«Kompromiss», «Aufschub» «Minimalkonsens» – und der CO₂-Ausstoss wächst weiter und weiter
An der 27. Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm El-Scheich nehmen 195 Staaten sowie die EU teil. Ab Sonntag (6. November) verhandeln die Länder der Erde zwei Wochen lang darüber, welche Klimaschutzmassnahmen ergriffen werden müssen, um die menschengemachte Erderwärmung noch unter Kontrolle zu bringen.
Die Zehntausenden von Unterhändlern, Regierungsvertretern, NGOs, CEOs etc. kommen mit hehren Absichten an die COPs («Conferences of Parties»). Doch die Verhandlungen verlaufen meist zäh und enden zu oft mit einem Kompromiss oder Minimalkonsens statt mit visionären Entscheidungen – zu unterschiedlich sind die Interessen der Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer.
Ach, würde es an den Klimakonferenzen doch nur so kontinuierlich vorwärtsgehen, wie der globale CO2-Ausstoss jährlich ansteigt. Die ehrgeizigen Ziele werden jedenfalls fast immer deutlich verpasst, wie ein Blick auf die bisherigen COPs zeigt.
COP 1 in Berlin (1995)
Ziel:
- Diskussion über Reduktion der Treibhausgas-Emissionen
Resultat:
- Kein konkretes Ziel definiert. «Berliner Mandat» als die Basis für Verhandlungen über ein Protokoll zur Verringerung von Treibhausgas-Emissionen. Grosse Differenzen zwischen USA und europäischen Ländern.
Reaktionen:
COP 2 in Genf (1996)
Ziel:
- Diskussion über Reduktion der Treibhausgas-Emissionen
Resultat:
- «Genfer Deklaration»: Ergebnisse des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) werden zur wissenschaftlichen Grundlage für den weiteren Prozess der internationalen Klimaschutzpolitik gemacht.
- Auch die USA stimmen den Beschlüssen bei, nicht allerdings die OPEC-Länder sowie Australien, China, Neuseeland und Russland.
Reaktionen:
COP 3 in Kyoto (1997)
Ziel:
- Diskussion über Reduktion der Treibhausgas-Emissionen
Resultat:
- «Kyoto-Protokoll» beschlossen. Industriestaaten verpflichteten sich, ihre Treibhausgasemissionen in der ersten Verpflichtungsperiode (2008 bis 2012) um durchschnittlich 5,2 Prozent unter das Niveau des Basisjahres (meist 1990 oder 1995) zu senken.
Reaktionen:
COP 4 in Buenos Aires (1998)
Ziel:
- Umsetzung des Kyoto-Protokolls
Resultat:
- «Buenos-Aires-Aktionsplan» definiert Mechanismen, mit denen die Industrieländer ihre Klimaschutz-Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll erfüllen können.
Reaktionen:
COP 5 in Bonn (1999)
Ziel:
- Umsetzung des Kyoto-Protokolls
Resultat:
- Einführung eines Kontrollsystems für die Einhaltung von Verpflichtungen und die Umsetzung der Kyoto-Mechanismen.
Reaktionen:
COP 6 in Den Haag (2000) und Bonn (2001)
Ziel:
- Umsetzung des Kyoto-Protokolls
Resultat:
- Nachdem es in Den Haag wegen Widerstands der USA und Kanada nicht zu einer Einigung zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls gekommen war, einigten sich die 180 Vertragsstaaten in Bonn schliesslich auf einen Kompromiss, bei dem die Reduktionsverpflichtungen teils drastisch gesenkt wurden. Die USA – im April 2001 aus dem Kyoto-Protokoll ausgestiegen – stimmten selbst dem Kompromiss nicht zu.
Reaktionen:
COP 7 in Marrakesch (2001)
Ziel:
- Ratifizierung des Kyoto-Protokolls
Resultat:
- «Marrakesh Accords»: 15 Absprachen, die den Weg zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls freimachen. Australien, Japan, Russland und Kanada weigerten sich aber, einigen umstrittenen Punkten der Umsetzungsvereinbarung zuzustimmen.
Reaktionen:
COP 8 in Neu-Dehli (2002)
Ziel:
- Ratifizierung des Kyoto-Protokolls
Resultat:
- Konkretisierung des Klimaschutzfonds, um arme Länder finanziell beim Schutz gegen Folgen des Klimawandels zu unterstützen. Keine Ratifizierung des Kyoto-Protokolls, aber Annäherung an Kanada und Russland.
Reaktionen:
COP 9 in Mailand (2003)
Ziel
- Ratifizierung des Kyoto-Protokolls
Resultat:
- Trotz Anwendung des «Clean Development Mechanism» zur Anrechenbarkeit klimaschonender Investitionen in Entwicklungsländern auf die Emissionsbilanz der Investoren-Nationen keine Ratifizierung des Kyoto-Protokolls. Auch wegen fehlender Zusage Russlands.
Reaktionen:
COP 10 in Buenos Aires (2004)
Ziel:
- Nach Russlands Ratifizierung des Kyoto-Protokolls: Entwicklungsländer klimapolitisch in die Pflicht nehmen, USA zurück ins Boot holen
Resultat:
- Arbeitsprogramm, das Entwicklungsländern die Anpassung an den Klimawandel und seine Folgen erleichtert. USA blockiert weitere Massnahmen weiter.
Reaktionen:
COP 11 in Montreal (2005)
Ziel:
- Verlängerung des Kyoto-Protokolls, Aushandlung neuer Grenzwerte für Treibhausgas-Emissionen
Resultat:
- Kyoto-Prozess geht über das Jahr 2012 hinaus. USA akzeptieren Kompromiss ohne klare Zielvorgaben, ratifizieren das Kyoto-Protokoll aber weiterhin nicht.
Reaktionen:
COP 12 in Nairobi (2006)
Ziel:
- Gespräche über das Kyoto-Nachfolgeregime nach 2012
Resultat:
- Keine verbindlichen Vereinbarungen über konkrete Verpflichtungen zur weiteren Minderung der Treibhausgas-Emissionen nach 2012. USA lehnen Kyoto-Ratifizierung weiterhin ab.
Reaktionen:
COP 13 in Bali (2007)
Ziel:
- Folgeabkommen für das Kyoto-Protokoll aufgleisen
Resultat:
- Australien ratifiziert Kyoto-Protokoll und «Fahrplan von Bali» für die Nachfolgeregelung für das Ende 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll.
Reaktionen:
COP 14 in Posen (2008)
Ziel:
- Folgeabkommen für das Kyoto-Protokoll aufgleisen
Resultat:
- Arbeitsaufträge bis zur Klimakonferenz in Kopenhagen, wo das Kyoto-Nachfolgeabkommen verhandelt werden soll. Keine konkreten Verpflichtungen zur weiteren Minderung der Treibhausgas-Emissionen.
Reaktionen:
COP 15 in Kopenhagen (2009)
Ziel:
- Folgeabkommen für das Kyoto-Protokoll aufgleisen
Resultat:
- Keine Einigung über ein Folgeabkommen für das Kyoto-Protokoll – «Post-Kyoto-Prozess» ist damit gescheitert. «Kopenhagener Erklärung» – Erderwärmung soll auf maximal 2 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau begrenzt werden – nur zur Kenntnis genommen, nicht rechtlich verbindlich.
Reaktionen:
COP 16 in Cancun (2010)
Ziel:
- Regelungen zum Schutz der Regenwälder und Klimafonds zur finanziellen Unterstützung von Entwicklungsländern
Resultat:
- Minimalziel erreicht, das Kyoto-Protokoll bis 2012 fortzusetzen. Regenwald-Schutzprogramm sowie Hilfsfonds für Entwicklungsländer verabschiedet.
Reaktionen:
COP 17 in Durban (2011)
Ziel:
- Folgeabkommen für das Kyoto-Protokoll aufgleisen
Resultat:
- Reduktionsziele und Dauer der zweiten Verpflichtungsperiode zum Kyoto-Protokoll sollen 2012 in Katar festgelegt werden. Bis 2015 soll ein verbindliches Klimaschutzabkommen ausgehandelt werden, das 2020 in Kraft treten soll. Kanada tritt aus Kyoto-Protokoll aus.
Reaktionen:
COP 18 in Doha (2012)
Ziel:
- Folgeabkommen für das Kyoto-Protokoll aufgleisen
Resultat:
- «Kyoto II»: Kyoto-Protokoll wird bis 2020 verlängert. Fahrplan für ein international verbindliches Klimaschutzabkommen ab 2020 wird verabschiedet. Russland, Kanada, Japan und Neuseeland erklären ihren Austritt aus dem Kyoto-Protokoll.
Reaktionen:
COP 19 in Warschau (2013)
Ziel:
- Fortsetzung der Verhandlungen zu einem Welt-Klimavertrag
Resultat:
- Zeitplan bis 2015 für die Arbeit an einem Weltklimavertrag verabschiedet. Festlegung, dass Erderwärmung nur 2 Grad Celsius betragen darf. Verbindlicherer Formulierungsvorschlag von Frankreich auf Druck von China und Indien getilgt. Greenpeace und WWF ziehen vorzeitig aus dem Konferenzgebäude ab.
COP 20 in Lima (2014)
Ziel:
- Vorbereitung des neuen internationalen Klimaschutzabkommens, das 2015 in Paris abgeschlossen werden soll.
Resultat:
- Entwurf eines Vertragstextes für die Klimakonferenz in Paris 2015. Keine Quantifizierung der Reduktionsziele von Treibhausgas-Emissionen.
Reaktionen:
COP 21 in Paris (2015)
Ziel:
- Abschluss einer neuen Klimaschutz-Vereinbarung als Nachfolge des Kyoto-Protokolls.
Resultat:
- 195 Staaten unterzeichnen «Übereinkommen von Paris»: Begrenzung der menschengemachten globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 (möglichst 1,5) Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten. Finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer.
Reaktionen:
COP 22 in Marrakesch (2016)
Ziel:
- Praktische Umsetzung des «Übereinkommens von Paris».
Resultat:
- Partnerschaftsprogramm für Länder im Klimaschutz. Finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer beschlossen. 48 arme Länder künden Kohle-Abschied an. Grosse Unsicherheit wegen Trump-Wahl in den USA.
Reaktionen:
COP 23 in Bonn (2017)
Ziel:
- Regelbuch zur Umsetzung des «Übereinkommens von Paris».
Resultat:
- 200 Seiten langer Kompromiss für die Umsetzung des «Übereinkommens von Paris». Grossbritannien, Kanada und 17 weitere Länder geben Kohleausstieg bekannt.
Reaktionen:
COP 24 in Katowice (2018)
Ziel:
- Festlegung der Rechten und Pflichten einzelner Staaten, um das «Übereinkommen von Paris» einhalten zu können.
Resultat:
- Regelbuch zur Umsetzung des «Übereinkommens von Paris» beschlossen. Anstieg der Erderwärmung soll auf 2 (nicht wie erhofft auf 1,5) Grad Celsius begrenzt werden, keine Einigung bei Artikel 6 über Handel mit Klimaschutz-Gutschriften. Aufgestellte Regeln sind kein «Muss», sondern sollen durch «Naming and Shaming» wirksam werden.
Reaktionen:
COP 25 in Madrid (2019)
Ziel:
- Fertigstellung des Regelbuchs zur Umsetzung des «Übereinkommens von Paris».
Resultat:
- Endgültige Ausgestaltung von Artikel 6 im Regelbuch zur Umsetzung des «Übereinkommens von Paris» gelingt nicht. Kein Fonds für Entwicklungsländer zur Kompensation klimabedingter Schäden. Erinnerung an die Zusage aller Staaten, ihre Klimaschutzziele für 2030 möglichst zu verschärfen.
Reaktionen:
COP 26 in Glasgow (2021)
Ziel:
- Verbindliche Regeln für effektiven Klimaschutz in die Wege leiten – speziell: Das 1,5-Grad-Celsius-Ziel des «Übereinkommens von Paris» in Reichweite halten.
Resultat:
- Nur «Verminderung» statt «Ausstieg» bei der Kohle: Mitgliedsstaaten einigen sich auf eine beschleunigte globale Energiewende weg von der Kohleverbrennung. Vertragsstaaten müssen ihre nationalen Klimaziele (bis 2030) bis im Jahr 2023 nachbessern. Entwicklungsländer sollen mehr Geld für Anpassung an den Klimawandel aufwenden können.
Reaktionen:
Globale CO2-Emissionen in Mio. Tonnen:
COP 27 in Scharm El-Scheich (2022)
Ziel:
- Verbindliche Regeln für effektiven Klimaschutz in die Wege leiten – speziell: Das 1,5-Grad-Celsius-Ziel des «Übereinkommens von Paris» in Reichweite halten. Ausserdem: Praktische Umsetzung des Kohle-, Gas- und Ölausstiegs
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