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Israel: Die Skandal-Akte von Bibi Netanjahu

Die Skandal-Akte Netanjahu

Nicht nur wegen seiner Justizreform ist Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu höchst umstritten. Schon in der Vergangenheit löste er Skandale aus.
29.03.2023, 05:1829.03.2023, 11:31
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Ein Artikel von
t-online

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu steht derzeit wegen der umstrittenen Justizreform stark in der Kritik. Trotz der angekündigten Verschiebung besteht die Befürchtung, seine rechtsextreme Regierung könne mit einer Aufhebung der Gewaltenteilung die Demokratie des Landes aushöhlen.

Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel. Foto: Maya Alleruzzo/Pool AP/dpa
Benjamin Netanjahau erregte in der Vergangenheit mit mehreren Skandalen Aufsehen.Bild: sda

Doch auch darüber hinaus ist «Bibi», so der Spitzname Netanjahus, kein unbeschriebenes Blatt: Mit faktisch falschen Holocaust-Thesen und zahlreichen Korruptionsvorwürfen gegen ihn fiel er in der Vergangenheit immer wieder auf. Ein Einblick in die Skandal-Akte des israelischen Regierungschefs.

Holocaust-These 2015

2015 hatte Netanjahu gesagt, Adolf Hitler habe zunächst nur die Vertreibung der Juden, nicht jedoch ihren Massenmord geplant. Vielmehr habe der damalige palästinensische Grossmufti Amin al-Husseini den NS-Diktator zur systematischen Vernichtung der Juden gedrängt. Netanjahu bekräftigte diese Sichtweise mehrmals, was international für Empörung sorgte.

Die Chefhistorikerin der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, Dina Porat, wies diese Äusserung damals als «eindeutig faktisch falsch» zurück. Von einem Treffen Hitlers mit dem Grossmufti im November 1941 in Berlin gebe es ein ausführliches Protokoll. «Darin kommt nichts vor, das beweisen könnte, was Netanjahu gesagt hat – dass der Mufti Hitler angeblich die Idee für den Massenmord gab.»

Illegale Luxusgeschenke

Seit mehreren Jahren läuft zudem ein Korruptionsprozess gegen Netanjahu. Unter anderem sollen er und seine Familie in den Jahren 2007 bis 2016 von zwei Geschäftsmännern Zigarren, Champagner und Schmuck im Wert von insgesamt einer Million Schekel angenommen haben. Nach derzeitigem Kurs entspricht das umgerechnet rund 260'754 Euro. Es habe sich nach Angaben der Polizei um illegale Schenkungen des Hollywoodproduzenten Arnon Milchan und des australischen Unternehmers James Packer gehandelt.

Sara Netanyahu waves as she arrives as United States President Donald J. Trump and First lady Melania Trump host a signing ceremony of the Abraham Accords on the South Lawn of the White House in Washi ...
Sara NetanjahuBild: www.imago-images.de

Im Gegenzug soll Netanjahu sich für ein Gesetz starkgemacht haben, das Milchan Steuervergünstigungen in Millionenhöhe verschaffen sollte. Ausserdem habe er ihm dabei geholfen, ein neues US-Visum zu erhalten.

Manipulation der Presse

Ausserdem soll Netanjahu versucht haben, sich in einem Deal mit einem Medienmogul eine positivere Berichterstattung in der regierungskritischen Zeitung «Jediot Achronot» zu sichern. Im Gegenzug habe Netanjahu Hilfe dabei in Aussicht gestellt, den Einfluss der auflagenstarken Gratiszeitung «Israel Hajom» zu schwächen, die lange als sein Sprachrohr galt.

Die Liste lässt sich fortsetzen: Als Kommunikationsminister soll Netanjahu dem Telekom-Riesen Bezeq rechtliche Vergünstigungen gewährt haben. Im Austausch dagegen soll das zum Konzern gehörende Medium «Walla» positiv über ihn berichtet haben. Der Regierungschef und seine Vertrauten sollen auch Einfluss auf wichtige Ernennungen bei «Walla» genommen haben. Netanjahu hatte das Amt des Kommunikationsministers zusätzlich ab 2014 inne – 2017 gab er es wegen der heftigen Kritik wieder ab.

U-Boot-Affäre

Der Regierungschef ist ausserdem in einen millionenschweren U-Boot-Deal mit Deutschland verwickelt, der in Israel für Aufregung sorgte. Ein Grund: «Bibi» soll den U-Boot-Deal gegen den Willen von Militär und Verteidigungsministerium durchgesetzt haben. Die Polizei hatte erklärt, in dem Fall ausreichend Beweise für Anklagen gegen mehrere Verdächtige zu haben, darunter Vertraute Netanjahus. Er selbst musste in einem entsprechenden Prozess nur als Zeuge auftreten.

Israel s Prime Minister Benjamin Netanyahu speaks during a ceremony upon the arrival of INS Tanin, a Dolphin AIP class submarine, at a naval base in the northern city of Haifa September 23, 2014. Tani ...
Netanjahu bei einem U-Boot in Haifa. Bild: imago stock&people

Siedlergewalt im Westjordanland

In diesem Punkt gilt Netanjahu als definitiv verantwortlich: die Siedlergewalt im Westjordanland, die sich mit seinen Gesetzesänderungen zunehmend verschärft. Zuletzt hatte Israel entschieden, den 2005 beschlossenen Rückzug aus vier Siedlungen im nördlichen Westjordanland teilweise aufzuheben. Ohnehin hatte Netanjahu mehrfach eine Annexion weiter Teile des Westjordanlands angekündigt.

Zudem rufen seine Regierung und die Koalitionsparteien immer wieder zu Gewalt auf: Nach dem tödlichen Anschlag eines Palästinensers auf zwei junge israelische Siedler im Februar sagte der israelische Abgeordnete Zvika Fogel aus der Koalitionspartei Otzma Jehudit etwa: "Die Dörfer müssen brennen, wenn die Armee nichts unternimmt. Huwara geschlossen und verbrannt, das ist es, was ich sehen will." Huwara ist eine palästinensische Ortschaft im Westjordanland, in der sich in jüngster Vergangenheit mehrere Anschläge ereigneten.

Korrekturhinweis der Redaktion:
In einer früheren Version des Artikels hiess es, Benjamin Netanjahu habe gesagt, "die Dörfer müssen brennen, wenn die Armee nichts unternimmt. Huwara geschlossen und verbrannt, das ist es, was ich sehen will". Das war falsch, das Zitat stammt vom Abgeordneten Zvika Fogel. Wir entschuldigen uns für den Fehler.
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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Wysel Gyr
29.03.2023 07:18registriert Oktober 2021
Ist es nicht eher der Skandal, dass es unseren Gesellschaften immer noch nicht gelingt, dass solche Gauner nicht gewählt werden?
Eine Hypothese lautet ja, dass wir solche Personen verehren, weil wir selber gerne gleich Erfolgreich wären und bereit dafür sind, das gleich skandalöse Verhalten an den Tag zu legen.
Womit der Skandal auch ist, dass es unseren Gesellschaften weiterhin nicht gut genug geht, dass solch skandalöses Verhalten Anerkennung bekommt.
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