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Nasa-Pionierin Ochoa: «Ich wurde nie gefragt, die Buben schon»

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Nasa-Pionierin Ochoa: «Ich wurde nie gefragt, die Buben schon»

Ellen Ochoa (63) war die erste hispanische Frau im Weltall. Die ehemalige Astronautin und Nasa-Managerin spricht im Interview über ihre Erfahrungen auf der ISS, wie sie Mädchen für eine Raumfahrt-Karriere begeistern möchte – und die Tücken der Schwerelosigkeit.
13.03.2022, 07:1213.03.2022, 07:12
Benjamin Weinmann und Stefan Ehrbar / ch media
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Ellen Ochoa
Ellen OchoaBild: Nasa

Sie ist eine Wegbereiterin: Ellen Ochoa war Nasa-Astronautin an Bord von insgesamt vier Spaceshuttle-Flügen und verbrachte über 1000 Stunden in den unendlichen Weiten. Und: Sie war 1993 die erste hispanische Frau im Weltall. Die heute 63-jährige Ingenieurin mit Doktortitel kommt demnächst für einen Anlass in die Schweiz, das Interview mit CH Media findet aber online statt. Ochoa spricht ruhig und überlegt, auch über ihre Zusammenarbeit im All mit russischen Astronauten. Eine Kooperation, die nun unter einem anderen Stern steht.

Derzeit arbeiten russische, europäische und amerikanische Astronauten gemeinsam auf der Internationalen Raumstation ISS. Befürchten Sie, dass die Zusammenarbeit mit Russland im Zug des Kriegs in der Ukraine zum Erliegen kommt?
Ellen Ochoa:
Die geopolitische Lage ist im Moment sehr instabil. Am 1. März stellte die Nasa aber klar, dass der Betrieb der ISS dadurch nicht beeinträchtigt ist, schliesslich sind die Astronauten und Kosmonauten an Bord aufeinander angewiesen, auch wenn es ums Überleben in Notsituationen angeht.

Feinde auf der Erde, Freunde im Weltall?
Es gibt zumindest ein Ziel, auf das sich die Länder einigen können und auf das wir zusammen hinarbeiten, nämlich einen Beitrag zur Erforschung des Weltraums zu leisten und die Vorteile des Weltraums für die Menschen auf der Erde zu verstehen und zu nutzen.

Was können Politiker von Astronauten lernen, wenn es um die Zusammenarbeit geht?
Astronauten und Kosmonauten lernen sich im Laufe ihrer Ausbildung und ihres Einsatzes kennen. Sie treffen die Familien der anderen und sehen sich als Mitglieder einer Gemeinschaft, nicht nur als Berufskollegen. Sie sind stolz darauf, ihre Länder und Raumfahrtbehörden zu vertreten und Teil eines Programms zu sein, das die globale Zusammenarbeit fördert.

Sie selbst waren Teil dieser Gemeinschaft, flogen vier Mal ins All. Wie häufig schauen Sie heute noch in den Himmel?
Ich lebe in Boise, Idaho. Wenn der Himmel klar ist und es die Zeit erlaubt, gehe ich immer mal wieder vor mein Haus, um ins All zu schauen.

Vermissen Sie Ihre Zeit im Weltraum?
Natürlich! Es ist schwierig, eine so spezielle Erfahrung nicht zu vermissen. Ich durfte 30 Jahre lang für die Nasa arbeiten. Das war ein riesiges Glück.

An was erinnern Sie sich besonders gut?
An die Menschen. Alle vier Shuttle-Flüge, auf denen ich war, hatten einen wissenschaftlichen Zweck und waren international geprägt. Wir arbeiteten mit Instrumenten aus Belgien oder von der Deutschen Raumagentur. Bei meinem zweiten Flug war mit Jean-François Clervoy auch ein europäischer Astronaut an Bord. Auf meinem zweiten und dritten Flug ging es um den Bau der Internationalen Raumstation ISS. Ich flog mit russischen und kanadischen Astronauten. Und ich hatte die seltene Gelegenheit, 24 Stunden am Tag Wissenschaft zu betreiben. Wir haben etwa die Ozonschicht studiert und die Menge des Lichts, die von der Sonne kommt.

Konnten Sie die Zeit im All auch geniessen, oder war das nur Arbeit?
Wir waren immer sehr beschäftigt, weil die Flüge nur neun bis elf Tage dauerten. In diese Zeit musste möglichst viel reingepackt werden. Aber bevor wir schlafen gingen oder beim Abendessen gab es Gelegenheiten, rauszuschauen und Fotos zu machen.

Was war am härtesten?
Auf meinen Flügen gab es zum Glück nie ein grösseres Problem. Natürlich gab es etwa Instrumente, die nicht richtig funktionierten. Aber das Schwierigste war die Vorbereitung: Wir mussten enorm viel lernen. Es war ein bisschen wie vor den Abschlussprüfungen in der Schule.

Sie waren also nervös, hatten aber nie Angst?
Nervös auf eine positive Art und Weise. Ich fühlte mich dank des Trainings aber immer sehr gut vorbereitet.

In einem Interview haben Sie mal gesagt, das Schwierigste sei gewesen, aufs WC zu gehen.
Ja. Wie bei allem im Weltraum muss man auch dabei sehr methodisch vorgehen (lacht).

Sie waren über 1000 Stunden im All. Hat das die Art und Weise geändert, wie Sie auf die Welt und die Menschheit blicken?
Ja. Ich weiss nun besser, was Menschen erreichen können. Wenn man von aussen auf die Erde blickt und diese so wahnsinnig dünne Atmosphäre sieht, die unser Überleben sichert, dann denkt man schon darüber nach, welchen Einfluss wir auf unseren Planeten haben. Wir müssen die Erde wertschätzen. Was ich aber auch gelernt habe, ist, wie wertvoll ein Team ist, das sich einem Ziel verschrieben hat und zusammenarbeitet. Es gibt fast nichts, das wir mit einem gut funktionierenden Team nicht erreichen können.

Manche Moonwalker kamen mit einer anderen Lebenseinstellung zurück auf die Erde. Edgar Mitchell verspürte eine ausserirdische Präsenz, James Irwin wurde sehr religiös. Wie haben Sie sich verändert?
Ich hatte kein derartiges Erlebnis, vielleicht auch, weil wir relativ nahe bei der Erde waren. Nur etwa 320 Kilometer entfernt. Wenn wir aus dem Fenster blicken, nahm die Erde nach wie vor das ganze Blickfeld ein.

Und was ist mit Aliens? Ist die Wahrheit irgendwo da draussen?
Ich wünschte, ich hätte eine Antwort. Denn es ist nun mal eine der fundamentalen Fragen der Menschheit. Rein statistisch kann man davon ausgehen, dass es irgendwo im Weltall andere Lebensformen gibt, denn wir sind ein so winziger Teil des Universums. Es fehlen bloss die Beweise. Vor nicht allzu langer Zeit wussten wir nicht mal, dass es Planeten in anderen Sonnensystemen gibt. Nun finden wir sie dank moderner Technologie überall, wo wir hinschauen.

Sie waren die erste hispanische Frau im Weltall. Wie viel Druck spürten Sie deswegen?
Ich weiss nicht, ob es zu einem zusätzlichen Druck führte. Schliesslich war es meine erste Reise ins Weltall, und ich hatte verantwortungsvolle Aufgaben zu erledigen. Es waren so oder so viele Augen auf mich gerichtet. Nach meiner Landung erhielt ich aber viele Einladungen, um an Schulen vor hispanischen Kindern zu sprechen. Das tue ich bis heute, seit 30 Jahren. Es ist mir wichtig, dass junge Mädchen, insbesondere solche von Minderheiten, früh über alle Karrieremöglichkeiten informiert werden.

Wie versuchen Sie, sie zu begeistern?
Ich spreche über die Vorteile und zeige ihnen auf, was es dafür braucht, welche Fächer sie belegen sollten. Denn leider sind viele Minderheiten noch immer unterrepräsentiert in der Weltraumfahrt.

Weshalb?
Es fehlen genügend Vorbilder. Wenn man Leuten sagt, sie sollen sich einen Astronauten oder Ingenieur vorstellen, dann denken sie selten an eine hispanische Frau. Es wurden Fortschritte erzielt, aber der Weg ist noch lang. Wir müssen die Kreativität und Neugier wecken, aber auch zeigen, welchen Nutzen die Wissenschaft für die Gesellschaft hat.

Als Sie ein kleines Mädchen waren, waren weibliche Vorbilder bei der Nasa ebenfalls rar. Alle Apollo-Astronauten waren weisse Männer.
Das ist so. Die einzige Wissenschafterin, die ich vom Schulunterricht kannte, war Marie Curie. Sie gewann zwei Nobelpreise in unterschiedlichen Kategorien. Die Latte für Frauen war also ziemlich hoch, um anerkannt zu sein! Klar war ich von den Apollo-Missionen begeistert. Aber nie hat mich jemand gefragt: Könntest du dir vorstellen, Astronautin zu werden? Die Buben hingegen schon.

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Bild: AP/AP

Und wann wurde Ihnen klar, dass das etwas für Sie sein könnte?
Als ich mit dem Mathematikstudium am College beinahe fertig war, wurden erstmals Frauen und Vertreter von Minderheiten für Weltallmissionen ausgewählt, nachdem sie zuvor ausgeschlossen wurden, ohne jeglichen Grund ausser den kulturellen Normen.

Und dann bewarben Sie sich sofort bei der Nasa?
Nein. Ich wollte mich auf die Forschung konzentrieren und ging an die Stanford Universität. In dieser Zeit flog das Spaceshuttle erstmals ins Weltall. Zuvor sahen wir immer nur kleine Kapseln. Nun waren die Forschungsmöglichkeiten an Bord viel grösser. Das faszinierte mich. Und kurz darauf flog Sally Ride als erste Frau ins Weltall.

Klappte es mit der ersten Bewerbung?
Nein. Das hatte ich auch nicht erwartet, denn es gab Tausende Kandidaten! Aber ich erhielt ein Vorstellungsgespräch am Johnson Space Center, und sie behielten meine Unterlagen. Ich beschloss danach, eine Pilotenlizenz zu erwerben und arbeitete in einem Forschungscenter der Nasa in Kalifornien. Drei Jahre später wurde ich erneut eingeladen – und wurde aufgenommen.

This image released by the United States Postal Service, shows America’s first female astronaut, Sally Ride, on a Forever stamp to be released on May 23, 2018 in Austin. (USPS via AP)
Sally RideBild: AP/USPS

Sally Ride sagte einst, dass sie von Nasa-Ingenieuren gefragt wurde, ob 100 Tampons für ihren einwöchigen Weltall-Aufenthalt ausreichen würden. Hatten Sie mit ähnlicher Ignoranz zu kämpfen?
Die ersten sechs weiblichen Astronauten wurden von vielen Leuten wie Aliens betrachtet. Sie hatten wohl am meisten zu erdauern. Bei meinem ersten Interview hatte ich bereits meinen Doktortitel und einige Publikationen vorzuweisen. Dabei hatte ich durchaus Herausforderungen zu meistern.

Zum Beispiel?
Ich hatte mal ein Gespräch mit einem Elektrotechnik-Professor, der mir klar zu verstehen gab, dass er mich nicht in seinem Team wollte. Er sagte: Ach, wissen Sie, wir hatten schon mal eine Frau, aber dieses Fach ist sehr kompliziert, und Sie interessieren sich bestimmt nicht dafür. Zum Glück verlief das Gespräch danach mit dem Physik-Professor viel besser. Ich bin sicher, dass vor allem Frauen und Minderheiten, die vielleicht nicht so aussehen, wie sich viele Leute Ingenieure vorstellen, noch oft mit solchen Momenten konfrontiert sind.

Die Europäische Weltraumorganisation möchte erstmals auch sogenannte Parastronauten für Missionen einsetzen, Crewmitglieder mit physischen Behinderungen. Eine gute Idee?
Absolut. Ich finde es grossartig, wenn eine möglichst grosse Vielzahl an unterschiedlichen Menschen in das Weltall reist. Früher wurde stark darauf geachtet, dass jemand möglichst schnell und einfach in einer Notlandung das Schiff verlassen könnte. Heute spielt dies weniger eine Rolle, da die Technologie moderner ist. Das ermöglicht es, den Horizont der Kandidaten zu erweitern.

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Claude NicollierBild: AP NASA

Die Schweiz hatte bisher erst einen Nasa-Astronauten …
… ja, natürlich, Claude (Nicollier, Anm. d. Red.)! Ich habe nie direkt mit ihm zusammengearbeitet, aber er war oft im Astronauten-Büro, als ich da war, die ersten acht bis zehn Jahre. Ich freue mich, ihn bald wiederzusehen, wenn ich demnächst in die Schweiz komme.

Und kennen Sie auch Thomas Zurbuchen, den Nasa-Wissenschaftsdirektor?
Ja, er kam etwa eineinhalb Jahre bevor ich die Nasa verlies. Ich war damals Direktorin des Johnson Space Centers in Houston, Texas, und war nicht ständig in Washington D. C., wo Thomas arbeitet, hatte aber regelmässig Meetings dort. Er war bisher ein fantastischer Direktor.

Sie waren 2003 im Kontrollraum, als sich die Columbia-Tragödie ereignete. Das Shuttle zerbrach beim Eintritt in die Erdatmosphäre. Alle sieben Bordmitglieder verstarben. Wie sind Sie mit dieser Situation umgegangen?
In diesem Augenblick spult man ein Programm ab. Es ging zunächst darum, Teams zur Absturzstelle zu schicken, die Aufarbeitung anzustossen und so weiter. Dafür hatten wir Protokolle. Das war sehr hilfreich. Erst später begann ich, zu realisieren, was passiert ist. Ich kannte die gesamte Besatzung. Mit dem Kommandanten Rick D. Husband war ich selbst geflogen. Ich kannte seine Familie, seine Frau, seine Kinder. Wir alle bei der Nasa hatten das Gefühl, sie im Stich gelassen zu haben. Das hat mich lange beschäftigt und auch später beeinflusst, als ich dafür zuständig war, das «Go» oder «No-Go» für Missionen zu geben.

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Bild: AP

Hatten Sie nach der Katastrophe je das Gefühl, dass die Risiken zu hoch sind? Dass sie die Weltraumfahrt nicht wert sind?
Wir gingen methodischer vor. Wir haben versucht herauszufinden, was genau passiert ist und wo wir anders hätten reagieren können. Dabei stellten wir fest, dass wir nicht alles über das Shuttle wussten, was wir hätten wissen müssen. Schon beim Start fiel Material ab, welches das Potenzial hatte, Schaden zu verursachen. Wir mussten für die Zukunft also sicher sein, dass wir mit solchen Vorfällen anders umgehen und beispielsweise ein Shuttle im Weltraum reparieren können. Wir haben danach sehr viele Dinge geändert.

Es gibt Menschen, die sagen, Weltraumflüge seien zu teuer und ohne Wert für die Gesellschaft. Was entgegnen Sie diesen?
Ich war immer überzeugt, dass selbst die Besatzung der Columbia wollte, dass wir weitermachen. Was wir im Weltraum machen, ist wichtig. Die Raumfahrt sorgt für wissenschaftliche Entdeckungen und die Entwicklung neuer Technologien, die auch auf der Erde genutzt werden können. Im All wird beispielsweise Wasser und jede Art von Flüssigkeit inklusive Urin recycelt und in Trinkwasser umgewandelt. Solche Technologien werden auch auf der Erde genutzt, etwa in Gebieten, die nicht genügend Trinkwasser haben.

Aber die immensen Kosten …
… noch etwas: Wir haben eine eigene Wirtschaft rund um die Weltraumfahrt aufgebaut, von der viele Länder profitieren. Ausserdem arbeitet die internationale Gemeinschaft kaum je so eng zusammen wie beispielsweise bei der ISS. Über 100 Länder sind auf die eine oder andere Art involviert. Die Raumfahrt beeinflusst Menschen auf der ganzen Welt und bringt sie zusammen. Ich durfte selbst über ein Dutzend Raumstarts in Kasachstan begleiten, die von den Russen geleitet wurden und bei deren Missionen Nasa-Astronauten an Bord waren.

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Bild: keystone

Bis vor kurzem waren die USA für den Transport zur ISS auf Russland angewiesen. Wie wichtig ist es, dass die USA nun mit Space-X von Elon Musk eine Alternative haben?
Allein schon aus Sicherheitsgründen ist es wichtig, mehr als eine Methode zu haben, um in den Weltraum zu gelangen und ihn wieder zu verlassen, für den Fall, dass ein Fahrzeug oder System auf ein technisches oder Produktionsprogramm stösst. Darüber hinaus macht es Sinn, dass Länder, die den Weltraum erforschen, ihr eigenes Transportsystem haben wollen. Mit der Space-X-Trägerrakete Falcon 9 und der Crew-Kapsel Dragon ist die Nasa nun in der Lage, ein zusätzliches Besatzungsmitglied hinzuzufügen und mehr wissenschaftliche Arbeit zu leisten.

Die ISS wird nicht mehr lange im Betrieb sein. Die USA und ihre Partner haben dann keine eigene Weltraumstation mehr. China plant aber eine. Werden sich die Machtverhältnisse im Weltraum verschieben?
Die USA haben natürlich immer noch die Fähigkeit, mit kommerziellen Unternehmen im Weltraum tätig zu sein, aber es hat nicht mehr denselben internationalen Charakter wie die ISS. Die Nasa spricht deshalb im Moment mit anderen Ländern über Artemis, das neue Mond-Programm. Es gibt eine Art Rahmenvertrag namens Artemis Accords. Diese wurden bereits von 15 Ländern unterzeichnet. Dabei geht es um Grundsätze wie Transparenz, friedliche Erkundungsmissionen, Interoperabilität, Hilfe im Notfall, das Teilen wissenschaftlicher Daten, den sorgfältigen Umgang mit dem Boden und so weiter.

Sie haben private Firmen erwähnt, mit denen die USA zusammenarbeiten können. Vertragen sich wissenschaftliche und kommerzielle Interessen?
Die Nasa arbeitet schon lange mit privaten Unternehmen zusammen. Schon Mitte der Nullerjahre war ich an einem Treffen mit zwei privaten Unternehmen, die Fracht zur ISS transportieren sollten. Die Idee war immer, dass die Nasa Dinge erledigt, für die es keinen Markt gibt. Wenn es einen solchen gibt, sollten das private Firmen übernehmen. Jetzt, da sich die Nasa wieder in Richtung Mond orientiert, werden private Firmen vor allem in der niedrigeren Umlaufbahn wichtiger werden.

Was ging durch Ihren Kopf, als Sie Jeff Bezos sahen, wie er von seinem Weltraumtrip zurückkam und sich als Space-Cowboy feierte?
Wir haben schon lange mit solchen privaten Missionen gerechnet. Sie haben nichts mit der Nasa zu tun. Was ich am «Blue Origin»-Flug sehr gut fand, war, dass Wally Funk eingeladen wurde. Sie ist eine Pilotin mit sehr viel Erfahrung und war Teil der Mercury-13-Gruppe, die in den 60er-Jahren die Tests durchlief für das Astronauten-Programm der Nasa. Natürlich bestand sie alle, wurde aber nicht genommen, nur weil sie eine Frau war. Nun erhielt sie doch noch die Chance, mit über 80 Jahren ins Weltall zu fliegen.

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BezosBild: keystone

Wird Weltraumtourismus für Millionäre und Milliardäre ein grosses Geschäft?
Schwer zu sagen. Tourismus hat immer Pros und Kontras. In diesem Fall werden etwa neue Systeme entwickelt, die auch für andere hilfreich sind, aber auf der anderen Seite ist das natürlich sehr teuer und Wohlhabenden vorbehalten. Immerhin sehen wir Ansätze, dass auch weniger begüterte Menschen eingeladen werden, etwa im Rahmen von Wohltätigkeitsaktionen.

Im Artemis-Programm geht es darum, einen Aussenposten auf dem Mond zu errichten. Das erstaunt, hat man nun doch fast 50 Jahre lang nicht mehr über den Mond gesprochen. Was hat sich geändert?
Die Menschen bei der Nasa waren immer am Mond interessiert. Aber die Nasa wird vom Staat finanziert, und das Budget muss durch den Kongress. Solche Ziele überleben nicht immer politische Wechsel oder neue Präsidenten. Das wissenschaftliche Interesse am Mond war immer da. Dank ihm lernen wir viel über die Erde und wie sie geformt wurde. Es geht auch um Fragen wie jene, wie das Überleben des Menschen im Weltraum unterstützt werden kann.

ARCHIV --- ZUM 50. JAHRESTAG DES ERSTEN BEMANNTEN FLUGES MIT APOLLO 11 UND DER MONDLANDUNG AM SAMSTAG, 20. JULI 2019, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG --- epa01797776 A NASA han ...
Bild: EPA

Indem wir auf dem Mond leben werden?
Wahrscheinlich werden Menschen nicht dauerhaft auf dem Mond leben. Aber es wird eine Art Siedlung geben für wissenschaftliche Experimente und um zu verstehen, wie wir den Mond für weitere Weltraum-Expeditionen nutzen können.

Und wie sieht es mit dem Mars aus?
Ich denke, auch dort wird es eine Art temporär bewohntes Habitat geben. Natürlich unterscheidet sich der Mars stark vom Mond, so muss man etwa einen ganz anderen Lander nutzen wegen der Atmosphäre.

Die Apollo-Mission bestand zunächst vor allem aus militärischen Piloten. Erst später kamen Wissenschafter hinzu. Wird das bei Mars-Missionen auch so sein?
Das denke ich nicht, denn die Motivation für diese Missionen ist anders. Früher musste man noch überlegen, welche Art von Menschen die richtige ist, um erstmals ins All zu gehen. Es ist klar, dass man dabei auf Militärpiloten gekommen ist. Jetzt wissen wir aber schon viel mehr, und Menschen mit wissenschaftlichem und medizinischem Hintergrund werden wichtiger.

Wird der Mars künftig ein US-Planet sein, ein russischer oder chinesischer? Oder wird er gar Planet Tesla heissen oder Planet Amazon?
Ich hoffe, niemand wird den Planeten für sich beanspruchen. Es soll sein wie bei der ISS: ein globaler Effort. Es darf nicht um eine militärische Eroberung gehen.

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Bild: keystone

Trotzdem: Ex-US-Präsident Donald Trump startete die Space Force. Wird der Weltraum militarisiert?
So viel vorweg: Die Nasa ist eine zivile Organisation. Die Space Force hat nichts mit ihr zu tun. So wie ich es verstanden habe, geht es bei der Space Force eher um den Schutz von zivilen und militärischen Satelliten. Manche Länder haben leider die Fähigkeit, diese zu stören und Schaden anzurichten, etwa indem das GPS sabotiert wird.

Würden Sie auf eine Mars-Mission gehen, auch wenn Sie nicht auf die Erde zurückkehren könnten?
Ich bin ein Fan von Hin- und Rückflügen (lacht). Aber fragen Sie mich in 20 Jahren noch einmal!

Hinweis: Ellen Ochoa tritt an der Veranstaltung «Legends of Space» am 18./19. in Lausanne auf. Weitere Informationen unter hier

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15 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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*Butterfly*
13.03.2022 07:42registriert Februar 2022
Sehr interessantes und spannendes Interview. Danke!
295
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Tycho Brahe
13.03.2022 08:10registriert Januar 2022
Danke für das Interview ❤️

Perspektivenwechsel sind heilvoll. 🚀

Irgendwann sieht sich die Menschheit vielleicht doch noch als eine Einheit. 🇺🇳
255
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benn
13.03.2022 08:22registriert September 2019
eine coole frau die nicht auf die frauenopfer haltung eingeht und sich einfach ins team einreiht ohne zu lamentieren wie sie es als frau extra schwer hatte!
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