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Biden trotz Kritik zu politischen Gesprächen in Saudi-Arabien

Biden trotz Kritik zu politischen Gesprächen in Saudi-Arabien – Treffen mit «MBS»

15.07.2022, 18:0715.07.2022, 22:55
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Ungeachtet anhaltender Kritik wegen der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ist US-Präsident Joe Biden zu politischen Gesprächen in die streng konservative Golfmonarchie gereist. Biden traf bei seiner Nahostreise am Freitagabend in der Küstenstadt Dschidda ein. Noch am Abend sollte er dort König Salman und Kronprinz Mohammed bin Salman treffen. Es ist die erste Begegnung eines US-Präsidenten mit dem Kronprinzen ausserhalb internationaler Gipfel seit dem Mord am Journalisten Jamal Khashoggi vor bald vier Jahren.

U.S. President Joe Biden waves before his departure to Saudi Arabia from Ben Gurion airport in Lod near Tel Aviv, Israel Friday, July 15, 2022. (Abir Sultan/Pool Photo via AP)
Biden winkt zum Abschied am Flughafen in Tel Aviv. Nächster Stopp: Saudi Arabien.Bild: keystone

Kühler Empfang für Biden in Saudi-Arabien durch Gouverneur von Mekka

Biden hat bei seiner Ankunft in Saudi-Arabien im Vergleich zu seinem Vorgänger Donald Trump einen äusserst kühlen Empfang bekommen. Am Flughafen der Küstenstadt Dschidda begrüssten ihn am Freitag Chalid al-Faisal, Gouverneur von Mekka, und Rima bint Bandar, Botschafterin in den USA - mit Blick auf deren Rang eine deutliche Abfuhr für den US-Präsidenten. Die Ankunft stand auch im starken Kontrast zu Bidens Ankunft in Israel, wo dessen Präsident Izchak Herzog und Ministerpräsident Jair Lapid ihn zuvor mit einer feierlichen Zeremonie empfangen hatten.

President Joe Biden is greeted by officials as he arrives at King Abdulaziz International Airport, Friday, July 15, 2022, in Jeddah, Saudi Arabia. (AP Photo/Evan Vucci)
Joe Biden
Biden wird nach seiner Ankunft am King Abdulaziz International Airport in Jeddah, Saudi Arabien, begrüsst.Bild: keystone

Der kühle Empfang erinnert an einen Besuch von Ex-US-Präsident Barack Obama, der 2016 in Riad vom dortigen Gouverneur Prinz Faisal bin Bandar Al Saud empfangen wurde. Obamas Ankunft wurde zudem nicht im saudischen Staatsfernsehen übertragen, wie es bei Besuchen von Staats- und Regierungschefs in dem Königreich üblich ist. Kurz zuvor war König Salman zu sehen, der am Rollfeld stattdessen andere ranghohe Vertreter von Nachbarstaaten aus der Region begrüsste.

Donald Trump, der als US-Präsident besonders gute Beziehungen zu den Herrschern des Königreichs pflegte, wurde bei einem Besuch in Riad 2017 wärmstens in Empfang genommen. König Salman begrüsste Trump am Flughafen, Trump legte seinerseits später eine Einlage bei einem Säbeltanz hin und verbeugte sich tief vor dem absoluten Herrscher. Der Besuch war voll warmer und grosszügiger Gesten.

U.S. President Donald Trump, top right, accompanied by first lady Melania Trump, center, shakes hands with Saudi King Salman during a welcome ceremony at the Royal Terminal of King Khalid Internationa ...
Donald Trump wurde nach seiner Ankunft in Saudi Arabien im Mai 2017 von King Salman begrüsst.Bild: AP/AP

Spricht Biden den Khashoggi-Mord beim Kronprinzen an?

Biden verteidigte die Reise vorab und während seines ersten Stopps in Israel gegen Kritik. Der US-Präsident will nach Angaben seines Sicherheitsberaters Jake Sullivan die Menschenrechtslage in der Golfmonarchie ansprechen. Sullivan sagte auf dem Flug von Tel Aviv nach Dschidda, Biden werde darüber öffentlich und bei seinen Treffen hinter verschlossenen Türen reden. «Der Präsident ist weiterhin fest entschlossen, die Sache der Menschenrechte voranzutreiben.»

Khashoggi war 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul von einem Killerkommando auf brutale Weise getötet worden. US-Geheimdienste sehen den Kronprinzen - auch bekannt unter seinem Kürzel «MBS» - in der direkten Verantwortung. Dieser hat bestritten, die Tötung selbst angeordnet zu haben.

Das Treffen mit dem Kronprinzen sei ein «Verrat an Unterstützern der Menschenrechte und saudischen Dissidenten, die so viel mehr vom Präsidenten erwarten», schrieb Abdullah Alaudh von der Demokratie-Organisation DAWN mit einem weiteren Autor vor Bidens Reise. Khashoggi hatte die Organisation vor seinem Tod in die Wege geleitet. Im Kampf um Freiheit und Klimaschutz könne das Signal der Reise kaum schlechter sein, erklärten die Autoren auch mit Blick auf Saudi-Arabien als einem der weltgrössten Ölproduzenten.

Erster greifbarer Erfolg der Biden-Reise

Als Zeichen der Entspannung sowie als greifbarer Erfolg für Biden öffnete das Königreich seinen Luftraum für Flüge von und nach Israel. Biden sprach von einem «historischen» Schritt auf dem «Weg zu einer stärker integrierten und stabileren Nahost-Region». Die Öffnung sei auch dank der monatelanger Bemühungen seiner und der saudischen Regierung möglich geworden, erklärte er.

Die Luftfahrtbehörde Saudi-Arabiens teilte in der Nacht zu Freitag mit, dass der saudische Luftraum künftig «für alle Fluggesellschaften geöffnet wird, die die Voraussetzungen der Behörde für einen Überflug erfüllen». Israel und Saudi-Arabien unterhalten keine diplomatischen Beziehungen, die Regierung in Riad erkennt das Land als Staat nicht an. Wohl auch deshalb nahm die offizielle Mitteilung der saudischen Seite nicht ausdrücklich Bezug auf Israel. In Bidens Mitteilung war dagegen explizit von Flügen von und nach Israel die Rede.

«Was für eine dumme Frage» - Biden antwortet barsch

Auf die Frage einer Journalistin hat Biden schroff reagiert. «Was für eine dumme Frage», sagte Biden am Freitag zu einer Reporterin. Die Frau fragte den US-Präsidenten, wie er sich sicher sein könne, dass es nicht noch einmal zu einem Mord wie dem an dem saudischen Regierungskritiker Jamal Khashoggi kommen könne. «Wie soll ich mir da sicher sein können?», sagte Biden weiter. Er könne überhaupt nichts vorhersagen - schon gar nicht für Saudi-Arabien oder einem anderen Teil der Welt.

Biden hatte bereits im Januar auf die Frage eines Journalisten wenig freundlich reagiert - allerdings waren seine Worte damals noch viel schärfer. Als der Reporter dem Präsidenten am Rande eines öffentlichen Auftritts in Washington eine Frage zuwarf, murmelte Biden - hörbar für alle, da sein Mikrofon noch angeschaltet war: «What a stupid son of a bitch.» Im Englischen ist «son of a bitch» ein Schimpfwort, dessen unschmeichelhafte Palette an Bedeutungen weit reicht: von «Bastard» oder «Scheisskerl» bis hin zur sehr wörtlichen und eher ungebräuchlichen Übersetzung «Hurensohn».

Kürzere Flugzeiten bei Reisen von und nach Israel

«Nach einem langen und geheimen Prozess und intensiver Diplomatie mit Saudi-Arabien und den USA wachen wir heute Morgen mit einer erfreulichen Nachricht auf», teilte der neue Regierungschef Jair Lapid mit. Er dankte der saudischen Führung für die Entscheidung. Sie bedeutet für Reisende etwa aus Ostasien deutlich kürzere Flugzeiten auf dem Weg von und nach Israel.

Ursprünglich hatte für Flüge von und nach Israel ein nahezu komplettes Überflugverbot über Saudi-Arabien gegolten. Dieses hatte die Golfmonarchie aber bereits für Flüge zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie Bahrain aufgehoben. Die beiden Golfländer hatten unter Vermittlung der USA 2020 diplomatische Beziehungen zu Israel aufgenommen.

Der gemeinsame Feind Iran

Ein Beitritt Saudi-Arabiens gilt als unwahrscheinlich. Hinter den Kulissen arbeiten die beiden Länder etwa in Sicherheitsfragen schon länger zusammen. Sie fühlen sich vom gemeinsamen Feind Iran bedroht und sehen dessen wachsenden Einfluss in der Region sowie dessen Atom- und Raketenprogramm mit Sorge. Um den Iran dürfte es auch bei einem Gipfel des Golf-Kooperationsrats am Samstag gehen, an dem Biden vor seiner Rückreise in die USA teilnehmen wollte.

Am Donnerstag war Biden in Jerusalem mit Regierungschef Lapid zusammengekommen. Beide hatten danach betont, dass dem Iran nicht gestattet werden dürfe, an Atomwaffen zu gelangen. Vor seiner Weiterreise nach Saudi-Arabien traf Biden in Bethlehem Palästinenserpräsident Mahmud Abbas.

U.S. President Joe Biden shakes hands with Israel's Prime Minister Yair Lapid before his departure to Saudi Arabia from Ben Gurion airport near Tel Aviv, Israel Friday, July 15, 2022. On the righ ...
Biden verabschiedet sich von Israels Regierungschef Yair Lapid.Bild: keystone

Kein echter Fortschritt im Nahost-Konflikt

Biden sprach sich danach erneut für eine Zwei-Staaten-Lösung im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern aus. «Das palästinensische Volk verdient einen eigenen Staat, der unabhängig, souverän, lebensfähig und zusammenhängend ist», sagte Biden. Er wisse aber, dass das Ziel in weiter Ferne zu liegen scheine. Abbas forderte die USA zur Anerkennung eines palästinensischen Staates auf.

Mit Zwei-Staaten-Lösung ist gemeint, dass ein unabhängiger, demokratischer und entmilitarisierter Staat der Palästinenser friedlich an der Seite Israels existiert. Der Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern liegt seit 2014 brach. Bidens Besuch brachte keinen echten Fortschritt in dem Konflikt. (sda/dpa)

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