Wie überlebt man eine Auspeitschung? Wie fühlt sich der Alltag in einem saudischen Gefängnis an? Erstmals seit seiner Verhaftung meldet sich der saudi-arabische Blogger Raif Badawi per Brief zu Wort – nach fast drei Jahren in Haft. In dem Schreiben, das der «Spiegel» in Auszügen nachdruckt, berichtet er von seinen Eindrücken und Erfahrungen. Er schreibt, dass er auf «wundersame Weise fünfzig Peitschenhiebe überlebt» habe, während er umringt gewesen sei «von einer jubelnden Menge, die immerzu ‹Allahu akbar› rief». Und weiter schreibt er: «All dies grausame Leid ist mir nur widerfahren, weil ich meine Meinung ausgedrückt habe.»
Badawi hatte 2008 begonnen, auf seiner Website für die Idee einer säkularen, liberalen Gesellschaft in Saudi-Arabien einzutreten. Wegen Beleidigung des Islam wurde er zu einer Haft von zehn Jahren, einer Geldstrafe von umgerechnet knapp 250'000 Euro und zu 1000 Peitschenhieben verurteilt. Die ersten 50 dieser Peitschenhiebe wurden am 9. Januar dieses Jahres exekutiert. Wegen seiner derzeitigen körperlichen Verfassung wurde die weitere Ausführung der Strafe vorerst verschoben. «Es geht ihm schlecht», wird seine Ehefrau Ensaf Haidar vom «Spiegel» zitiert. «Er leidet unter Bluthochdruck, vor allem aber ist er psychisch stark belastet.»
Badawis Brief wird in dem Buch «1000 Peitschenhiebe» veröffentlicht, das der Ullstein Verlag in der kommenden Woche in den Buchhandel bringt. Dort sind auch erstmals seine gelöschten Blogs auf Deutsch zu lesen. Das Aussenministerium in Berlin hat vor einer Veröffentlichung gewarnt, Badawi und seine Frau aber glauben, dass die Aufmerksamkeit für das Buch ihn schützen werde. «Mein Mann sieht darin eine Fortsetzung seiner Arbeit», sagt Haidar dem «Spiegel». «Er ist sich sicher, für die richtigen Überzeugungen zu kämpfen.»
Möglicherweise wird es auch zu einem neuen Prozess kommen. Sie fürchte, so Haidar, dass ihr Ehemann wegen Abkehr vom Islam angeklagt werde. Darauf steht in Saudi-Arabien die Todesstrafe.