In unregelmässigen Abständen kommt in der Schweiz die Frage nach der Dienstpflicht für Frauen aufs Tapet. Zuletzt hatte diese der Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft gefordert. Auch VBS-Chef Ueli Maurer scheint der Idee nicht abgeneigt.
Eines der wenigen Länder mit einer allgemeinen Dienstpflicht ist Israel. Seit dem Jahr 2000 stehen den Frauen in den Israel Defense Forces (IDF) auch Kampf-Funktionen offen. Damals wurde das gemischte Caracal-Bataillon geschaffen, benannt nach einer Katzenart, deren Geschlecht nicht offensichtlich ist. Aktuell sind die Frauen dort mit 70 Prozent klar in der Mehrheit.
Eine von ihnen ist die 22-jährige Unteroffizierin Adina Spiro. Bevor sie im Sommer ihren dreijährigen Militärdiensts beendet, spricht sie im Interview über die Herausforderungen einer gemischten Einheit, wie Männer auf ihre Befehle reagieren und wie sich die Anwesenheit des anderen Geschlechts auf die Kampfmoral auswirkt.
Frau Spiro, warum sind Sie Kampfsoldatin geworden?
Adina Spiro: Zu Beginn meiner Dienstzeit machte ich eine Sanitäts-Ausbildung, dann suchte ich nach einer grösseren Herausforderung. Das Caracal-Bataillon war die perfekte Lösung, denn mehr Kampf gibt es für eine Frau nirgends. Inzwischen gibt es zwei neue gemischte Bataillone, die wie Caracal funktionieren.
Ihre Einheit hat den Auftrag, die Südgrenze zu Ägypten zu bewachen, das bedeutet den volatilen Sinai. Haben Sie dort aktive Kampferfahrungen gemacht?
Zu Beginn meiner Dienstzeit war ich in einigen brenzligen Situationen, aber inzwischen ist es ruhiger geworden. Mehr kann ich dazu leider nicht sagen.
Es gibt physische Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Fühlen Sie sich in einer Kampfsituation einem Mann ebenbürtig?
Ja. In der Grundausbildung treten physische Unterschiede zutage, die Männer sind sehr ehrgeizig, rennen und bewegen sich schneller als die Frauen. Im richtigen Kampf sind andere Eigenschaften entscheidend, und dort sehe ich bei den Frauen Vorteile.
Wo sind die Frauen im Vorteil?
Im Schiessstand schneiden Frauen tendenziell besser ab als Männer. Ich war die Beste in meiner ganzen Einheit. Frauen sind zudem besser organisiert. Das ist wichtig, in der Armee muss man seine Sachen immer beieinander haben.
Sie sind Unteroffizierin. Wie reagieren Männer auf Ihre Befehle?
Manche haben zu Beginn Mühe, von einer Frau Befehle zu erhalten. Doch das legt sich nach ein paar Monaten, dann machen sie alles, was ich ihnen sage.
Lenkt die Anwesenheit des anderen Geschlechts nicht von der Mission ab?
Vielleicht am Anfang. Dann gewöhnt man sich an die Leute, man verbringt so viel Zeit miteinander und wird fast wie eine Familie. Hin und wieder gibt es schon Paare, aber nicht mehr als anderswo.
Man liest regelmässig von sexuellen Übergriffen in der israelischen Armee. Wir ausgeprägt ist das Problem im gemischten Caracal-Bataillon?
Nicht sehr. Wir haben strenge Regeln, um dergleichen zu verhindern. Schlafen, Anziehen, Duschen, all das ist getrennt. Auch auf dem Feld schlafen wir in getrennten Zelten. Für die Toilette werden Männer und Frauen in entgegengesetzte Richtungen geschickt. Wer diese Regeln missachtet, wird hart bestraft.
Als Kampfsoldatin repräsentieren Sie immer noch eine winzige Minderheit in der israelischen Armee. Halten Sie volle Geschlechtergleichheit für erstrebenswert? Dass zum Beispiel Frauen die Hälfte aller Piloten in der Luftwaffe stellen?
Frauen sind ebenso gute Piloten wie Männer. Das beweisen jene, die es in die Luftwaffe geschafft haben. Allerdings gibt es Einheiten, die besser den Männern vorbehalten bleiben.
Wirklich? Welche denn?
Solche, die in arabischen Gebieten Dienst tun. Die Vorstellung, dass eine Frau dort in Gefangenschaft gerät, halten manche für unerträglich.
Apropos Araber: Wie viele Soldaten arabischer Abstammung absolvieren mit Ihnen zusammen den Militärdienst und wie gut sind sie integriert?
Wir haben derzeit zwei Soldaten aus der drusisch-arabischen Minderheit. Sie werden von allen akzeptiert und gleich behandelt wie alle anderen. Der einzige Unterschied sind die religiösen Feiertage, wodurch sie an anderen Tagen Diensturlaub bekommen.
Finden Sie, die Dienstpflicht sollte auch für ultra-orthodoxe Frauen gelten?
Wir haben gerade mit den Männern angefangen – das ist schwierig genug. Wir werden sehen, wie gut das gelingt. Dann können wir es auch mit den Frauen versuchen.
Sowohl Ultra-Orthodoxe als auch arabische Israeli müssen keinen Militärdienst leisten. Glauben Sie, irgendwann wird die allgemeine Dienstpflicht kommen?
Wir arbeiten daran und die Zahl der Ultra-Orthodoxen im Militär steigt. Doch es wird noch lange dauern, bis sie vollständig integriert sind.
Gehe ich richtig in der Annahme, dass ultra-orthodoxe Männer wegen der Anwesenheit von Frauen nicht in Ihrer Einheit dienen würden?
Das stimmt, sie haben eigene Kasernen, wo Frauen nicht einmal im Büro arbeiten, geschweige denn in Kampf-Funktionen.
Klingt kompliziert.
Das ist es auch. Aber es ist besser als nichts. Es ist ein Anfang.
Mit Golda Meir hatte Israel bereits eine Regierungschefin. Wann kommt die erste Generalstabschefin?
Ich weiss es nicht, aber ich bin optimistisch, dass es bald soweit ist.
Israel steht international in der Kritik – doch seine Soldatinnen scheinen überall auf der Welt Bewunderer zu haben. Wissen Sie, dass es dutzende Fan-Websites gibt, die Ihnen und Ihren Kameradinnen gewidmet sind?
Ja, auf Facebook habe ich solche Seiten gesehen. Einmal kam ein Journalist zu uns nach Hause, um mich und meine Schwester zu porträtieren, die in der Marine dient. Es war verrückt, im Anschluss schrieben uns Leute aus aller Welt auf Facebook. Das fand ich sehr schön.
In der Schweiz können Frauen auf freiwilliger Basis Militärdienst leisten. Angenommen, in Israel wäre es auch so: Wären Sie zur Armee gegangen?
Ich denke schon, meine Familie ist sehr patriotisch.
Das sehe ich als eines der grössten Probleme, wo der Feminismus (eigentlich eine politische Bewegung für Gleichberechtigung) eigentlich etwas tun müsste.