Die Dürre trifft Italien hart – und das bereits im Winter.
Flüsse und Seen leiden unter starkem Wassermangel. Der Po – die Lebensader Italiens, die von den Alpen im Nordwesten bis zur Adria fliesst – droht zur Wüste zu werden. Der Wasserstand des längsten Flusses Italiens liegt 61 Prozent unter dem Normalstand. Einen historischen Tierpunkt hat der grösste See Italiens, der Gardasee, bereits erreicht.
Und dies noch vor dem Frühling – jener Jahreszeit, in welcher der Wasserbedarf durch die landwirtschaftliche Bewässerung deutlich zunehmen wird.
Die prekäre Lage in sieben Punkten:
Es ist ein trauriger Rekord: Der Wasserstand des Gardasees war im Februar seit Messbeginn noch nie so tief wie 2023.
Seit über einem Monat hat es nicht mehr geregnet und kaum geschneit. «Wir haben einen der trockensten Sommer der Geschichte geerbt und jetzt gibt in diesem Winter seit Monaten keine richtigen Niederschläge», sagt Pierlucio Ceresa, Generalsekretär des Verbands der Gardasee-Gemeinden.
Der Wassermangel ist mit blossem Auge zu erkennen. Vom Festland aus erreicht man die Insel Isola dei Conigli zu Fuss durch einen Gehweg, der sich aufgrund des tiefen Pegels gebildet hat.
La #siccità colpisce anche i grandi laghi italiani. Alessandro Filippini è andato sul #Garda pic.twitter.com/9LtI56XFCW
— Tg2 (@tg2rai) February 20, 2023
Ungewöhnliches spielt sich auch in Venedig ab. Die Lagune liegt auf dem Trockenen.
Normalweise wird Venedig im Winter von Hochwasser heimgesucht. Derzeit erlebt die Stadt auf dem Wasser einen ungewöhnlich tiefen Pegelstand. Einige Flüsse der Lagunenstadt sind ausgetrocknet. Viele Gondoliere können ihre Arbeit nicht verrichten.
Die Bilder sprechen für sich:
Nicht weniger drastisch ist Situation des Po, des längsten Flusses Italiens. Der Fluss weist ein Wasserdefizit von 61 Prozent auf. Satellitenbilder zeigen die Sandbänke, welche sich aufgrund des Wassermangels gebildet haben.
#Drought emergency in #Italy again in February.
— ADAM Platform (@PlatformAdam) February 15, 2023
The comparison between the #Copernicus #Sentinel2 images (Feb. 2021 and 2023) is merciless, confirming water stress already occurring.#Siccità nel N. #Italia: #Po sempre più secco. Qui il confronto satellitare. #ClimateEmergency pic.twitter.com/HZX7IhP05C
Der Fluss ist das Hauptwasserreservoir des Landes. Noch. Denn: Der Po dürstet nach Regen. Im letzten Jahr hat die Lebensader ihren niedrigsten Stand seit 70 Jahren – mit einem Wasserdefizit von 72 Prozent – erreicht. Die Regierung hatte in mehreren Regionen den Notstand ausgerufen, Wasser musste rationiert werden.
Der Po ist vor allem die Lebensader der norditalienischen Landwirtschaft. Die Po-Ebene ist eines der fruchtbarsten Gebiete Italiens und macht rund ein Drittel der landwirtschaftlichen Produktion des Landes aus.
Die Bauern sind bereits in Alarmstimmung.
Wasserrationierung und begrenzte Feldbewässerung drohen zum Alltag zu werden, warnte der italienische Landwirtschaftsverband Coldiretti. Besonders Obstbäume, Mais- und Gemüsefelder seien bedroht. Auch bei der Reisernte sehe es düster aus. In diesem Jahr können Coldiretti zufolge rund 8000 Hektar weniger Reis angebaut werden. Um zur Normalität zurückzukehren, müsste es über einen Monat lang regen.
Die Aussage bestätigt Valter Maggi, Professor des Italienischen Glaziologischen Komitees: «Es bräuchte lange und regelmässige Regenperioden, um einen Wassermangel noch beheben zu können.»
Die Bauern sind nicht die Einzigen, die Alarm schlagen.
In den Feuchtgebieten sind Hunderte von Tieren beheimatet. Über 350 Vogelarten nisten sich im Po-Delta – dem Naturschutzgebiet in Venetien – ein, um zu überwintern. Umweltschützer warnen davor, dass die Lebensräume in den Feuchtgebieten entlang des Po in ernsthafter Gefahr sind. Besonders bedroht seien Fische, Frösche und Vögel.
Italien erlebte im letzten Jahr einen der schlimmsten Dürre-Sommer seit Messbeginn. Fehlende Niederschläge in Kombination mit sehr hohen Temperaturen erschöpften die Wasservorräte des Landes.
Im Herbst nahmen die Niederschläge wieder zu, die Lage verbesserte sich – allerdings nur vorübergehend.
Emanuele Romano, Forscher am italienischen Institut für Wasserforschung, erklärt dies folgendermassen:
Es werde mindestens zwei Jahre dauern, bis man feststellen könne, welche Auswirkungen die letzte Dürre auf die Lebensader habe.
Die italienische Umweltschutzorganisation Legambiente spricht mittlerweile nicht mehr von Dürrewellen, sondern gar von einem Dürrenotstand, der nie wirklich enden wird. Die Organisation appelliert an die Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und fordert eine nationale Wasserstrategie.
Legambiente listet eine Reihe von Massnahmen auf, die zur Bewältigung der Krise zu ergreifen seien: Wasserverluste durch Aquädukte reduzieren, Landwirtschaft mit Pflanzen betreiben, die weniger Wasser benötigen, sowie neue Reservoirs zum Sammeln von Regenwasser schaffen.
Auch in der Schweiz wird es im Frühjahr kein Schmelzwasser geben, da das bisschen Schnee in den Bergen grossmehrheitlich jetzt schon weg ist.