International
Italien

Berlusconi gibt Putin eine Bühne: Warum Italien Propaganda-anfällig ist

Berlusconis Propaganda-Bühne: Darum ist Italien so anfällig für die Putin-Lügen

Sensations-Hascherei in den Talkshows und die intransparente Rolle der russischen Botschaft in Rom führen zu einem heiklen Mix. Jetzt wird Italiens Parlament aktiv. Ob das etwas bewirkt, bleibt äusserst fraglich.
11.05.2022, 15:58
Virginia Kirst, Rom / ch media
Mehr «International»

Am 1. Mai war es dann selbst für italienische Verhältnisse ein Auftritt zu viel. Gleich zwei Russen, die auf der EU-Sanktionsliste stehen, durften am Tag der Arbeit ausführlich ihre Positionen im italienischen Fernsehen erläutern: der russische Aussenminister Sergei Lawrow und Wladimir Solowjow, russischer TV-Journalist und Putins inoffizieller Chef-Propagandist.

FILE - In this April 26, 2010 file photo Italian former Premier Silvio Berlusconi, right, and Russian Prime Minister Vladimir Putin talk during a press conference at Villa Gernetto, in Gerno, near Mil ...
Putin und Berlusconi bei einem Treffen im Jahr 2010.Bild: AP

Krude Thesen ungefiltert

Insbesondere Lawrows 43-minütiges Interview mit «Rete4», einem Privatsender des ehemaligen Regierungschefs und Medienmoguls Silvio Berlusconi, machte international Schlagzeilen. Putins Minister konnte seine kruden Thesen («die Ukraine ist von Nazis regiert», «die Juden sind die eifrigsten Antisemiten») auf dem Berlusconi-Sender ziemlich unwidersprochen verbreiten. Putin persönlich hat sich danach offenbar beim israelischen Premierminister für Lawrows Auftritt entschuldigt.

>> Alle aktuellen Entwicklungen zum Ukraine-Krieg im Liveticker

Lawrows Auftritt war dabei alles andere als aussergewöhnlich: Seit Beginn des Ukraine-Kriegs erhalten russlandfreundliche Meinungen im italienischen Fernsehen eine bemerkenswert grosse Bühne: So gross, dass jetzt sogar der parlamentarische Sicherheitsausschuss aktiv geworden ist.

Der russische Aussenminister Sergei Lawrow im italienischen Fernsehen.
Der russische Aussenminister Sergei Lawrow im italienischen Fernsehen.screenshot: mediaset

Die Parlamentarier untersuchen derzeit, ob die hohe Präsenz «ausländischer Kommentatoren» in italienischen Talkshows in Tat und Wahrheit eine gut koordinierte russische Desinformationskampagne ist. Vorgeladen ist auch Carlo Fuortes, der Chef des öffentlich-rechtlichen Senders RAI. Auch in den Studios des Staatssenders gehen derzeit auffällig viele Personen ein und aus, die auf der Kreml-Lohnliste stehen.

Verschwörungstheorien in Talkshows

Beispielsweise die russische Journalistin Nadana Fridrikhson, die hauptberuflich für den vom russischen Verteidigungsministerium betriebenen Fernsehsender «Zvezda» arbeitet. Im italienischen Fernsehen hatte sie wiederholt gesagt, dass die «russische Spezialoperation» dazu diene, den Krieg zu beenden, «den das US-gestützte Regime in Kiew» begonnen habe. Ein anderes Beispiel ist die aussenpolitische Sprecherin Maria Zakharova, die im italienischen TV Verschwörungstheorien über das Massaker von Butscha verbreitete - und trotzdem weiterhin in Talkshows eingeladen wurde.

Dass italienische Sender immer wieder Leute einladen, die gefährliche Kreml-Propaganda verbreiten, überrascht Francesco Costa nicht. Der stellvertretende Chefredaktor der Online-Zeitung «il Post» sagt:

«Italienische Talkshows wollen nicht informieren, sondern unterhalten.»

Besonders offensichtlich sei das bei den Talkshows: «Das Ziel der Sendungen ist, einen möglichst grossen Skandal zu entfachen, damit beim nächsten Mal mehr Zuschauer einschalten.» Als Konsequenz dieser Skandal-Hascherei sagen etablierte Experten ihre Teilnahme an solchen Talkshows immer häufiger ab, weil sie nicht länger die immergleichen falschen Argumente widerlegen wollen.

Costa sagt, dass dieses Problem in Italien im Vergleich zu anderen Ländern besonders gross sei:

«Die russische Propaganda existiert auch in anderen Ländern. Aber in Italien ist sie viel präsenter.»

Das liege daran, dass das Fernsehen weiterhin der wichtigste Informationskanal sei und es in Italien entsprechend viele politische Talkshows gebe. Dieses Sendeformat sei günstig zu produzieren und erwecke den Anschein von Aktualität - auch wenn die Qualität der Inhalte häufig von zweifelhafter Qualität sei.

Am Ende wird kein Verbot stehen

Bleibt abzuwarten, ob Costas Begründung allein die starke Präsenz Kreml-naher Gäste in den Talkshows erklärt, oder ob der Parlamentsausschuss in seinen Anhörungen noch weitere Gründe herausfindet. Untersucht werden soll etwa, wonach die Redaktionen ihre Gäste auswählen und ob es dabei allenfalls sogar Absprachen mit der russischen Botschaft gibt.

Klar ist jetzt schon, dass am Ende der Untersuchung - zumindest für die privaten Sender - kein Verbot stehen wird, sondern bestenfalls eine Empfehlung. Schliesslich gilt auch in Italien die Pressefreiheit. Selbst dann, wenn Moskau sie geschickt für die eigenen Zwecke nutzt. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
23 Bilder, die Russlands Militärparade auf den Punkt bringen
1 / 25
23 Bilder, die Russlands Militärparade auf den Punkt bringen
Russland begeht am 9. Mai mit dem «Tag des Sieges» über Nazi-Deutschland seinen wichtigsten Feiertag.
quelle: imago-images
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Russischer Tag des Sieges: Putins Rede zum Ukraine-Krieg
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
25 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
stegiKnüller
11.05.2022 16:51registriert Dezember 2020
es ist schon erschreckend, wie nachhaltig berlusconi noch immer manipuliert. sogar die Amis machten den Fehler mit der Orange ((bis jetzt und hoffentlich nie mehr) nur ein Mal und in Deutschland wurde a . h . einmal aber leider länger an der Macht gelassen. die geliebten Italiani wählten den korrupten Silvio DREI MAL...
718
Melden
Zum Kommentar
avatar
Devilduck
11.05.2022 19:21registriert Juli 2018
So käme es dann eben heraus wenn die SVP, wie von ihr gefordert, mehr Präsenz bei SRF erhielte.
356
Melden
Zum Kommentar
avatar
butlerparker
11.05.2022 16:11registriert März 2022
Was gibt es Schöneres, als wenn sich die RUS Propaganda selbst entlarvt. Aufgabe der unabhängigen Medien sollte sein, dies aufzudecken und bloß zu stellen. Nennt man Demokratie, was Rede-und Pressefreiheit beinhaltet. So etwas wie das Interview von Lawrov oder auch Tolstoi "wir werden erst vor der polnischen Grenze haltmachen".

Besser kann man es doch gar nicht geliefert bekommen
323
Melden
Zum Kommentar
25
Eurojackpot mit 120 Millionen Euro geknackt
Je ein Lottospieler oder eine Tippgemeinschaft aus Deutschland und aus Slowenien haben den mit 120 Millionen Euro gefüllten Eurojackpot geknackt. Es lagen nach zwölf Ziehungen ohne Hauptgewinn gleich zwei Spieler oder zwei Tippgemeinschaften richtig.

Die Gewinnzahlen lauteten 2, 3, 6, 15, 35 und den beiden Eurozahlen 1 und 3, wie Westlotto am Dienstag nach der Ziehung in Helsinki mitteilte. Die Glückspilze dürfen sich den Gewinn nun teilen.

Zur Story