Schwallartiges Erbrechen, starker Durchfall, manchmal Fieber: Das Norovirus ist gefürchtet. In der Schweiz erkranken pro Jahr schätzungsweise 400'000 Menschen daran, Hochsaison ist in den Monaten Oktober bis März. Gesunde Personen überstehen den Brechdurchfall in der Regel binnen zwei bis drei Tagen. Doch für Kleinkinder, ältere Menschen, insbesondere für solche mit einem geschwächten Immunsystem oder chronischen Nieren- oder Herzerkrankungen, kann eine Infektion gefährlich sein. Weltweit sterben jährlich Zehntausende daran – vor allem ausserhalb von entwickelten Ländern.
Bislang ist die Medizin machtlos gegen den Erreger. Nun berichten aber Forschende des kalifornischen Biotechunternehmens Vaxart im Fachblatt «Science Translational Medicine» von vielversprechenden Ergebnissen.
Das Team um die Immunologin Becca Flitter führte eine Studie mit 65 Personen zwischen 55 und 80 Jahren durch. Die eine Hälfte erhielt die Tablette mit dem neu entwickelten Noro-Impfstoff, die andere ein Placebo. Die Ergebnisse zeigen, dass der Impfstoff gut vertragen wurde, ohne schwerwiegende Nebenwirkungen. Zudem führte die Impfung zu einer starken Immunreaktion: Sowohl im Blut als auch in den Schleimhäuten im Mund, in der Nase und im Darm wurden Antikörper gebildet, die über sieben Monate nachweisbar blieben (so lange dauerte die Studie).
Wie lange der Impfschutz dann tatsächlich halten würde, müssen länger angelegte Studien zeigen. Von natürlichen Infektionen weiss man zumindest, dass der Schutz gegen erneute Ansteckungen bis zu acht Jahre hält.
Die durch den Impfstoff produzierten Antikörper richteten sich gegen das Protein VP1, das die Hülle des Norovirus bildet. Die genetische Information dieses Proteins wurde mit einem inaktivierten Adenovirus, das als eine Art trojanisches Pferd dient, in die Zellen geschleust.
Dass bislang kein Impfstoff zugelassen ist, hat mehrere Gründe. Zum einen lassen sich Noroviren noch nicht lange im Labor züchten – und auch heute gelingt es nur mit Müh und Not. Zudem kommt das krankmachende Norovirus nur im Menschen vor, wodurch Tierversuche nur begrenzt infrage kommen.
Dennoch gibt es neben dem Vaxart-Team andere Forschungsgruppen, die sich um einen Impfstoff bemühen. Auf einem vielversprechenden Weg befindet sich Moderna. Das Unternehmen teilte letzten Herbst mit, eine Studie mit rund 25'000 Erwachsenen gestartet zu haben. Der Impfstoff basiert auf der mRNA-Technologie, die bereits bei Covid-19-Impfstoffen eingesetzt wurde.
Auf eine andere Technologie setzt das chinesische Biotech-Unternehmen Anhui Zhifei Longcom Biologic Pharmacy in seiner Studie. Es nutzt gentechnisch veränderte Hefezellen der Art Pichia pastoris, die das VP1-Protein des Norovirus produzieren. Derzeit wird der Impfstoff an 6600 Säuglingen und Kindern im Alter von 6 Wochen bis 13 Jahren getestet, um die Sicherheit und Wirksamkeit in diesen Altersgruppen zu ermitteln. Die Pichia-pastoris-Technologie kommt bereits bei Impfstoffen gegen Hepatitis B und HPV zum Einsatz.
Solange es noch keinen Impfstoff gibt, rät das Bundesamt für Gesundheit – wie bei allen Infektionskrankheiten – zu einer guten Händehygiene, also gründlichem Waschen mit Seife. Ausserdem sollten Gegenstände und Oberflächen, die mit Stuhl oder Erbrochenem in Kontakt gekommen sind, gereinigt und anschliessend desinfiziert werden. Virushaltige Tröpfchen können auch im Rahmen des schwallartigen Erbrechens in die Umgebungsluft gelangen, weshalb Masken schützen, wenn man jemand Krankes betreut. Und was selbstverständlich auch gilt: Wer krank ist, soll zu Hause bleiben.
Denn das Norovirus ist extrem ansteckend, deutlich stärker als zum Beispiel Grippe- und Coronaviren. Am ansteckendsten ist das Virus während der akuten Krankheitsphase. Doch Betroffene scheiden das Virus noch Tage später aus, selten sogar noch über mehrere Monate nach Abklingen der Symptome – und bleiben damit ansteckend. Auch in der Umwelt sind Noroviren äusserst widerstandsfähig und können auf verunreinigten Flächen mehr als 12 Tage lang infektiös bleiben. (aargauerzeitung.ch)