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Was die Lage in Israel mit der Serie «The Handmaid's Tale» zu tun hat

A line of protesters supporting women's rights, dressed as characters from The Handmaid's Tale television series, and other Israelis protest against plans by Prime Minister Benjamin Netanyah ...
Ein roter Streifen zieht am 25. März 2023 durch Tel Aviv, Israel.Bild: keystone

Was die aktuelle Lage in Israel mit «The Handmaid's Tale» zu tun hat

Ein roter Streifen sticht bei den Protesten in Israel aus der Masse hervor. Was hat es damit auf sich?
27.03.2023, 15:5129.03.2023, 04:34
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Stillschweigend und mit dem Blick zum Boden gerichtet marschieren Demonstrantinnen in roten Roben und weissen Hauben bei den Massenprotesten in Israel mit. Dabei gemahnen sie an die Mägde aus der dystopischen Serie «The Handmaid’s Tale – Der Report der Magd», die auf dem gleichnamigen Roman von Margaret Atwood aus dem Jahr 1985 basiert.

Die Geschichte beschreibt eine post-apokalyptisch westliche Gesellschaft, in der Frauen – nach biblischem Vorbild – dem Mann untergeordnet sind. Die Frauen werden entrechtet, missbraucht und ihnen wird der Zugang zu Bildung verwehrt. Stattdessen dienen sie dem Zweck der Fortpflanzung.

Wer die Geschichte kennt, wird beim Anblick dieser Bilder wohl zusammenzucken:

A line of protesters supporting women's rights dressed as characters from The Handmaid's Tale television series and other Israelis protest against plans by Prime Minister Benjamin Netanyahu& ...
Frauen in roten Roben demonstrieren in Tel Aviv gegen die geplante Justizreform, 25. März 2023. Bild: keystone
Protesters supporting women's rights dressed as characters from The Handmaid's Tale TV series protest agains plans by Prime Minister Benjamin Netanyahu's government to overhaul the judi ...
Die Frauen gemahnen an die Erfolgsserie «The Handmaid's Tale».Bild: keystone
Protesters supporting women's rights dressed as characters from The Handmaid's Tale TV series traveling to a protest against plans by Prime Minister Benjamin Netanyahu's new government  ...
Die verkleideten Mägde an einem Bahnhof in Jerusalem.Bild: keystone

Mit der auffälligen Aktion wollen die Frauen vor den Augen der Welt darauf hinweisen, dass Israels Regierungschef Benjamin (Bibi) Netanjahu mit den geplanten Justizreformen eine rote Linie überschreitet. Sie befürchten, dass Israel zu einem Staat wird, in dem Frauen und Minderheiten benachteiligt sind.

Die Ausgangslage des Romans (und der Serie) kann zwar nicht mit der aktuellen Lage in Israel verglichen werden: Atomare Katastrophen sowie Umweltverschmutzung führten dazu, dass der grösste Teil der Bevölkerung unfruchtbar ist. Jene Frauen, die noch Kinder gebären können, werden zu Dienstmägden aka Babymaschinen. Ihre Hauptaufgabe: Kinder für elitäre und unfruchtbare Paare gebären.

Dennoch können mit der umstrittenen Justizreform ein paar Parallelen gezogen werden. «The Handmaid’s Tale» beginnt mit der Entstehung eines autoritären Staats, der die Rechte der Frauen ins Mittelalter zurückwirft. Es herrschen strikte Geschlechtertrennungen. Dies gilt in Israel als rotes Tuch. Eigentlich. Denn die ultraorthodoxen Parteien in der aktuellen Koalition nehmen keine weiblichen Mitglieder auf. So besteht die derzeitige Regierung aus so wenig Frauen, wie seit Jahren nicht mehr.

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Frauen in London haben sich dem Protest angeschlossen.Bild: keystone
epa10538830 Women wearing costumes from the TV series 'The Handmaid's Tale' attend a protest against the Israeli government's planned reform of the justice system, in Jerusalem, Is ...
Israelische Frauen sehen ihre Rechte mit der geplanten Justizreform in Gefahr.Bild: keystone
epa10490535 Women protesters wearing 'Handmaid's Tale' costumes demonstrate near the Dizengoff Square ahead of a mass protest against the government justice system reform plan in Tel Av ...
Frauen versammelten sich zu einem Massenprotest gegen die von der Regierung geplanten Justizreform am Dizengoff-Platz. Bild: keystone

Doch das ist nicht das einzige Problem. Die Demonstrantinnen und Demonstranten fürchten, dass Israel eine Mehrheitsdiktatur einführt. Netanjahu möchte mit der Reform das höchste Gericht schwächen und somit die Gewaltenteilung de facto aushebeln. Dies ermöglicht dem israelischen Parlament, der Knesset, mehr Kontrolle über die Justiz.

So könnte die Regierung nach ihrem Gusto (und ihren Ideologien) Gesetze erlassen – ohne Rücksicht auf Grundrechte und Minderheiten. SRF-Nahostexpertin Susanne Brunner nennt ein Beispiel: «Findet eine Mehrheit, Frauen müssten – wie das religiöse Kreise verlangen – immer hinten im Bus Platz nehmen (...), kann sie ein entsprechendes Gesetz erlassen.»

Im Roman werden auch lesbische und schwule Paare degradiert. Menschen der LGBTQ-Gemeinschaft fürchten sich ebenfalls vor einem solchen Flashback. Bislang galt gerade Tel Aviv in diesem Thema als sehr aufgeschlossen. Doch in orthodoxen Kreisen ist die LGBTQ-Szene ein komplexes Thema.

Todesstrafe für Terroristen

Wer sich in Gilead – dem autoritären Staat aus «The Handmaid's Tale» – gegen die Regierung stellt, dem droht die Todesstrafe. Auch in Israel wollen rechtsradikale Koalitionspartner in Netanjahus Regierung die Todesstrafe für Terroristen einführen. Brunner sagt dazu: «Wenn dies eingeführt wird, ist Israel kein Rechtsstaat mehr.»

Noch ist nichts definitiv. Die Regierung ist nach den heftigen Massenprotesten – sowie den Äusserungen des Verteidigungsministers – unter Druck geraten. Die Abstimmung über Reformen, die einer Revolution gleichen, sind auf Ende Juli verschoben worden.

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37 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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mrmikech
27.03.2023 16:21registriert Juni 2016
Das Buch "The Handmaid's Tale" wurde letztes Jahr in Texas und Florida verboten. Die religiösen Fanatiker werden immer stärker...
1996
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Euca&Lyptus
27.03.2023 16:25registriert Oktober 2021
Habe das Buch vor einigen Jahren gelesen. Hat mich darin bestärkt, dass man Fundis - egal welcher Religion - entschlossen entgegentreten muss.
1806
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Viva Svizzera
27.03.2023 16:44registriert März 2023
Edmund Burke sagte: "Für den Triumph des Bösen reicht es, wenn die Guten nichts tun!“
Es ist beängstigend zu sehen, wie die Demokratie auf allen Kontinenten unter Druck gerät. Warum rennen Menschen diesen Fundamentalisten und religiösen Spinnern nach? Begreifen diese Menschen nicht, dass sie sich dadurch selber die Freiheit nehmen? Wir sind auf dem besten Weg, wieder im Mittelalter zu landen, wenn wir uns nicht knallhart diesen Typen in den Weg stellen.
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