Ein irakischer Soldat bewacht an Weihnachten 2016 eine Kirche im Umland von Mossul. Bild: AHMED JALIL/EPA/KEYSTONE
Vor dem US-Einmarsch von 2003 lebten 1,5 Millionen Christen im Irak. Heute sind weniger als 300'000 von ihnen übrig. Sie fliehen nicht nur vor den «IS»-Terroristen, sondern auch vor der Gleichgültigkeit ihrer muslimischen Nachbarn. Erzbischof Thimothaeus Mussa al-Schamani hat resigniert. Der würdevolle Mann mit dem kurzen grauen Bart steht der Erzdiözese von Bartilla und Mar Mattai vor, die im Umland der irakischen Grossstadt Mossul liegt.
Erzbischof Thimothaeus Mussa al-Schamani (rechts) trifft mit einem irakischen Parlamentarier zusammen (21.02.2015). bild via Ishtartv.com
2014 hatte die Terrormiliz «Islamischer Staat» (IS«)» Mossul und weitere irakische Städte eingenommen. Im Westteil von Mossul herrscht immer noch ihr Schreckensregime, das Christen zu «Ungläubigen» und Schiiten zu «Abtrünnigen» erklärt. «Ich glaube, in fünf Jahren gibt es im Irak keine Christen mehr, die Jungen wollen alle weg, diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten», sagt Al-Schamani.
Den Christen geht es nicht viel anders als den Jesiden: Obgleich die «IS»-Terroristen inzwischen aus etlichen irakischen Städten und Dörfern vertrieben worden sind, zögern auch die Christen, in ihre angestammten Siedlungsgebiete zurückzukehren. Sie trauen dem Frieden nicht. Und sie fühlen sich nicht nur vom «IS» in ihrer Existenz bedroht.
«Die Menschen haben Angst vor der Rückkehr in ihre Dörfer», sagt Baschar Warda, Erzbischof der chaldäisch-katholischen Diözese von Erbil. Denn die politischen Verhältnisse, die dazu geführt hätten, dass der «IS» nach der Macht greifen konnte, hätten sich bis heute nicht geändert. Das Regime in Bagdad sei korrupt, «und so lange dieses System existiert, können wir keine bessere Lösung erwarten».
Beten für die Befreiung Mossuls in Erbil (Oktober 2016). Bild: AMEL PAIN/EPA/KEYSTONE
Der syrisch-orthodoxe Erzbischof von Mossul, Nicodemus David Scharaf, geht noch einen Schritt weiter. Die Korruption der irakischen Regierung habe zugenommen. Der «extremistische Diskurs der islamischen Brüder» sei stärker geworden, sagt er. Sunniten wie auch Schiiten hätten sich in den vergangenen drei Jahren, als die Christen vor den Terroristen aus ihren Dörfern in der Provinz Ninive flohen, nicht solidarisch gezeigt.
Auf seinem Smartphone hat Scharaf Bilder einer zerstörten Kirche im Ostteil Mossuls, aus dem die «IS»-Kämpfer inzwischen vertrieben wurden. Die Terroristen hätten alles zerstört, «was unser Leben ausmachte», darunter auch wertvolle Schriften aus dem 2. Jahrhundert nach Christi Geburt.
Das sogenannte «Kalifat» des «IS» könne man notfalls mit Militärflugzeugen zerstören. Doch gegen die Ideen der islamistischen Terroristen habe bislang niemand ein wirksames Gegengift entwickelt.
Auch bei Angehörigen der religiösen Minderheit der Jesiden schwindet allmählich die letzte Hoffnung. Nur zehn jesidische Frauen seien bisher durch die Offensive in Mossul befreit worden. Viele Jesidinnen seien vom «IS» in andere Gebiete verschleppt worden, zum Beispiel nach Al-Rakka in Syrien, berichtet der jesidische Schriftsteller Mirza Dinnayi von der Organisation Luftbrücke Irak.
«Wir haben gehört, dass es einen Plan geben soll für die Stabilisierung von Mossul, aber wir wurden da gar nicht einbezogen», klagt der jesidische Journalist Chidr Domle. Die Jesiden fühlen sich ausgegrenzt, verdrängt, wie eine unbedeutende kleine Gruppe, auf die niemand mehr Rücksicht nehmen mag.
Ausserdem fürchten sie, dass der Machtkampf zwischen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei (PKK), den nordirakischen Peschmerga und der Türkei in ihren Dörfern im Schindschar-Gebirge weiter eskaliert.
Weihnachtsmesse in der Kirche al-Tahira al-Kubra in al-Hamdaniya bei Mossul (2016). Bild: AHMED JALIL/EPA/KEYSTONE
Der multireligiöse Irak war vor der US-geführten Invasion von 2003 ein fein gewobener Teppich, mit dem schiitischen und dem sunnitischen Islam als dominierenden Farben. Seine besondere Schönheit hatte dieser Teppich aber den vielen kleinen Farbsprengseln zu verdanken.
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