«Wenn Italien ruft, sind wir da», erklärte Albaniens Premier Edi Rama in Rom an einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Und diese wiederum sprach von einem «historischen, innovativen Pakt» zwischen den beiden benachbarten Adria-Ländern. Wie historisch und vor allem wie innovativ das neue Abkommen zwischen Rom und Tirana wirklich sein wird, bleibt erst einmal abzuwarten - überraschend war die Ankündigung allemal.
Der Sozialist Rama und die Postfaschistin Meloni haben die Pläne bis zuletzt geheim gehalten; weder das italienische noch das albanische Parlament, die den Pakt noch ratifizieren müssen, waren über die Pläne dieses fragwürdigen Migranten-Outsourcings informiert worden.
Konkret haben Meloni und Rama vereinbart, dass Italien auf albanischem Gebiet zwei grosse Asylzentren mit insgesamt 3000 Plätzen bauen und betreiben kann. In die beiden Lager sollen ausschliesslich Migranten gebracht werden, die im Mittelmeer von der italienischen Küstenwache oder von Schiffen der Finanzpolizei gerettet werden. Minderjährige Asylsuchende, schwangere Frauen und verletzliche Personen sollen weiterhin nach Italien gebracht werden. Die Selektion wird bereits auf den Rettungsschiffen vorgenommen.
Die privaten Seenotretter werden die Migranten weiterhin nach Italien bringen können, wenn auch wie gehabt in Häfen, die sich möglichst weit vom zentralen Mittelmeer entfernt befinden, damit die von der italienischen Rechtsregierung nicht gerne gesehene Rettungstätigkeit der NGO-Schiffe weiterhin stark erschwert wird.
Ein erstes Lager soll in der albanischen Hafenstadt Shengjin gebaut werden; es wird als Erstaufnahmezentrum dienen, in welchem die Flüchtlinge von italienischen Beamten identifiziert und registriert werden. Das zweite Lager soll in der etwa 20 Kilometer entfernten Stadt Gjader entstehen; in dieser Einrichtung sollen die Migranten ihr Asylgesuch stellen können und, im Fall einer Ablehnung, bis zu ihrer Abschiebung interniert werden.
Beide Zentren sollen der italienischen Rechtssprechung unterliegen; für die Lager ist ein extraterritorialer Status wie etwa für Auslandbotschaften vorgesehen. Bei der externen Bewachung der Lager soll Albanien beteiligt werden; die Kosten für den Betrieb werden aber vollumfänglich von Italien übernommen, versicherten sowohl Meloni als auch Rami. Die Zentren werden voraussichtlich im kommenden März ihren Betrieb aufnehmen.
Eine finanzielle Gegenleistung Roms an Albanien für die Bereitstellung seines Territoriums sei nicht vorgesehen, versicherte Premier Rami treuherzig. Albanien tue dies einzig aus Dankbarkeit und Freundschaft gegenüber Italien, das Albanien in den Neunzigerjahren, als Zehntausende albanische Staatsangehörigkeit vor der Armut in ihrem Land über die Adria nach Apulien flüchteten, ebenfalls grosszügig unterstützt und nie eine Gegenleistung verlangt habe.
Es gehe darum, Italien «in einer schwierigen Situation etwas Atem zu verschaffen», betonte Rami in Rom und spielte damit auf die bereits 145'000 Bootsflüchtlinge an, die seit Anfang Jahr in Italien gelandet sind. Giorgia Meloni wiederum erklärte, dass man Albanien in Brüssel bei den Beitrittsverhandlungen in die EU unterstützen werde.
Meloni erklärte, dass dank des von ihrer Regierung auf 28 Tage verkürzten Asylverfahrens sehr viel mehr als 3000 Migranten jährlich nach Albanien gebracht werden könnten: Sie geht von bis zu 39'000 Personen aus. Wie realistisch dies ist, wird sich erst noch weisen müssen. Denn selbst wenn die Asylverfahren in Albanien tatsächlich in vier Wochen erledigt wären - was bezweifelt werden darf -, wird die Abschiebung der abgelehnten Asylbewerber erfahrungsgemäss sehr viel mehr Zeit in Anspruch nehmen.
Dies schon allein deshalb, weil Italien nur mit vier Herkunftsländern entsprechende Abkommen hat und auch diese Vereinbarungen nur eine sehr geringe Anzahl von Rückführungen ermöglichen. Insgesamt hat Italien in den letzten Jahren nur jeweils 3000 bis 5000 Abschiebungen pro Jahr durchsetzen können. Es ist nicht ersichtlich, warum dies dank des Deals mit Albanien plötzlich anders werden soll.
Obwohl der Pakt also eher wie ein Theatercoup Melonis wirkt und in Italien kaum eine echte Entlastung bei der Bewältigung des Ansturms der Migranten bringen dürfte, zeigte sich die italienische Opposition entsetzt über die Pläne. Die Mittepartei +Europa sprach von einem «italienischen Guantanamo», während Peppe Provenzano vom sozialdemokratischen PD erklärte, dass der Pakt im besseren Fall eine juristische Pfuscherei sei und im schlechteren Fall zu einer gravierenden Verletzung der Rechte der Geflüchteten führe.
Auch in Albanien wurde das Abkommen kritisiert. Es war sogar von «Verrat an Albanien» die Rede. Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte, dass die Kommission zwar von Italien über die Pläne informiert worden sei, aber dass Einzelheiten noch fehlten. «Es ist wichtig, dass das Abkommen das europäische und internationale Recht in vollem Umfang respektiert», mahnte der Sprecher. (bzbasel.ch)
Ich nehme an, dass die Leute in den Flüchtlingslagern, die Reise zurück ins Herkunftsland jederzeit antreten dürfen.
In Guantanamo war das scheinbar nicht möglich...
Das es nur eine Auslagerung des Problems ist, mal nebenbei erwähnt. Zurückschicken und endlich mal mit der sanften Tour aufhören wäre vermutlich gescheiter, aber damit renne ich hier kaum offene Türen ein.
Und nein, ich bin dagegen die Leute absaufen zu lassen, aber umgehend zurückschicken und den Geldhahn zudrehen.
Kein Land braucht importierte Gewalt und davon haben die meisten Länder jetzt schon genug.