International
Naher Osten

Warum der Iran und Pakistan sich gegenseitig attackieren

Warum attackieren Iran und Pakistan einander – und was hat das mit dem Nahen Osten zu tun?

Inmitten der angespannten Lage im Nahen Osten haben die iranischen Streitkräfte diese Woche drei benachbarte Länder angegriffen. Was ist da los?
18.01.2024, 18:4119.01.2024, 07:35
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Wer greift jetzt eigentlich wen an?

In der Nacht auf den 16. Januar attackierte der Iran Ziele im Irak und in Syrien mit mehreren ballistischen Raketen. Einen Tag darauf beschossen iranische Streitkräfte Stellungen im Nachbarland Pakistan. Zwei Tage später hat das pakistanische Militär als Reaktion auf den iranischen Luftangriff Ziele im Iran angegriffen – und seine Botschaft in Teheran abgezogen. Pakistan droht dem Iran mit weiterer Vergeltung, sollte das Land erneut angreifen.

Warum greift der Iran Syrien und seine Nachbarländer Irak und Pakistan an?

Die Angriffe stehen nicht im Zusammenhang miteinander.

Der Angriff im Nordirak: Ziel des Angriffs auf die nordirakische Stadt Erbil sei eine Spionageeinrichtung des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad gewesen, wie die Revolutionsgarde (IRGC) verlauten liess. In der Nähe eines im Bau befindlichen US-Konsulats schlugen Augenzeugen zufolge mehrere Raketen ein. Der General der Revolutionsgarde Amirali Hajizadeh behauptete im Staatsfernsehen, dass Israel verdeckt Angriffe auf iranische Nuklear- und Militäranlagen plane.

«Wir mussten uns dem stellen und das Blut unserer Märtyrer rächen.»
Amirali Hajizadeh, General der Revolutionsgarde

Der Angriff in Syrien: Der Luftangriff in Syrien galt nach Angaben aus Teheran der Terrormiliz «Islamischer Staat» («IS») und sei Rache unter anderem für den Anschlag in der südiranischen Stadt Kerman Anfang des Jahres sowie die Tötung eines hochrangigen Offiziers der Revolutionsgrade Ende Dezember.

Iranian army cadets and officers attend the funeral ceremony of Seyed Razi Mousavi, a high ranking Iranian general of the paramilitary Revolutionary Guard, who was killed in an alleged Israeli airstri ...
Iranische Offiziere nehmen an der Beerdigungszeremonie eines hochrangigen iranischen Generals der paramilitärischen Revolutionsgarde teil, der bei einem angeblichen israelischen Luftangriff in Syrien getötet wurde, Teheran, Iran, 28. Dezember 2023. Bild: keystone

Der Angriff auf Pakistan: Die Attacke habe der extremistischen Separatistengruppe Dschaisch al-Adl gegolten, die für die Unabhängigkeit der Region Belutschistan kämpft und in Afghanistan, Pakistan sowie im Iran aktiv ist. Entgegen der schiitischen Staatsreligion, die vom Regime in Teheran vorgegeben wird, folgen die meisten Bewohner der Provinz Sistan und Belutschistan der sunnitischen Strömung des Islam. Angeblich soll die bewaffnete Gruppierung entlang der fast 900 Kilometer langen Grenze der beiden Länder Schutz suchen.

Die geografische Region Belutschistan erstreckt sich über den Südosten des Iran, den Süden Afghanistans und den Südwesten Pakistans.

Wenn es um Dschaisch al-Adl geht, sind sich ausgerechnet der Iran und die USA einig: Beide stufen die radikal-sunnitische Separatistengruppe als Terrororganisation ein. Die Gruppe soll in den letzten Wochen zwei Anschläge im Südostiran verübt haben. Nach Angaben der Revolutionsgarde seien zwei wichtige Stützpunkte der Extremisten zerstört worden. Obwohl Pakistan und Iran denselben Feind haben, ist es ungewöhnlich, dass eine Seite auf dem Territorium der anderen Seite angreift.

epa11087112 Pakistani activists of Muslim Talba Mahaz (MTM) protest against Iranian missile strikes at the Pakistani border village in Balochistan province, in Islamabad, Pakistan, 18 January 2024. Ir ...
Pakistanische Aktivisten protestieren gegen die iranischen Raketenangriffe in Islamabad, Pakistan, am 18. Januar 2024.Bild: keystone

Warum jetzt?

Die iranischen Vergeltungsangriffe ereignen sich in einer von Krieg, Instabilität und Unruhe geprägten Zeit im Nahen und Mittleren Osten. In Gaza tobt ein Krieg, im Roten Meer greifen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen Handelsschiffe an, die sie in Verbindung mit Israel bringen.

Warum greift der Iran gerade jetzt seine Nachbarn sowie Syrien an?

Verteidigungsminister Mohammad Reza Gharaei Ashtiani sagte nach der scharfen Kritik aus Bagdad und Islamabad:

«Wir sind eine Raketenmacht.»

Und weiter: «Wer auch immer den Iran bedroht, wir werden reagieren, und diese Reaktion wird auf jeden Fall verhältnismässig, hart und entschlossen sein.»

Experten gehen davon aus, dass die Anschläge in erster Linie an die USA gerichtet sind. Wenn die Vereinigten Staaten und Israel in der Region Kampagne gegen die Hamas führen, dann verspürt Iran das Bedürfnis, zurückzuschlagen und sich zu behaupten, sagt der pensionierte US-Armeegeneral und Oberbefehlshaber der NATO, Wesley Clark, gegenüber CNN. «Iran wage es nicht, die USA direkt anzugreifen, also habe die Regierung alternative Ziele gesucht», sagt Jérome Drevon, Analyst bei der Denkfabrik International Crisis Group, gegenüber SRF.

Der Iran strebt zudem nach regionaler Hegemonie, sagt Clark. Die verschiedenen Feindseligkeiten seien Ausdruck des Strebens, die Führungsrolle in der Region zu festigen.

Stehen die Konflikte in Zusammenhang mit dem Gazakrieg?

Der iranische Angriff im Irak sowie der Angriff auf die Handelsschiffe der Huthi-Rebellen stehen im Zusammenhang mit den zunehmenden regionalen Spannungen rund um den Gaza-Krieg. Die Rebellen aus dem Jemen gehören zur sogenannten «Achse des Widerstands» – ein antiwestliches und antiisraelisches Bündnis aus sunnitischen und schiitischen Kräften unter Führung der iranischen Revolutionsgarde.

epa11082355 Palestinian flags and a billboard depicting Iranian missiles with a message in Persian and Hebrew reading: 'prepare your coffins', hangs on a building at Palestine square in Tehr ...
Palästinensische Flaggen und ein Plakat mit iranischen Raketen und der Aufschrift «Bereitet eure Särge vor» in Persisch und Hebräisch hängen an einem Gebäude am Palästina-Platz in Teheran, Iran, 16. Januar 2024.Bild: keystone

Zur Achse zählen neben den Huthi-Rebellen auch die libanesische Hisbollah sowie die Hamas. Mehrfach haben die US-Streitkräfte wegen der Angriffe im Roten Meer Stellungen der Huthi-Rebellen im Jemen angegriffen.

Der Angriff in Syrien sowie der Angriff in Pakistan scheinen nicht mit dem Gazakrieg in Verbindung zu stehen – dem Iran ging es wohl um militärische Vergeltung.

Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA

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87 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Harry Zimm
18.01.2024 18:55registriert Juli 2016
Allen Mullahs, Putins, Orbans, Trumps, Maduros, Kim und Konsorten eins auf die Schnauze geben. Je früher, desto besser. Die Welt ist ein schönerer Ort ohne diese Verbrecher.
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Haarspalter
18.01.2024 18:56registriert Oktober 2020
Erinnert mich an Asterix - Die Odyssee:

„Nach ein paar Tagen werden Asterix und Obelix von Sumerern mit Pfeilen beschossen, die sie für Akkadier, ihre Feinde, halten, kurz darauf von den Akkadiern, die sie für Hethiter halten, danach von den Hethitern, die sie für Assyrer halten, dann von den Assyrern, die sie für Meder halten und letztlich treffen sie auf Meder, die sich einfach nur in der Wüste verirrt haben.“
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pontian
18.01.2024 19:17registriert Januar 2016
Hier eine sarkastische grafische Darstellung der Verhältnisse im Nahen und Mittleren Osten. Wer ist mit wem befreundet/verfeindet.
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