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Ex-Premier Olmert nennt Israels Gaza-Lager «Konzentrationslager»

FILE - Former Israeli Prime Minister Ehud Olmert takes questions from reporters after a news conference in New York, Tuesday, Feb. 11, 2020. (AP Photo/Seth Wenig, File)
Ehud Olmert
Der ehemalige Premier Israels bezeichnet die Regierung Netanjahu als «Feinde im Inneren».Bild: keystone

Israels Ex-Premierminister: «Das ist ein Konzentrationslager»

Ehud Olmert kritisiert die israelische Strategie in Gaza aufs Schärfste. Er warnt vor drohender ethnischer Säuberung.
14.07.2025, 13:3014.07.2025, 13:59
Julius Zielezinski / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Der ehemalige Premierminister Israels, Ehud Olmert, kritisiert die Pläne der israelischen Regierung, in der zerstörten Stadt Rafah ein Zeltlager für Palästinenser zu errichten, scharf. «Das ist ein Konzentrationslager. Es tut mir leid,» so Olmert im Gespräch mit dem britischen Guardian.

Die Regierung Netanjahus bezeichnet dieses Lager als «Humanitäre Stadt» in der vorerst rund 600'000 Menschen untergebracht werden sollen. Langfristig plant die Regierung aber die Umsiedlung eines Grossteils der mehr als zwei Millionen Menschen, die im Gazastreifen leben, in das Lager. Sobald sich die Menschen in dem Lager befinden, sollen sie dieses nicht mehr verlassen dürfen.

«Es geht darum, sie zu deportieren»

«Wenn die Palästinenser in die neue 'humanitäre Stadt' deportiert werden, dann kann man sagen, dass dies Teil einer ethnischen Säuberung ist,» so Olmert.

«Es geht darum, sie [die Palästinenser] zu deportieren, zu vertreiben und wegzuwerfen.»
Ehud Olmert

«Wenn sie ein Lager errichten, in dem sie mehr als die Hälfte von Gaza 'säubern' wollen, dann ist die unvermeidliche Schlussfolgerung aus dieser Strategie, dass es nicht darum geht, die Palästinenser zu retten. Es geht darum, sie zu deportieren, zu vertreiben und wegzuwerfen. Zumindest habe ich keine andere Interpretation dafür,» führt er weiter aus. Erklärt aber auch, dass die bisherige Kriegsführung der israelischen Armee keine Form der ethnischen Säuberung sei.

People live in tents amid the destruction of Israel's air and ground offensive in Jabaliya, Gaza Strip, Feb. 16, 2025. (AP Photo/Mohammad Abu Samra)
AP Top Photos of the Month February 2025
Palästinenser und Palästinenserinnen leben in Zelten inmitten der Zerstörungen der israelischen Luft- und Bodenoffensive in Jabaliya im Gazastreifen.Bild: keystone

Trotzdem zeigt er sich im Gespräch mit dem «Guardian» tief bestürzt über die Vorgänge im Gazastreifen, obwohl er nach dem Angriff der Terrororganisation Hamas die Militäroperation unterstützt habe. Doch er sei «beschämt und untröstlich», wie sich die anfängliche Selbstverteidigung Israels in etwas so Entsetzliches entwickeln konnte. Besonders zu schaffen machen würden, ihm die vielen unbeteiligten Todesopfer dieses Kriegs. Das sei auch der Grund, warum er der Regierung vorwerfe, an Kriegsverbrechen beteiligt zu sein.

Nicht jede Kritik antisemitisch

Daher glaubt er auch nicht, dass jede Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung nur durch Antisemitismus zu erklären sei. «„Wir machen uns selbst zu leicht, wenn wir sagen: ‚Das sind Antisemiten.‘ Ich glaube nicht, dass sie nur Antisemiten sind, ich glaube, viele von ihnen sind anti-israelisch, wegen der Dinge, die sie im Fernsehen und den sozialen Medien sehen. Es ist eine schmerzhafte, aber normale Reaktion, dass die Menschen sagen: 'Hey, ihr habt jede mögliche Grenze überschritten.'»

Olmert fordert von der internationalen Gemeinschaft mehr Druck auf die israelische Regierung. Das Verhalten von Netanjahu und seinen Ministern, so Olmert weiter, würde auf lange Sicht eine grössere Gefahr für die Sicherheit Israels darstellen als jeder Feind von aussen. Sie seien «der Feind im inneren». Es sei ihm vollkommen unvorstellbar, wie unter diesen Umständen ein Mensch wie Netanjahu, gegen den ein Strafbefehl wegen Kriegsverbrechen vorliegt, jemanden wie Donald Trump für einen Friedensnobelpreis vorschlagen könne.

Trotz all dem habe er bisher nicht die Hoffnung aufgegeben, dass man gemeinsam mit den Palästinensern eine Zwei-Staaten-Lösung finden könne. Er selbst arbeite mit dem ehemaligen palästinischen Aussenminister Nasser al-Kidwa an der Ausarbeitung eines solchen Plans. Olmert, der von 2006 bis 2009 Premierminister war, war der letzte Staatschef Israels, der ernsthafte Verhandlungen mit den Palästinensern über einen unabhängigen palästinensischen Staat geführt hatte.

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121 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Anti-Putin
14.07.2025 14:06registriert Februar 2016
Ich bin froh, dass es Israelis und Juden wie ihn gibt, die klar sagen, dass Kritik an die israelische Regierung nicht das Gleiche wie Antisemitismus ist.
21010
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Wusu
14.07.2025 14:02registriert Juli 2022
Ich bin froh für diese Stimme aus Israel - ich stimme vollkommen mit ihm überein.
18911
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Glücklich
14.07.2025 14:01registriert August 2022
‚Ehud Olmert kritisiert die israelische Strategie in Gaza aufs Schärfste. Er warnt vor drohender ethnischer Säuberung‘

Die ist schon lange im Gange …
15219
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