Der Traum einer Revolution gegen die Mullah-Regierung schwindet nicht. Seit über sechs Wochen halten die Massenproteste im Iran an, die durch den Tod von Mahsa Amini ausgelöst wurden.
Gefangen im Albtraum, verlieren die Menschen im Iran immer mehr die Furcht. In der Hauptstadt Teheran schlagen die Proteste gegen das autoritäre Regime in immer gewaltsamere Aufstände um. Augenzeugen sprechen von einer neuen Dimension der Proteste.
Es ist nicht die erste Protestwelle, die sich seit der islamischen Revolution im Jahr 1979 entfacht hat. Doch noch nie hatten Aufstände eine solche Dynamik erreicht.
Angst hat sich inzwischen zu Hass gesteigert. Es grenzt an ein Wunder, dass die Menschen noch nicht aufgegeben haben. Für ihren Traum, den Sturz der Regierung, nehmen sie Schläge, Freiheit und ihr Leben in Kauf.
Gleichzeitig geht die Regierung immer brutaler gegen die Zivilbevölkerung vor. Hunderte von Menschen sollen nach Protesten festgenommen oder umgekomme sein. Bei Festnahmen drohen Folter, sexuelle Gewalt und Willkür, wie Menschenrechtsorganisationen berichten.
Ausserhalb des Landes bekommen wir nur einen Bruchteil mit, was sich im Iran tatsächlich abspielt. Journalistinnen und Journalisten können nicht unabhängig berichten, da sie durch Drohungen und Festnahmen zum Schweigen gebracht werden. Und Informationen über soziale Medien dringen nur schwer an die Öffentlichkeit, da das Internet grossflächig gedrosselt ist und die Bevölkerung überwacht werde.
Sie haben auf die Tafel gemalt, was dieses Regime für sie bedeutet. #IranRevolution pic.twitter.com/GWaxjE7anI
— Shoura Hashemi (@ShouraHashemi) November 1, 2022
Trotzdem haben wir versucht, eine Übersicht der Ereignisse zu schaffen:
Iranerinnen und Iraner verschwinden während Protesten zu Tausenden – vereinzelt kehren sie in Särgen zu ihren Familien zurück. Unter den Opfern befinden sich auch Kinder.
Das Regime schreckt angeblich nicht davor zurück, Gewalt an den jüngsten Demonstrantinnen und Demonstranten anzuwenden. Dies zeigen Recherchen von Amnesty International.
So soll ein Elfjähriger während eines Protestes in Zahedan, im Südosten des Irans, durch scharfe Munition getötet worden sein. «Sein Todesfall spiegelt die Gräueltaten und die Brutalität wider, mit denen die Sicherheitskräfte auf den Freiheitsdrang reagieren», schreibt Amnesty International.
Der Todesfall des blutjungen Javad ist kein Einzelschicksal.
Er ist eines von mindestens 23 Kindern, die in den vergangenen Wochen getötet wurden, heisst es im Amnesty-Bericht. Die Menschenrechtsorganisation geht von einer hohen Dunkelziffer aus.
Nach Angaben der Regierung sollen all diese Kinder an Suizid oder tödlichen Krankheiten gestorben sein.
Wie Amnesty International berichtet, sollen die Familien der verstorbenen Kinder massiv bedroht und eingeschüchtert worden sein, damit sie eine offizielle Erklärung abgeben, dass ihre Kinder Suizid begangen hätten oder krank gewesen seien.
Wenn die Eltern keine Erklärung abgeben, dann erledigt dies die Regierung.
Nach dem Tod der 16-jährigen Demonstrantin Sarina Esmaeilzadeh soll die Regierung behauptet haben, dass das Mädchen vom Hochhaus ihrer Grossmutter gefallen sei. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sei sie von der Sittenpolizei zu Tode geprügelt worden.
Ein weiteres Beispiel ist der Fall der 16-jährigen Nika Shakarami. Das Mädchen sei Medienberichten zufolge durch angeblich schwere Schläge auf den Kopf durch die Sittenpolizei getötet worden. Den Behörden zufolge soll sie Suizid begangen haben.
Mehr als 280 Menschen wurden seit den anhaltenden Protesten nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen getötet, mehr als 14'000 verhaftet.
Unter den Inhaftierten sollen sich auch Kinder befinden. Berichten zufolge soll die 15-jährige Asal Nahi in einem iranischen Gefängnis festgehalten werden. Der Grund für die Verhaftung sei der Familie nicht bekannt. Ihnen werde jeglicher Kontakt verwehrt.
Asal Nahi ist gerade einmal 15 Jahre alt und sitzt seit über 40 Tagen im Gefängnis von Täbriz, aus dem es Berichte über Vergewaltigungen gibt. #IranRevolution pic.twitter.com/XAQIcqpS6D
— Shoura Hashemi (@ShouraHashemi) November 2, 2022
In Haft befinden sich auch bekannte iranische Persönlichkeiten, darunter der iranische Rapper ToomajSalehi – die musikalische Stimme des Widerstands.
In seinen Texten kritisiert er das Mullah-Regime. Nach seiner Verhaftung Anfang November meldet er sich in einem Video mit verbundenen Augen an seine Anhängerschaft. Mit gebrochener Stimme entschuldigt er sich für seine Aussagen.
Screen shot eines Videos, das das Regime veröffentlicht hat. Erinnert an Hinrichtung der Widerstandskämpfer durch Faschisten in Filmen: Nachts, im Wald ... Der Rapper #ToomajSalehi "bereut" es, mit seinen Videos und Songs gegen die Barbarei gekämpft zu haben. #Iran #IranProtests pic.twitter.com/AwwhlWftSP
— Iran-Journal (@iran_journal) November 2, 2022
Kritisch gegen das Regime geäussert hat sich auch die Journalistin Nazila Maroufian. Berichten zufolge sei sie bei Verwandten festgenommen worden und steckt im Evin-Gefängnis fest.
Eine Begründung für die Festnahme liege derzeit nicht vor. Klar ist: Maroufian berichtete über die Proteste im Iran. Vermutlich ist sie noch am Leben, da sie in einem Artikel schrieb:
Das Gefängnis, in dem sie seit Sonntag inhaftiert sei, ist bekannt für Hinrichtung politischer Gefangenen.
Ein weiterer bekannter Inhaftierter ist der Menschenrechtsaktivist Hossein Ronaghi, der am 22. September in Teheran verhaftet wurde. Seine Familie sitzt seit 20 Tagen vor dem Gefängnis, um Informationen über Hossein zu erhalten. Seit Wochen soll Ronaghi sich im Hungerstreik befinden.
Er wurde beschuldigt, ein «Verbrecher der Erde» zu sein. Darauf steht die Todesstrafe.
Die Eltern von #Hossein_Ronaghi warten vor dem Evin-Gefängnis auf die Antwort der Behörden der Islamischen Republik. Sie haben dort die ganze Nacht bis zum Morgen gesessen. Dies ist eine Verletzung der Menschenrechte. Bestellen Sie Ihre Botschafter ab. @Europarl_DE @ABaerbock pic.twitter.com/VXX2vfkBiE
— وخیم (@_wakhim) November 2, 2022
Die Scharia ist das Rechtssystem des Islam und umfasst alle religiösen und rechtlichen Normen. Je nach Land wird die Scharfia anders angewandt.
Nach der iranischen Auslegung der Scharia sind die Frauen den Männern nicht gleichgestellt. Ehemännern ist erlaubt, Gewalt an ihren Ehefrauen anzuwenden. So ist beispielsweise eine Vergewaltigung in der Ehe kein juristischer Tatbestand.
Für die Mullahs ist die Scharia heilig. Wer sich nicht an die geltenden Rechte hält, wird von der Sittenpolizei gerügt.
Doch gewisse Gesetzesgebungen soll selbst die Islamische Republik missachten. Laut der Scharia müssten Angehörige von inhaftierten Demonstranten über deren Aufenthalt informiert werden. «Die Staatsmacht hält sich nicht einmal selbst an die Gesetze, die sie erlassen hat», sagt der Menschenrechtsanwalt Saeid Dehghan zu DW.
«Tod dem Diktator», rufen die Demonstranten während der Proteste. Die Rufe richten sich an Ali Chamenei – Irans politischer und religiöser Führer. Die Schuld an den Aufständen sucht der Führer im Ausland, besonders bei den Erzfeinden der Islamischen Republik. «Die Unruhen wurden alle von Amerika und Israel geplant», sagt Chamenei kürzlich in einer öffentlichen Rede. Es ginge ihnen darum, die iranische Religion anzugreifen. Das Kopftuch abzuschaffen und Moscheen anzuzünden.
Abgesehen von Herrscher Chamenei haben sich öffentlich noch nicht keine Hochrangige getraut, sich zu den Protesten geäussert – geschweige denn, das Regime zu kritisieren. Ausser Ayatollah Alavi Boroujerdi, einer der höchsten schiitischen Geistlichen. In einer Rede fordert er den Führer zum Handeln auf: «Unsere Jugend hat etwas zu sagen. Gebt ihnen den Raum, um sich zu äussern.»
Chamenei schickt Geld der Hizbullah, eine Terrororganisation, die Israel auslöschen will und überall im Nahen Osten Terror ausübt.
Chamenei unterstützt die Huthi-Rebellen im Jemen.
Chamenei ist Papst, Militärchef und Präsident in einem. Er lässt auf sein eigenes Volk schiessen, brutal ermordern, verhaften, foltern, hinrichten. Und: Er liebäugelt mit der Atombombe.
Die Prostestierenden sind global zu unterstützen. Desto eher dieses brutale Regime gestürzt wird, umso besser für die ganze Welt.
Und ja: Saudi Arabien ist kein Deut besser!