Der Gaza-Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas im Gazastreifen geht auch in der neunten Woche in unvermindert brutaler Härte weiter. In der südlichen Stadt Chan Junis, die als Hochburg der Hamas gilt, sowie in Dschabalia im Norden Gazas habe die israelische Armee ihre Angriffe in der Nacht zum Sonntag fortgesetzt, meldete die «Times of Israel» unter Berufung auf palästinensische Berichte. Man habe inzwischen etwa 7000 Hamas-Terroristen getötet, hatte am Vorabend Israels Nationaler Sicherheitsberater Zachi Hanegbi dem Sender Channel 12 gesagt. Israel macht Jagd auf Hamas-Chef Jihia al-Sinwar, der wolle, dass die Hamas bis zum bitteren Ende kämpft.
Sinwar soll sich kurz nach Beginn des Krieges in einem Hilfskonvoi in den Süden des abgeriegelten Küstenstreifens abgesetzt haben, meldeten israelische Zeitungen unter Berufung auf Informationen des Senders Kan. Israels Armee ist dabei, öffentlich den Eindruck zu vermitteln, dass die Hamas ins Schwanken geraten ist. Armeesprecher Daniel Hagari erklärte, Terroristen und Hamas-Kommandeure, die sich ergeben haben, hätten ausgesagt, dass sich ihre Kämpfer in einer «schwierigen Lage» befänden und die Hamas-Führung unter Sinwar die «Realität leugnet». Keine dieser Angaben kann von unabhängiger Seite überprüft werden.
In der Nacht zum Sonntag kursierte ein Video aus dem nördlichen Gazastreifen im Internet, auf dem laut der «Times of Israel» ein mutmasslicher Hamas-Kämpfer zu sehen sei. Der Mann tritt aus einer Reihe Männer, die wie er nur mit Unterhose bekleidet sind, mit erhobener Waffe hervor, geht an einem Panzer vorbei und legt sie vor einem israelischen Soldaten nieder. Die Szene zeige, wie sich die Männer den israelischen Truppen ergeben, hiess es in dem Bericht. Ihre Identität konnte jedoch zunächst nicht unabhängig überprüft werden.
Bereits in den Tagen zuvor hatten israelische Medien Bilder von Dutzenden im Gazastreifen festgenommenen Palästinensern in Unterhosen veröffentlicht. Auch deren Identität war zunächst unklar. Ob sich tatsächlich immer mehr Hamas-Kämpfer ergeben und wieviele Leute die Hamas aus dem weit verzweigten Tunnelsystem unter Gaza heraus weiter im Kampf gegen die israelische Armee befehligt, ist unklar. In den vergangenen Tagen hatte die Hamas weiter Raketen auf Israel gefeuert.
Israelische Einheiten seien sehr nah an Kommandozentralen der Hamas in Dschabalia und Schedschaija herangerückt, sagte derweil Hanegbi. Eine totale Niederlage der Hamas werde auch den Weg zur Befreiung von derzeit noch 138 Geiseln aus der Gewalt der Islamisten frei machen.
Das US-Aussenministerium treibt unterdessen den Verkauf von knapp 14'000 Schuss Panzermunition an Israel voran und umgeht dabei ein Prüfverfahren im US-Kongress, das normalerweise bei Waffenverkäufen an andere Staaten vorgeschrieben ist. Das Ministerium beruft sich dabei auf eine Dringlichkeitsklausel im Waffenexportkontrollgesetz, wie aus einer am Samstag veröffentlichten Mitteilung hervorgeht. Die USA hatten zuvor im Weltsicherheitsrat einen Resolutionsentwurf für einen humanitären Waffenstillstand per Veto zum Scheitern gebracht.
Derweil wird die Lage der palästinensischen Zivilisten immer unerträglicher. Laut der UN ist die Hälfte der Bevölkerung im Gazastreifen inzwischen am Hungern. Berichten zufolge trinken Kinder Meerwasser aus Mangel an sauberem Trinkwasser. Es komme zu Fällen von Durchfall und anderen Krankheiten in den Notunterkünften, hiess es. Das Nasser-Krankenhaus in der umkämpften Stadt Chan Junis ist nach Darstellung seines Direktors wegen der vielen Opfer nicht mehr Herr der Lage. «Wir haben die Kontrolle verloren», sagte Nahe Abu Taima der BBC. In der Notaufnahme kämen Hunderte Verletzte und Tote an.
Der Gaza-Krieg überschattet auch Ägyptens Präsidentenwahl, die am Sonntag beginnt. Es wird erwartet, dass Amtsinhaber Abdel Fattah al-Sisi die Wahl erneut für sich entscheiden wird. In Ägypten gibt es die Sorge, dass die zu seinem Land gehörende und an Gaza grenzende Sinai-Halbinsel zum Ausgangsort neuer Angriffe auf Israel werden könnte, wenn Bewohner des Küstenstreifens wegen des Krieges dorthin flüchten. Gleichzeitig befürchtet die Regierung in Kairo, dass aus einer Massenflucht eine dauerhafte Vertreibung werden könnte.
Die schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen haben derweil gedroht, künftig Schiffe jeglicher Nationalität auf dem Weg nach Israel an der Durchfahrt im Roten Meer zu hindern. In einer Erklärung vom Samstagabend hiess es, nur Frachtern, die Hilfsgüter für den Gazastreifen lieferten, würde die Durchfahrt gewährt. Alle anderen würden zum «legitimen Zielen unserer Streitkräfte». Die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen greifen Israel seit Ausbruch des Gaza-Krieges immer wieder unter anderem mit Drohnen und Raketen an.
In Genf tagt der Exekutivrat der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Lage in den von Israel besetzten Gebieten. In Ägypten beginnt die Präsidentenwahl. (sda/dpa)