Kreation mit Hagebutten.bild: seven swans / ricky saward

Gibt es Zutaten, die du besonders gern in der Küche verwendest?
Tatsächlich kann ich dir so ein paar Dinge sagen: Holunder, Akazien, Mädesüss. Eigentlich alles was so im März, April Saison hat, auch unreife Vogelkirschen.

Sind die nicht giftig?
Es kommt drauf an, was du damit machst, ob du es fermentierst oder salzt. Daraus machen wir zum Beispiel unsere regionalen Oliven. Das heisst, wir salzen sie für drei Tage, wässern sie dann und fermentieren sie über mehrere Monate. Dann schmecken die tatsächlich wie Oliven, nur mit einem Kirsch-Abgang.

Ist vegane Küche anstrengender als nicht-vegane?
Wir machen keine Rohkost, sondern sehr komplexe, anspruchsvolle Küche, wo man auch gastronomisch ein bisschen Grips mitbringen muss, sonst ist man schnell überfordert.

«Vegane Küche braucht mehr Zeit, viel mehr Leidenschaft und Know-How als ‹normales› Kochen.»

Seit wann isst du denn vegan?
Ich habe 2019 angefangen, vegetarisch zu leben, mein Problem war nur der Käse. Und dann, mit der Umstellung meiner Küche auf vegan, musste ich selber auch mitziehen, damit ich mich dann auch wirklich mit Veganismus auseinandersetze. Es gibt aber ein paar Ausnahmen. Wenn ich mal bei anderen Sterne-Kollegen essen gehe, möchte mich nicht hinsetzen und ein extra veganes Essen für mich fordern. Aber zu Hause gibt's nur Veganes – aber da bin ich ganz entspannt und stelle mich nicht stundenlang in die Küche, sondern benutze einfach mein Repertoire an Gemüse oder bestelle auch mal eine Kochbox, wo ich stupide das Rezept nachkoche.

Wie sieht es mit Ersatzprodukten aus: Was hältst du von veganem Lachs, Schnitzel und Käse?
Ich finde es okay, Ersatzprodukte zu essen, um mich langsam umzustellen statt einem direkten Cut. Denn etwas knallhart durchzuziehen, fällt vielen heutzutage sehr schwer. Deswegen kaufen die Leute so Ersatzprodukte, die ein bisschen unterstützen. Es ist ein Angebot, dass sie nicht ganz verzichten müssen. Die Produkte schmecken zwar scheisse aber haben halt dieselbe Konsistenz.

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Burger auf Pflanzenbasis.Bild: keystone

Hast du Tipps, wie man anfangen kann, vegan zu kochen?
Nicht immer denken, man muss irgendwie was ersetzen. Die meisten tun sich halt unglaublich schwer mit dem Label «Vegan». Einfach nicht ein Kilo Couscous, Hirse oder Quinoa kaufen. Diesen ganzen Ramsch verwende ich auch nicht. Einfach nur Gemüse kaufen, und sich überlegen: Was mache ich daraus? Aber um am Ende so richtig glücklich mit einem Grinsen am Tisch dazusitzen, muss man Zeit mitbringen. Vegane Küche braucht mehr Zeit, viel mehr Leidenschaft und Know-how als «normales» Kochen.

Aber wenn Hirse und Quinoa als Grundlagen rausfallen, kochst du tatsächlich nur mit Gemüse oder hast du auch eine kohlenhydratreiche Beilage?
Na ja – Kartoffeln haben auch ordentlich Kohlenhydrate. Wir schauen schon, dass da eine gewisse Sättigung stattfindet, aber darauf liegt nicht mein Fokus. Bei uns geht es wirklich um das Gesamte: Das Visuelle spielt eine grosse Rolle, die Wahrnehmung der Gäste von Gerichten, die Atmosphäre – das ist ein gesamtes Schauspiel. Natürlich geht es immer noch ums Essen, aber das ist vielleicht sogar zweitrangig, weil wir nicht belehren wollen. Ganz nach dem Motto: Macht euer Hirn aus, entspannt euch einfach. Kommt mit Jogginghose, mit normalen Klamotten. Dann erst geht der Abend los.

«Es regt mich auf, dass viele denken, dass vegan gleich nachhaltig bedeutet, denn das ist es nicht.»

Warum glaubst du, gibt es zwar immer mehr vegane Fast-Food-Läden, aber noch immer wenige vegane Spitzen-Restaurants?
Weil das Risiko, zu scheitern, zu gross ist. Es ist viel anspruchsvoller, viel zeitaufwendiger. Auch die Spannung ist grösser, weil die Leute halt schon immer Gemüse als Beilage und weniger als Hauptcharakter des Essens gesehen haben, was ja sonst immer ein Stück Fleisch oder Fisch war.

Wie denkst du, wird sich die gehobene Küche verändern?
Ich glaube, dass der Guide Michelin auch schon nachhaltiger als früher denkt, denn die ersten drei Sterne-Restaurants verlieren inzwischen schon einen Stern, wenn sie weiterhin mit Tieren protzen, die vom Aussterben bedroht sind.

«Sich vegan zu ernähren, aber dann weltweite Ressourcen dafür zu beziehen, ist meines Erachtens nicht der richtige Weg.»

Ist es dein Anliegen, die Sterneküche grundlegend vegan zu erneuern?
Wenn man nur die besten Zitronen aus Italien, Vanille aus Tahiti und Spargel das ganze Jahr über verarbeitet, macht das für mich keinen Sinn, denn das verändert nichts an der globalen Erwärmung, am Ressourcenmangel, sondern macht es ja nur noch schlimmer.

Es regt mich auf, dass viele denken, dass vegan gleich nachhaltig bedeutet, denn das ist es nicht. Die meisten, die vegan kochen, essen Avocados, weil Avocado geil ist. Aber wenn ich Veganer bin, dann verzichte ich halt aus Überzeugung darauf. Weil die mir viel zu teuer sind, zu lange herumliegen, bis sie endlich reif sind, weil ihr Anbau tausende Liter Wasser verschlingt und sie aus südamerikanischen Gegenden eingeflogen werden, wo die Wassermafia herrscht.

Unter anderem in Israel werden die Früchte auf Avocado-Plantagen unter viel Wasseraufwand angebaut.
Unter anderem in Israel werden die Früchte auf Avocado-Plantagen unter viel Wasseraufwand angebaut.bild: istockphoto / ooriya ron

Dann habe ich lieber einen Gast bei mir sitzen, der sich einmal im Monat ein T-Bone-Steak vom Bauern in der Nachbarschaft holt, denn der hat komplett verstanden, wo das Problem in der heutigen Gesellschaft liegt: Reduzierung und Nachhaltigkeit, nur das ist der Weg. Sich vegan zu ernähren, aber dann weltweite Ressourcen dafür zu beziehen, ist meines Erachtens nicht der richtige Weg. Aber mit der Aussage habe ich auch schon ganz viele Shitstorms ernten müssen.

Weil sich wahrscheinlich viele Leute angegriffen fühlen und wissen, dass ihr Verhalten falsch ist.
Ich sage ganz klar: Jeder darf selbst entscheiden, was er isst. Aber wenn ein Ultra-Veganer einerseits von Weltverbesserung spricht und mir andererseits erzählt, was er morgens in sein Müsli tut, kriege ich teilweise das Kotzen. Dann geht nicht auf die Strasse mit Schildern und Parolen, wenn ihr morgens eine Avocado esst.

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211 Kommentare
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FrancoL
22.01.2023 15:31registriert November 2015
Als Fleischesser, der seine Konsum bei Fleisch und Fisch um 80% reduziert hat, tut diese wahre Aussage mega gut:
"Reduzierung und Nachhaltigkeit, nur das ist der Weg. Sich vegan zu ernähren, aber dann weltweite Ressourcen dafür zu beziehen, ist meines Erachtens nicht der richtige Weg. Aber mit der Aussage habe ich auch schon ganz viele Shitstorms ernten müssen"
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M. mit Stil
22.01.2023 15:52registriert September 2022
"...weil die Leute halt schon immer Gemüse als Beilage und weniger als Hauptcharakter des Essens gesehen haben..."
Das stört mich schon seit eh und je in (nicht-veganen/vegetarischen) Restaurants: Dass die Komponenten der Gerichte nicht ausgewogen sind. Meist bekommt man ein Riesenstück Fleisch, einen Klacks Stärkebeilage, drei mickrige Rüebli und zwei Kefen. Mir wäre es viel lieber, wenn von allen Komponenten gleich viel auf den Teller käme oder zur Abwechslung auch mal das Gemüse die Hauptrolle spielen dürfte.
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Andi Weibel
22.01.2023 16:16registriert März 2018
Nachhaltige, vegane Küche muss überhaupt nicht unendlich komplex sein. Spaghetti Napoli ist vegan. Einfach so als Beispiel.
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