Eine verheerende Flut in Pakistan überschwemmte diesen Sommer ein Drittel des Landes, kostete weit über tausend Menschen das Leben, zerstörte Millionen Häuser und führte zu massiven Ernteverlusten. Armut, Ungleichheit, begrenzter Zugang zu Gesundheitsdiensten und das Fehlen von Warnsystemen verschärften das Ausmass und die Auswirkungen der Katastrophe. Wie aus dem jüngsten Weltklimabericht hervorging, treten solche Extremwetterereignisse infolge der Erderwärmung häufiger und heftiger auf.
Pakistan zählt zu den Ländern, die historisch am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, dessen Folgen wie Überschwemmungen, Hitzewellen und Dürren aber am stärksten zu spüren bekommen und in Zukunft noch stärker leiden werden.
Die Senegalesin Madeleine Diouf Sarr vertritt die Länder des Globalen Südens an der in den nächsten zwei Wochen stattfindenden Weltklimakonferenz im ägyptischen Sharm-el-Sheikh (COP27). In einem kürzlich erschienen Beitrag im Magazin «Nature» formulierte sie es so:
An der Klimakonferenz werde sie die Regierungen auffordern, «einen Fonds für Schäden und Verluste in Entwicklungsländern einzurichten.» Die Wissenschaft gehe davon aus, dass bis 2030 jährlich 290 bis 580 Milliarden US-Dollar erforderlich sein würden. Doch in Tat und Wahrheit scheinen diese Summen in weiter Ferne.
Seit Jahren fordern die Entwicklungsländer Finanzhilfen von den wohlhabenden Ländern zur Bekämpfung des Klimawandels. Und tatsächlich haben die Industriestaaten an der Klimakonferenz in Kopenhagen im Jahr 2009 dem gemeinsamen Ziel zugestimmt, bis 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar zu mobilisieren, um ärmere Länder bei der Bewältigung der Klimakrise zu unterstützen. Aber das Ziel wurde nicht erreicht.
Nach den jüngst veröffentlichten Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD flossen 2020 Gelder von rund 84 Milliarden Dollar, nur wenig mehr als die zwei Jahre zuvor. Hinzu kommt: 71 Prozent der öffentlichen Klimafinanzierung im Jahr 2020 kam in Form von Krediten – die ärmeren Länder nehmen somit Schulden auf, um eine Krise zu bewältigen, die sie nicht verursacht haben.
Für Franz Perrez, Leiter der Schweizer Delegation an der Klimakonferenz, ist das Verfehlen des 100-Milliarden-Ziels inakzeptabel, obwohl die Zahlungen an Entwicklungsländer seit 2010 massiv gestiegen seien. Er sagt:
Dazu kommt: An der Paris Klimakonferenz 2015 wurde beschlossen, dass es ab 2025 eine Anschlusslösung für das 100-Milliarden-Ziel braucht.
Perrez rechnet die kommenden zwei Wochen noch nicht mit einem grossen Wurf diesbezüglich – und das sei tatsächlich auch nicht gewollt. Einige stark betroffene Länder wie die Inselstaaten forderten zwar, unbedingt bereits dieses Jahr einen neuen Fonds zu beschliessen. «Aber die Schäden, mit denen wir in Zukunft rechnen müssen, sind viel zu gross, als dass wir einfach einen neuen Topf eröffnen können und damit das Problem lösen», sagt Perrez.
Es müsse ausgehandelt werden, wer in den Fonds einzahle, wofür, wie viel und so weiter. «Wichtig ist, die grössten Emittenten in die Pflicht zu nehmen, gerade auch jene, die bis jetzt nicht zahlen mussten», sagt Perrez. Dazu gehörten etwa China und Saudi-Arabien. Ziel sei, sich bis 2024 auf eine umfassende und effektive Lösung zu einigen, die den Entwicklungsländern im Umgang mit dem Klimawandel hilft. Ein Teil davon könnte auch ein neuer Fonds sein.
Ein eben erst vergangene Woche erschienener Bericht des UN-Umweltprogramms (Unep) untermauerte ebenfalls, dass die internationalen Hilfszahlungen an den globalen Süden derzeit fünf bis zehn Mal unter dem eigentlichen Bedarf der Länder lägen. Der UN-Generalsekretär António Guterres sagte dazu:
All dies untergräbt nicht nur die Glaubwürdigkeit der reichen Länder, sich für Klimagerechtigkeit einzusetzen, sie belasten laut Samih Schukri, ägyptischer Aussenminister und Gastgeber der Konferenz, auch die Gespräche in Sharm-el-Sheikh. Es herrsche ein Mangel an Vertrauen, sagte er im Vorfeld der Konferenz der Nachrichtenagentur DPA. Die bisherigen Finanzhilfen seien «ohne wirklichen Einfluss» auf den Kampf gegen die Erderwärmung. Sowohl arme afrikanische Länder als auch die «breite Gemeinschaft der Entwicklungsländer» hätten Erwartungen an reichere Staaten.
Es gebe wohl mehrere Gründe für die nur zögerlich gesprochenen Finanzhilfen, meint David Bresch. Er ist Professor an der ETH Zürich und forscht zu Klimarisiken und deren Folgen. Er sagt:
Sinn würde es beispielsweise machen, dass diejenigen Regionen Ansprüche hätten, die besonders stark von Klimarisiken betroffen seien. Doch die Berechnungen würden sehr schnell kompliziert.
Und schliesslich gehe es auch darum, das Geld bestmöglich einzusetzen und die wirksamsten Massnahmen zu eruieren. «Das braucht viel Zeit, die wir eigentlich nicht mehr haben», sagt Bresch. Er spricht aus Erfahrung. Mit seinem Team führte er schon etliche Studien für die Weltbank und Entwicklungsbanken durch, die wissen wollten, wie mit dem Geld am effektivsten Emissionen eingespart und die meisten Menschenleben gerettet werden können.
«Damit beginnt aber gleich das nächste Dilemma», sagt Bresch. Nämlich: Wie stark dürfen sich die reichen Länder einmischen und kontrollieren, ob das Geld auch tatsächlich der Lokalbevölkerung zugutekommt und nicht von der Korruption verschlungen oder der herrschenden Elite genommen wird. So sieht der ETH-Forscher das Problem insbesondere in der mangelnden Governance in vielen Ländern und ihrer mangelnden Transparenz gegenüber der Weltgemeinschaft: «Es sind zu viele geopolitische Agenden im Spiel», sagt er.
Auch angesichts dessen sei es wichtig, nicht nur mit finanziellen Mitteln Klimagerechtigkeit herstellen zu wollen, sondern dass die westlichen Länder, insbesondere auch die Schweiz als vermögendes Land, entschiedener mit gutem Beispiel vorangingen. «Das heisst: Bis spätestens im Jahr 2050 netto keine Treibhausgase mehr ausstossen», sagt Bresch.
Denn das Treibhausgas-Budget der reichen Länder ist eigentlich schon längst aufgebraucht, um das von der Weltgemeinschaft gesteckte Ziel zu erreichen: die Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad, besser auf 1.5 Grad, zu begrenzen. Wie Zahlen von «Our World in Data» zeigen, hat die USA seit Beginn der Industrialisierung fast 420 Milliarden Tonnen CO2 ausgestossen, Europa gar über 530 Milliarden Tonnen. China verantwortet 236 Milliarden Tonnen des menschenverursachten CO2 in der Atmosphäre. Und Afrika: 48 Milliarden Tonnen.
Zwar scheint in vielen Industrieländern die grüne Trendwende eingetreten zu sein, aber die Transformation findet zu langsam statt. Schon heute hat sich die Erde im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um 1.1 Grad erhitzt. ETH-Forscher Bresch sagt:
Doch gräbt man tiefer, gibt es durchaus Lichtblicke: Obwohl der Krieg in der Ukraine einen neuen Run auf fossile Brennstoffe ausgelöst hat, hat Russlands Aggression die Argumente für saubere Technologien bestärkt. Denn ein Ausbau von erneuerbaren Energien sorgt für Unabhängigkeit von autokratischen Staaten. Und nicht nur das: Solar- und Windenergie sind heute wettbewerbsfähig gegenüber Kohle, Gas und Öl, selbst wenn man die Kosten für die Energiespeicherung mit einbezieht.
Franz Perrez, der Schweizer Delegationsleiter, sagt, dass es «wirklich tragisch» wäre, wenn das 1.5-Grad-Ziel an der Weltklimakonferenz endgültig sterben würde. «Die Staatengemeinschaft muss genügend starke Massnahmen beschliessen und wir müssen genügend Druck auf die grössten Treibhausgasemittenten ausüben», so Perrez. Denn die Uhr tickt: Um die Erderwärmung auf 1.5 Grad zu begrenzen, muss der Ausstoss der Treibhausgase laut dem Weltklimarat bereits vor 2025 seinen Höhepunkt erreicht haben. (bzbasel.ch)
Das sagen gerade Schweizer, die gemäss neustem Bericht, auf der 4. letzten Stelle der Welt, in Bezug Klimainvestitionen kontra BIP, ist. Wir wollten ja nicht mal eine CO2 Steuer. Beschämend.