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Der Atatürk-Flughafen von Istanbul gilt als sehr sicher. Trotzdem gelang es dort Terroristen, ein Blutbad anzurichten. Im Interview erklärt der ehemalige Sicherheitschef des Flughafens Ben Gurion in Tel Aviv, was vermutlich schief gegangen ist – und was europäische und amerikanische Grossflughäfen machen müssten, um solche Anschläge zu verhindern.
Wie sicher ist der Flughafen von Istanbul?
Rafi Sela: Atatürk ist ein sehr sicherer Flughafen, nicht zuletzt, weil er viel vom Sicherheitskonzept des Flughafens Ben Gurion in Tel Aviv adapiert hat. Aber mir scheint, sie haben es nicht zu 100 Prozent umgesetzt.
Das heisst?
Es gibt in Istanbul Sicherheitskontrollen vor dem Betreten der Abflughalle. Was schief gegangen ist, weiss ich nicht. Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass es mit ungenügender Ausbildung, beziehungsweise ungenügendem Training zu tun hat. Man kann Menschen für alles mögliche ausbilden, aber wenn sie im Anschluss nicht regelmässig trainiert und gedrillt werden, entspannen sie sich und ihre Wachsamkeit nimmt ab.
Warum wird nicht öfter trainiert?
Weil es sehr teuer ist. Jemanden auszubilden, ist eine Sache. Tägliches oder wöchentliches Training eine ganz andere. Der menschliche Instinkt ist verlässlich, aber er muss immer und immer wieder geschult werden.
Viele Experten zweifeln am Nutzen von Kontrollen vor der Abflughalle, weil sich die Menschenschlangen einfach an einen anderen Ort verschieben und weiterhin ein Terrorziel darstellen.
Das sehe ich völlig anders. Das Ziel ist natürlich, dass genau das nicht passiert. Die erste Sicherheitskontrolle sollte so weit als möglich vom Terminal entfernt sein. Dieser sollte auf diese Weise beinahe «steril» werden, damit sich das Personal auf das Überprüfen des Gepäcks und auffälliges Verhalten von Passagieren konzentrieren kann. In so einer Umgebung ist es sehr, sehr unwahrscheinlich, dass drei Personen im Taxi zum Flughafen fahren und einen Schaden wie in Istanbul anrichten können.
In Tel Aviv wäre dies also nicht möglich?
Eine hunderprozentige Sicherheit gibt es nicht. ABER:
Unsere Leute sind so gut ausgebildet und so gut trainiert, dass sie blitzschnell reagieren. Es nicht auszuschliessen, dass Terroristen in die Abflughalle gelangen und anfangen zu schiessen. Aber nicht lange. Und ich bezweifle auch, dass sie Zeit hätten, sich in die Luft zu sprengen. Es sei denn, sie täten das gleich am Anfang.
Ben Gurion hat 16 Millionen Passagiere pro Jahr, Frankfurt über 60 und Atlanta über 100. Ist es überhaupt realistisch, so ein Konzept auf einen Grossflughafen zu übertragen?
Absolut. Das Problem ist, dass diese Flughäfen nicht dafür ausgelegt sind. Man müsste sie praktisch von Grund auf neu bauen. Aber theoretisch lässt sich das Konzept auch auf einen unendlich grossen Flughafen übertragen.
Der Umbau oder Neubau solcher Flughäfen wäre sehr teuer.
Erinnern Sie sich an den Anschlag auf den Flughafen Los Angeles 2013? Nachher kam der Sicherheitschef nach Tel Aviv um zu sehen, wie wir das machen. Er kehrte zurück und führte eine Fahrzeugkontrolle ein. Das Resultat waren Staus bis nach Hollywood.
Wie löst man dieses Dilemma?
Sie haben es doch schon gelöst, auch in den USA! Früher gab es auf den US-Autobahnen Staus vor den Mautstationen. Warum? Für zwei Spuren gab es zwei Stationen. Dann bauten sie stattdessen 17 Stationen für zwei Spuren und die Staus verschwanden. Dasselbe Prinzip funktioniert auch am Flughafen.
Gibt es ausser Ben Gurion und Atatürk andere bedeutende Flughäfen mit vorgelagerten Sicherheitskontrollen?
Ja, zum Beispiel in Peking.
Man hört, auch Brüssel habe nach den Anschlägen reagiert.
Sie stellten ein Zelt vor die Abflughalle und kontrollierten die Passagiere draussen, was alle verrückt gemacht hat. Nach einer Woche wurde die Übung abgebrochen. Was die Belgier gut gemacht haben: Sie haben die Präsenz von bewaffneten Sicherheitsleuten im Terminal massiv erhöht. Doch auch diese Massnahme wird die Sicherheit nur dann nachhaltig erhöhen, wenn ein hoher Ausbildungs- und Trainingsstand aufrechterhalten bleibt.