Ein Jahr nach der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut kämpfen die Familien der Opfer weiter für eine Klärung der Ursachen und Gerechtigkeit für ihre Angehörigen.
«Wir wissen, dass unser Weg nicht leicht und der Prozess lang sein wird», sagte Opfervertreter Ibrahim Hoteit vor dem ersten Jahrestag der Katastrophe am 4. August. «Wir wissen, dass wir es mit einem Haufen korrupter Politiker zu tun haben, aber wir sind entschlossen, sie (...) einen nach dem anderen zu kriegen», sagte ein sichtlich wütender Hoteit der Nachrichtenagentur DPA. Auch sein Bruder kam bei der Katastrophe ums Leben.
Bei der Explosion waren am 4. August 2020 mehr als 190 Menschen getötet und rund 6000 verletzt worden. Grosse Teile des Hafens und der anliegenden Wohngebiete wurden massiv zerstört. Ausgelöst worden sein soll die Detonation durch grosse Mengen der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat, die über Jahre ohne Schutzmassnahmen im Hafen gelagert wurden. Bis heute sind die genauen Ursachen nicht geklärt und die Verantwortlichen nicht benannt worden. Zum ersten Jahrestag am Mittwoch sollen öffentliche Einrichtungen geschlossen bleiben und Flaggen auf halbmast gesenkt werden.
Hoteit und die weiteren Angehörigen hätten volles Vertrauen in Richter Tarek Bitar, den Hoteit als «aufrichtig und mutig» bezeichnete. Die Familien würden bis zur Wahrheitsfindung hinter dem Richter stehen. Viele Libanesen sehen die Verantwortung bei der Regierung sowie der herrschenden Elite und werfen ihnen Nachlässigkeit in einem von Krisen gebeutelten Land vor. Der Ermittlungsrichter Bitar befasst sich seit Februar mit dem Fall.
Die Ermittlungen kommen seit Monaten nur schleppend voran. Laut Justizkreisen prüft Bitar die Möglichkeit, die mutmasslich Verantwortlichen wegen Fahrlässigkeit zu belangen. Der Richter hat das Parlament gebeten, die Immunität einiger Abgeordneten als Teil der nächsten rechtlichen Schritte aufzuheben. Das Parlament scheint diesen Vorgang aber zu verzögern. (aeg/sda/dpa)