Vor acht Jahren, bei der ersten Wahl von Donald Trump, gab es in Medien und Wirtschaft starken Widerstand gegen ihn. Jetzt ist das ganz anders. Warum?
John Harris: Nach der Wahl 2016 wusste man noch nicht, wie Trump als Präsident sein würde. Er war ja bis anhin kein Politiker gewesen. Es ging oft nicht nur um Inhalte, sondern vorwiegend um Stilfragen und seine Rhetorik. Acht Jahre später weiss jeder, wer Trump ist und wie er tickt, mit all seiner Unberechenbarkeit.
Facebook hatte Trump einst von seinem Netzwerk verbannt, nun sass Firmengründer Mark Zuckerberg brav an der Inaugurationsfeier. Viele Unternehmer schmeicheln sich bei Trump ein. Haben sie kein Rückgrat?
Dieses Verhalten ist interessant. Es betrifft ja vor allem die grossen Tech-Plattformen. Sie haben eine weltweite Reichweite und verfügen über eine Macht, die man mit jener von Nationalstaaten vergleichen könnte. Darum ist es wichtig, dass wir über diese Kehrtwende berichten.
Stört es Sie, wie sich diese Unternehmen nach dem gerade vorherrschenden Wind richten?
Ich enthalte mich dabei persönlicher Urteile. Mein Job ist es, zu berichten und zu versuchen, Entscheidungen und Verhaltensweisen zu erklären.
Wie erklären Sie denn dieses Windfahnentum? Haben die Unternehmer keine Prinzipien?
Dieses Argument höre ich oft. Man muss sehen: Diese Unternehmer handeln nicht als Individuen, sondern als Vertreter von Unternehmen. Sie sind an ihrem eigenen Vermögen interessiert, tragen aber auch Verantwortung für andere Aktionäre und für Tausende von Arbeitsplätzen. Dass ein Unternehmer das Beste für sich und seine Mitarbeiter will, ist nichts Neues – und dazu passen sie sich dem veränderten Umfeld an. Ebenso berichtenswert sind die vielen negativen Reaktionen, welche die Kehrtwende der Firmen ausgelöst haben.
Schon bei der ersten Wahl 2016 hat sich das Umfeld geändert, aber die Unternehmen passten sich nicht an, sondern leisteten Widerstand.
Die Umstände waren damals anders. Trump hatte als Aussenseiter völlig überraschend gegen eine Gegnerin gewonnen, die viele Probleme hatte. Diesmal ist sein Sieg keine Sensation gewesen, höchstens seine Deutlichkeit. Die Wählerinnen und Wähler wussten diesmal, wer er war, und seine Wahl konnte nicht als Unfall betrachtet werden. Die Unternehmer haben zur Kenntnis genommen, was die Mehrheit der Bevölkerung wollte.
Und die Medien? Sie waren vor acht Jahren extrem Trump-fixiert und scheinen jetzt weniger aufgeregt zu sein.
Von Marty Baron, dem damaligen Chefredaktor der «Washington Post», gibt es das Zitat: «We are not at war, we are at work» (wir sind nicht im Krieg, sondern an der Arbeit). Das ist eine treffende Beschreibung – unabhängig davon, wer an der Macht ist. Für mich besteht unsere Aufgabe als Journalisten darin, eine Regierung verantwortungsvoll und mit Selbstbewusstsein zu begleiten. Wir berichten, schauen genau hin, stellen Fragen und bieten unterschiedliche Perspektiven zu Entscheidungen und deren Auswirkungen. Die Mächtigen mögen unsere Arbeit nicht immer, aber ich möchte, dass wir als ehrlich und fair respektiert werden. Zudem sollten wir bereit sein, Fragen zu beantworten und Kritik anzunehmen. Ich sehe uns in den Medien als Anwälte der Leserschaft, nicht als Ankläger der Regierung.
Trump testet jetzt die Grenzen seiner Macht. Sollten die Medien da wirklich nur berichten? Oder nicht auch ein Gegengewicht sein?
Wir berichten ja nicht nur darüber, was er tut, sondern auch darüber, was seine politischen Gegner tun. Und was die Auswirkungen von all dem sind. Ich glaube nicht, dass unser Publikum ständig lesen will, was Journalisten für richtig oder falsch halten. Ich halte unsere Leser für klug und gut informiert – sie können sich ihre eigene Meinung bilden.
Nicht alle Leser sind so gut informiert wie jene von «Politico».
Ich möchte auch nicht für alle Medien sprechen, sie haben verschiedene Strategien. Aber die Neugierde der Leser und Zuschauerinnen an der neuen Regierung ist gross. Diese Erwartungen zu erfüllen, zu berichten und zu recherchieren, das lastet uns Journalisten doch schon ziemlich gut aus. Gehen wir an die Arbeit!
Trump verachtet doch die Medien …
Das ist seine Rhetorik. Aber was tut er? Trump ist für die Medien zugänglicher, als es Präsident Biden war. Trump beantwortet Fragen der Journalisten spontan, und er lässt alle Fragen zu. Er versteckt sich nicht.
Was hat es zu bedeuten, dass die «Washington Post» keine Wahlempfehlung für Kamala Harris publizierte, weil Eigentümer Jeff Bezos eingegriffen hatte?
Diese Entscheidung wurde kurz vor der Wahl getroffen. Deshalb ist sie schwer zu rechtfertigen. Ich verstehe, dass die Zeitung auf eine Wahlempfehlung verzichtet. Dafür kann es prinzipielle Gründe geben. Bei «Politico» hatten wir nie eine Meinungsseite oder haben Wahlempfehlungen ausgesprochen. Aber der Zeitpunkt, eine solch grundlegende Änderung bekannt zu geben, sollte ein Jahr vor der Wahl liegen. Bei früheren Wahlen hat die Zeitung immer eine Empfehlung ausgesprochen. Diese Tradition so kurzfristig zu ändern, stiess mit gutem Grund auf viel Kritik von Abonnenten. (aargauerzeitung.ch)
Hier meiner: hört bitte mit dem "Trump hat gesagt..." auf sondern schreibt was wirklich passiert! Das ist schon schlimm genug. Und es gibt da nach einer knappen Woche wirklich Schlimmes zu berichten.
Können wir mal aufhören, das unwidersprochen zu verbreiten? 🙏