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«Monarchie ist kein Wunschkonzert»: Royal-Experte zum 70. Thronjubiläum

Windsor, United Kingdom. Queen Elizabeth II attends the Royal Windsor Cup Final at the Guards Polo Club in Windsor, United Kingdom. PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY xi-Imagesx IIM-22393-0001
Die Queen in bester Laune – am 11. Juni in Windsor.Bild: imago-images
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«Eine Monarchie ist kein Wunschkonzert»: So sieht Royal-Experte das 70. Thronjubiläum

02.06.2022, 11:46
Imke Gerriets / watson.de
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Ab Donnerstag finden die grossen Feierlichkeiten zum Platinjubiläum der Queen statt. 1953 fand ihre Krönung in der Westminster Abbey statt und wurde sogar live im Fernsehen übertragen. In den kommenden Tagen wird die Monarchin für ihre 70-jährige Regentschaft geehrt und gefeiert. Anlässlich dessen reisten auch Harry und Meghan aus den USA nach England, um an ausgewählten Terminen wie dem Thanksgiving-Gottesdienst teilnehmen zu können.

Der renommierte Adelsexperte Jürgen Worlitz ist in der Vergangenheit immer mal wieder Royals persönlich begegnet. Auch Queen Elizabeth II. erlebte er auf Staatsbesuchen. Im Interview mit watson erklärt Worlitz, wie er die Zukunft der Monarchie sieht, sagt, warum die Queen zu einer Ikone geworden ist und verdeutlicht, welche Last auf William, dem künftigen Thronfolger nach Charles, liegt.

Was wird von der Regentschaft der Queen bleiben?
Jürgen Worlitz:
Die Queen ist eine Ikone geworden. Ich bin der Ansicht, dass das Ansehen, das Image der Queen ein Stück Ewigkeit sind. Die nächsten 20, 30 Jahre wird man sie in Erinnerung haben als die Frau, die Grossbritannien und die Geschichte 70 Jahre, 75 Jahre oder 80 Jahre, je nachdem wie alt sie wird, mitgelenkt hat. Man wird sie in Erinnerung haben als integre, zuverlässige und letztlich auch als liebenswürdige Person. Aber auch als eine Frau, die eine gewisse Strenge, eine Unnahbarkeit ausstrahlt, die auf Traditionen Wert legt: Das heisst keine Herzlichkeit, aber eine Liebeswürdigkeit.

Was bedeutet das 70. Thronjubiläum für Charles und William, die nach und nach mehr Aufgaben von ihr übernehmen?
Die Gesellschaft befindet sich immer wieder in einem Generationswechsel. Auch in Grossbritannien ist ein Generationswechsel irgendwann dringend erforderlich. Da ist Charles’ Alter grenzwertig. Er ist aber glaubwürdig, weil er sich sehr früh für Probleme, die erst heute richtig aktuell sind, eingesetzt hat. Das betrifft den Umweltschutz und auch bei dem biologischen Gärtnern ist Charles ein Vorreiter gewesen. Das ist natürlich etwas, was ihm heute zugutekommt, weil man sieht, wie er das vielleicht angehen wird, wenn er mal auf dem Thron sitzen sollte.

Würden Sie William als nächsten Thronfolger bevorzugen?
Eine Monarchie ist kein Wunschkonzert. Es gibt Thronfolgegesetze und nach diesen kommt Charles dran. Meine persönliche Ansicht ist, wenn die Queen aus irgendeinem Grund noch länger auf dem Thron bleiben sollte, weil sie es gesundheitlich durchsteht und nicht ans Abdanken denkt, dann kann es sein, dass Charles, wenn er sich langsam der 80 nähert, vielleicht von sich aus zurücktritt oder auf seine Thronrechte verzichtet. In diesem Fall wird William automatisch der Nachfolger und wäre auch in einem guten mittleren Alter, sodass man ihm dann die Aufgabe zutraut.

«Dass man mit 96 Gehprobleme hat, ist nichts Ungewöhnliches.»

Werden jetzt schon einschneidende Veränderungen mit Blick auf das Ende der Regentschaft auf den Weg gebracht?
Das Thronjubiläum ist zunächst nichts weiter als ein Kreuz im Kalender. Das bedeutet, es wird nichts Einschneidendes sein, ausser, dass die Queen vermutlich Termine ganz stark reduzieren wird. Davon ist jetzt auszugehen, wenn man den Gesundheitszustand oder ihre Mobilitätsprobleme sieht. Dann heisst es, dass Charles letztlich sukzessive das Gesicht der Monarchie wird. Das hat er schon gut gezeigt, als er das britische Parlament eröffnet hat. Die Queen-Rede wurde zu einer Thronfolger-Rede.

Es wird sich sicher etwas ändern, wenn die Queen nicht mehr auf dem Thron sitzt, sodass Modernisierungen stattfinden können.
Zweifelslos. Aber wir gehen mal davon aus, wenn Charles nachfolgt, dass sich das nur in geringem Masse ändern wird. Er wird das sehr behutsam angehen, weil er sicherlich keinen Bruch will oder gar einen Bruch forcieren möchte. Wenn William auf den Thron kommt, dann steht er vor einem grossen Problem, dass viele von ihm eine totale Modernisierung fordern. Da stellt sich die Frage, wie modern eine Monarchie sein darf, um nicht bürgerlich zu werden, denn wenn sie bürgerlich wird, schafft sie sich ab.

Die 66 grossartigsten Bilder der Queen

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Die 70 grossartigsten Bilder der Queen
Elizabeth wird am 21. April 1926 in London geboren. Dieses Bild von 1931 zeigt sie mit ihrer kleinen Schwester, Prinzessin Margaret, und ihrer Mutter Elizabeth, die spätere Queen Mother.
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Immer wieder gibt es Spekulationen über den Gesundheitszustand der Queen. Es hiess sogar, dass sie vielleicht nicht an der «Trooping The Colour»-Parade teilnimmt.
Man kann nur das bewerten, was man sieht und weiss. Man soll nie über den Gesundheitszustand eines Menschen spekulieren, getreu dem Motto: «Sie macht das nicht mehr lange.» Das wäre totaler Unsinn. Sie hat gute Ärzte, sie ist in guter Betreuung. Dass man mit 96 Gehprobleme, Mobilitätsprobleme hat, ist nichts Ungewöhnliches. Sie geht nach wie vor auf die Menschen zu, unterhält sich mit ihnen. Sie hat sich freudig gezeigt bei der Royal Windsor Horse Show, sie hat sich auch interessiert gezeigt bei der Chelsea Flower Show.

«Der Hauptsinn einer Monarchie ist, präsent zu sein.»

Die Königin bleibt präsent, auch wenn sie sich weniger blicken lässt.
Daran sieht man, dass sie durchaus an Veranstaltungen teilnimmt. Aber die Menschen in Grossbritannien fordern natürlich eine gewisse Präsenz ein, denn dafür ist eine Monarchie da. Man darf nicht vergessen: Der Hauptsinn einer Monarchie ist, präsent zu sein. Die Leute wollen sie sehen, wollen wissen, dass es dem Staat gut geht und es noch so ist, wie es war. Deswegen wird auf die Queen gebaut. Wenn sie jetzt mit anderen gesundheitlichen Problemen öfter ausfällt, dann wird man sehen, wie sie reagiert.

In diesem Fall muss sie noch kürzer treten.
Dann wäre die Möglichkeit, dass sie weitaus noch mehr Aufgaben an Charles abtritt und formell noch im Amt bleibt. In diesem Fall könnte es sein, dass sie sagt, sie tritt insofern zurück, dass sie Charles einfach das Ruder überlässt.

Auf dem Balkon des Buckingham Palasts sollen am Donnerstag nur arbeitende Familienmitglieder des Königshauses stehen.
Ob die Queen dabei sein wird, wird man im letzten Moment sehen. Man darf gespannt sein, ob sie sich ein eingeschränktes Programm zumutet, indem sie mit der Kutsche an den paradierenden Soldaten vorbeifährt. Es heisst auch, es gibt danach eine Manöverkritik. Aber das Palastfoto wird es hoffentlich geben. Das ist für sie eigentlich ein Muss. Wenn sie nicht mit auf dem Balkon steht, würde ich sagen, hat sie an dem Tag gesundheitliche Probleme. Das können dann nur schwerwiegende Gründe sein.

«Sie wird nach wie vor, wenn sie es kann, präsent sein.»

Für Harry und Meghan sowie für Prinz Andrew gibt es keinen Platz. Wird hier ein potenzieller Konflikt aus dem Weg gegangen, sodass die Aufmerksamkeit auf der Queen bleibt?
Dass sich das auf die direkte Thronfolge bezieht, ist nicht aussergewöhnlich. Wir reden vom Königshaus, von der Firma. Damit ist klar umrissen, wer auf dem Balkon steht: Dazu zählen die Queen, Prinz Charles mit Camilla und William mit Kate. Möglicherweise werden auch ihre Kinder zu sehen sein. Dass Harry und Andrew nicht dabei sind, ist ganz klar. Sie gehören nicht mehr dem Königshaus, der Firma an. In der Familie bleiben sie immer. Anders wird es wohl am Sonntag, wo es noch mal ein Palastfoto geben soll. Da könnte es sein, dass sie alle dabei sind.

Es kann die letzte Möglichkeit sein, die Queen öffentlich zu feiern.
Die Jubiläumsfeierlichkeiten sind offiziell nur auf das Pfingstwochenende begrenzt. Danach gibt es aber noch eine Fülle von Veranstaltungen. Da ist es üblich, dass die Queen wieder auftaucht. Es gibt die berühmten Pferderennen, wo sie aus privaten Gründen hingeht und die normalen Kirchgänge. Sie wird nach wie vor, wenn sie es kann, präsent sein. Vielleicht wird es aber jedes Jahr ein paar Auftritte weniger geben.

Es könnte jetzt zumindest ihr letztes Jubiläum gewesen sein. Umso mehr werden sich jetzt die Briten freuen, die Königin feiern zu können.
Das nächste Jubiläum wäre erst in fünf Jahren. Es ist natürlich so, dass die Chancen nicht unbedingt so gut stehen, dass das noch als Jubiläum stattfindet. Aber jetzt nähert sich wieder der nächste Todestag von Prinz Philip, wo es einen Gedenkgottesdienst geben wird. Das wäre ein Anlass, die Queen wieder in einem grösseren Rahmen mit Gästen zu sehen. Da ist sie in offizieller Mission, weil sie immer noch geistiges Oberhaupt der anglikanischen Kirche ist.

Welches Ereignis von der Queen ist Ihnen besonders in den 70 Jahren Regentschaft in Erinnerung geblieben?
Mir sind natürlich einige Staatsbesuche, wo man sie in Deutschland erlebt hat, in Erinnerung geblieben. Zudem sind mir besonders zwei Ansprachen präsent. Wie die Queen als junge Frau sagt: «Ich erkläre, dass mein ganzes Leben, mag es kurz oder lang sein, dem Dienen gewidmet sein soll.» Oder wie sie die Ansprache nach Dianas Tod hält. Da sehe ich sie in ihrem schwarzen Kleid sitzen und frei sprechend die Rede halten. Alles andere sind Momentaufnahmen. Es gibt unendlich schöne und tolle Aufnahmen von ihr. Sie ist eine fotogene Frau, das muss man einfach sagen.

Sind Sie der Queen persönlich begegnet?
Ja, beim Truppenbesuch in Dortmund 1984, beim Staatsbesuch in Berlin 1987 oder 2015. Da wurde man als Medienvertreter zugelassen und hat entsprechend fotografieren dürfen. Ich habe ein Konglomerat an Presseausweisen, die man sich früher um den Hals hing. Ein Foto mit der Queen gibt es allerdings von keinem deutschen Journalisten. Die Queen hat auch nie ein Interview gegeben.

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Die Queen als weltweites Briefmarkenmotiv
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