Das Kind, das die meisten Katzen erschiesst, gewinnt in Neuseeland 250 Dollar
Australien und Neuseeland haben ein Katzenproblem. Jährlich fallen den Fellnasen Milliarden von Säugetieren, Vögeln und sonstigen Lebewesen zum Opfer. Während Australien die nächtliche Jagd der Hauskatzen mit Ausgangssperren zu unterbinden versucht, nimmt das Nachbarland die wilden Katzen ins Visier. Dabei drehen sie den Spiess um: Aus den Jagenden machen sie die Gejagten.
Die zündende Idee hatten die Organisatoren des jährlich stattfindenden North-Canterbury-Jagdwettbewerbs. Sie entschlossen kurzerhand, für verwilderte Hauskatzen eine eigene Abschusskategorie einzuführen. Der Wettbewerb richtete sich allerdings nicht an erfahrene Jägerinnen und Jäger, sondern an: Kinder unter 14 Jahren.
Jagdwettbewerb für Kinder
Den Jagdwettbewerb für Junioren gibt es schon seit Längerem. Er ist Teil des jährlichen Jagdwettbewerbs, der zugleich als Spendenaktion für die ortsansässige Roterham Schule fungiert. Im letzten Jahr standen für die 250 teilnehmenden Junioren allerdings bloss Opossums, Enten, Hasen, Ratten und Gänse auf der Abschussliste, berichtet die neuseeländische Newsplattform Stuff.
Am 14. April verkündeten die Organisatoren auf ihrer Facebookseite, dass dieses Jahr nun auch verwilderte Katzen auf die Abschussliste kämen und als eigene Jagdkategorie gälten. Dasjenige Kind, das zwischen dem 15. April und dem letzten Juniwochenende die meisten verwilderten Katzen erlege, gewinne den auf 250 Neuseeland-Dollar dotierten Preis, heisst es.
Weiter wurden Teilnehmende dazu aufgerufen, sich über die Unterschiede zwischen Hauskatzen und verwilderten Katzen zu informieren. Dazu verlinkte die Jagdgesellschaft eine Website der Abteilung für Naturschutz zu verwilderten Katzen. Zur Besorgnis vieler Katzenbesitzerinnen und -besitzer steht da allerdings:
Craig Gillies, Sprecher der Abteilung für Naturschutz, bestätigte gegenüber Stuff, dass der optische Unterschied «praktisch unmöglich» zu erkennen sei. Die Massnahmen der Jagdgesellschaft sorgen derweil für keine Beruhigung: Sollte sich in der Beute eines Kindes eine Katze mit Mikrochip befinden, so werde es vom Wettbewerb disqualifiziert.
In anderen Worten: Ob es sich um eine legitime Beute handelt, wissen die Jagenden erst, wenn das Tier bereits tot ist.
Tierschutz ist besorgt
Die Tierschutzorganisation SPCA Canterbury (Royal New Zealand Society for the Prevention of Cruelty to Animals Incorporated) bekam Wind von der Sache und zeigte sich äusserst besorgt. Auf ihrer Facebook-Seite warnte sie:
Des Weiteren würden Kinder bei solchen Anlässen oft Luftgewehre verwenden. Diese erhöhten bei den Tieren die Wahrscheinlichkeit von Schmerzen und eines in die Länge gezogenen Todes. Genau ein solcher Fall habe sich am 17. April – also zwei Tage nach Eröffnung des Jagdwettbewerbs – ereignet. Dabei sei ihnen eine Hauskatze mit einer Luftgewehrkugelwunde übergeben worden, die schliesslich ihren Verletzungen erlegen sei. Ob die Katze im Rahmen des Wettbewerbes erschossen worden sei, sei aber noch unklar, so SPCA Canterbury.
Mehr als eine Warnung auszusprechen, könnten sie aber nicht tun, gab der Tierschutz zu bedenken. Der Wettbewerb an sich verstosse gegen kein Gesetz, weshalb sie nicht in der Lage seien, Massnahmen gegen die Organisatoren zu ergreifen.
Die Organisatoren machen einen Rückzieher
Der grosse Aufschrei in der Gesellschaft und den Medien ging allerdings nicht spurlos an den Organisatoren vorbei. Am 17. April gaben sie auf Facebook bekannt, dass die Katzen-Kategorie aus dem Wettbewerb gestrichen worden sei:
Leider seien einige unangemessene Nachrichten an die Rotheram Schule und andere Beteiligte geschickt worden, heisst es weiter. Da die Sponsoren und die Sicherheit der Schule für sie oberste Priorität hätten, sei die Kategorie für dieses Jahr zurückgezogen worden. Dass der Entscheid wohl nicht aufgrund von Sorge um die Hauskatzen getroffen wurde, verdeutlicht auch die nächste Aussage:
Katzen als Gefahr für Biodiversität
Dass Katzen auf der Insel ein grosses Problem sind, lässt sich dennoch nicht leugnen. Laut eines Forschungsberichts aus dem Jahr 1978 haben Katzen zur Ausrottung von mindestens sechs endemischen Vogelarten und über 70 Unterarten beigetragen. Dass Katzen für die lokale Tierpopulation ein so grosses Problem darstellen, hat einen konkreten Grund: Abgesehen von gerade mal zwei Fledermausarten gab es in Neuseeland bis zur Besiedlung durch die Polynesier und die Europäer keine auf dem Land lebenden Säugetiere. Bis ca. 1250 bewohnten die Vögel die Insel deshalb ohne Konkurrenz durch Säugetiere.
Sowohl die Ankunft der Katze in der Mitte des 18. Jahrhunderts als auch die Einschleppung anderer Säugetiere brachten das ökologische System in Neuseeland ins Wanken. Deswegen kündigte die neuseeländische Regierung 2016 weltweit das erste Raubtier-Ausrottungsprogramm an. Ziel: Bis 2050 soll das Land frei von eingeschleppten Schädlingen wie Opossums, Ratten, Mäusen und Hermelinen sein. Nicht aber auf der Liste befinden sich Katzen. Dies, obwohl auch sie als Raubtiere gelten und für die einheimische Tierwelt eine grosse Bedrohung darstellen. Gleichzeitig aber jagen sie auch genau diejenigen Tiere, die die Regierung ausrotten will. Zudem dürfte der Aufschrei über Katzen-Massnahmen gross sein: Mit 1,4 Millionen Hauskatzen hat Neuseeland eine der weltweit höchsten Katzenbesitzraten.
Während einige Ortschaften in Australien mit der nächtlichen Ausgangssperre für Hauskatzen erste Schritte zur Schadensbegrenzung gewagt haben, steht Neuseeland mit der gescheiterten Wildkatzenjagd noch immer am Anfang seines Katzenproblems.