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Katzenjagd in Neuseeland: Kinder können 250 Dollar gewinnen

Im Norden Canterburys in Neuseeland braute sich in den letzten Tagen was zusammen.
Im Norden Canterburys in Neuseeland braute sich in den letzten Tagen was zusammen.Bild: Shutterstock

Das Kind, das die meisten Katzen erschiesst, gewinnt in Neuseeland 250 Dollar

Katzen sind zwar herzig, aber sie sind auch kleine Killermaschinen. Das bekommt auch die einheimische Tierpopulation in Neuseeland zu spüren. Einigen Jagd-Wettbewerbsorganisatoren kam deshalb eine Idee – die nach hinten losging.
19.04.2023, 15:0020.04.2023, 13:44

Australien und Neuseeland haben ein Katzenproblem. Jährlich fallen den Fellnasen Milliarden von Säugetieren, Vögeln und sonstigen Lebewesen zum Opfer. Während Australien die nächtliche Jagd der Hauskatzen mit Ausgangssperren zu unterbinden versucht, nimmt das Nachbarland die wilden Katzen ins Visier. Dabei drehen sie den Spiess um: Aus den Jagenden machen sie die Gejagten.

Die zündende Idee hatten die Organisatoren des jährlich stattfindenden North-Canterbury-Jagdwettbewerbs. Sie entschlossen kurzerhand, für verwilderte Hauskatzen eine eigene Abschusskategorie einzuführen. Der Wettbewerb richtete sich allerdings nicht an erfahrene Jägerinnen und Jäger, sondern an: Kinder unter 14 Jahren.

Jagdwettbewerb für Kinder

Den Jagdwettbewerb für Junioren gibt es schon seit Längerem. Er ist Teil des jährlichen Jagdwettbewerbs, der zugleich als Spendenaktion für die ortsansässige Roterham Schule fungiert. Im letzten Jahr standen für die 250 teilnehmenden Junioren allerdings bloss Opossums, Enten, Hasen, Ratten und Gänse auf der Abschussliste, berichtet die neuseeländische Newsplattform Stuff.

Auf der Südinsel Neuseelands liegt das kleine Dorf Rotheram.

Am 14. April verkündeten die Organisatoren auf ihrer Facebookseite, dass dieses Jahr nun auch verwilderte Katzen auf die Abschussliste kämen und als eigene Jagdkategorie gälten. Dasjenige Kind, das zwischen dem 15. April und dem letzten Juniwochenende die meisten verwilderten Katzen erlege, gewinne den auf 250 Neuseeland-Dollar dotierten Preis, heisst es.

Weiter wurden Teilnehmende dazu aufgerufen, sich über die Unterschiede zwischen Hauskatzen und verwilderten Katzen zu informieren. Dazu verlinkte die Jagdgesellschaft eine Website der Abteilung für Naturschutz zu verwilderten Katzen. Zur Besorgnis vieler Katzenbesitzerinnen und -besitzer steht da allerdings:

«Verwilderte Katzen haben das gleiche Aussehen wie gewöhnliche, kurzhaarige Hauskatzen, z. B. gestromt, schildpatt und schwarz.»

Craig Gillies, Sprecher der Abteilung für Naturschutz, bestätigte gegenüber Stuff, dass der optische Unterschied «praktisch unmöglich» zu erkennen sei. Die Massnahmen der Jagdgesellschaft sorgen derweil für keine Beruhigung: Sollte sich in der Beute eines Kindes eine Katze mit Mikrochip befinden, so werde es vom Wettbewerb disqualifiziert.

In anderen Worten: Ob es sich um eine legitime Beute handelt, wissen die Jagenden erst, wenn das Tier bereits tot ist.

Tierschutz ist besorgt

Die Tierschutzorganisation SPCA Canterbury (Royal New Zealand Society for the Prevention of Cruelty to Animals Incorporated) bekam Wind von der Sache und zeigte sich äusserst besorgt. Auf ihrer Facebook-Seite warnte sie:

«Es ist nicht möglich, eine verwilderte, streunende oder verängstigte Hauskatze anhand ihres Aussehens zu unterscheiden, sodass die Wahrscheinlichkeit gross ist, dass bei diesem Wettbewerb Haustiere getötet werden.»

Des Weiteren würden Kinder bei solchen Anlässen oft Luftgewehre verwenden. Diese erhöhten bei den Tieren die Wahrscheinlichkeit von Schmerzen und eines in die Länge gezogenen Todes. Genau ein solcher Fall habe sich am 17. April – also zwei Tage nach Eröffnung des Jagdwettbewerbs – ereignet. Dabei sei ihnen eine Hauskatze mit einer Luftgewehrkugelwunde übergeben worden, die schliesslich ihren Verletzungen erlegen sei. Ob die Katze im Rahmen des Wettbewerbes erschossen worden sei, sei aber noch unklar, so SPCA Canterbury.

Mehr als eine Warnung auszusprechen, könnten sie aber nicht tun, gab der Tierschutz zu bedenken. Der Wettbewerb an sich verstosse gegen kein Gesetz, weshalb sie nicht in der Lage seien, Massnahmen gegen die Organisatoren zu ergreifen.

Wilde Katze
Verwilderte Katzen sind ohne die Unterstützung des Menschen auf die Jagd anderer Tiere angewiesen.Bild: Shutterstock

Die Organisatoren machen einen Rückzieher

Der grosse Aufschrei in der Gesellschaft und den Medien ging allerdings nicht spurlos an den Organisatoren vorbei. Am 17. April gaben sie auf Facebook bekannt, dass die Katzen-Kategorie aus dem Wettbewerb gestrichen worden sei:

«Wir anerkennen die geäusserten Bedenken und haben daher die Meldung am 17. April um 17.30 Uhr von unserer Seite entfernt und damit begonnen, Rat und Anleitung für die nächsten Schritte einzuholen.»

Leider seien einige unangemessene Nachrichten an die Rotheram Schule und andere Beteiligte geschickt worden, heisst es weiter. Da die Sponsoren und die Sicherheit der Schule für sie oberste Priorität hätten, sei die Kategorie für dieses Jahr zurückgezogen worden. Dass der Entscheid wohl nicht aufgrund von Sorge um die Hauskatzen getroffen wurde, verdeutlicht auch die nächste Aussage:

«Wir sind enttäuscht und entschuldigen uns bei denjenigen, die sich darauf gefreut haben, an einer Aktion zum Schutz unserer heimischen Vögel und anderer gefährdeter Arten teilzunehmen.»

Katzen als Gefahr für Biodiversität

Dass Katzen auf der Insel ein grosses Problem sind, lässt sich dennoch nicht leugnen. Laut eines Forschungsberichts aus dem Jahr 1978 haben Katzen zur Ausrottung von mindestens sechs endemischen Vogelarten und über 70 Unterarten beigetragen. Dass Katzen für die lokale Tierpopulation ein so grosses Problem darstellen, hat einen konkreten Grund: Abgesehen von gerade mal zwei Fledermausarten gab es in Neuseeland bis zur Besiedlung durch die Polynesier und die Europäer keine auf dem Land lebenden Säugetiere. Bis ca. 1250 bewohnten die Vögel die Insel deshalb ohne Konkurrenz durch Säugetiere.

Kea Vogel in Neuseeland.
Die Katzen machen auch Jagd auf Keas, einheimische Bergpapageien. Ihr Bestand ist dramatisch zurückgegangen. Mit nur noch 7000 Exemplaren gilt der Vogel als vom Aussterben bedroht.Bild: Shutterstock
Der Kakapo in Neuseeland ist vom Aussterben bedroht.
Noch schlimmer steht es um den Kakapo. Vom nur in Neuseeland beheimateten Papagei gab es Stand 2021 nur noch 204 ausgewachsene Tiere. Aufgrund seiner Flugunfähigkeit ist er für Katzen leichte Beute.Bild: Shutterstock

Sowohl die Ankunft der Katze in der Mitte des 18. Jahrhunderts als auch die Einschleppung anderer Säugetiere brachten das ökologische System in Neuseeland ins Wanken. Deswegen kündigte die neuseeländische Regierung 2016 weltweit das erste Raubtier-Ausrottungsprogramm an. Ziel: Bis 2050 soll das Land frei von eingeschleppten Schädlingen wie Opossums, Ratten, Mäusen und Hermelinen sein. Nicht aber auf der Liste befinden sich Katzen. Dies, obwohl auch sie als Raubtiere gelten und für die einheimische Tierwelt eine grosse Bedrohung darstellen. Gleichzeitig aber jagen sie auch genau diejenigen Tiere, die die Regierung ausrotten will. Zudem dürfte der Aufschrei über Katzen-Massnahmen gross sein: Mit 1,4 Millionen Hauskatzen hat Neuseeland eine der weltweit höchsten Katzenbesitzraten.

Während einige Ortschaften in Australien mit der nächtlichen Ausgangssperre für Hauskatzen erste Schritte zur Schadensbegrenzung gewagt haben, steht Neuseeland mit der gescheiterten Wildkatzenjagd noch immer am Anfang seines Katzenproblems.

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151 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Walter Sahli
19.04.2023 15:37registriert März 2014
Puh, da haben die Katzen ja nochmals Glück gehabt. Jetzt können die kleinen Goldschätze nur Opossums, Enten, Hasen, Ratten und Gänse kindergerecht verwunden.
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LadyGlam
19.04.2023 15:27registriert September 2021
Ich verstehe die Welt je länger je weniger. Man könnte diese Wildkatzen ja einfangen und kastrieren, das könnte doch helfen. Und warum muss man Kindern Schiessgewehre, egal in welcher Form, in die Hände geben? Gaht‘s no?
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Optimistic Goose
19.04.2023 16:23registriert Januar 2015
Hauskatzen sind auch bei uns ein riesiges Problem für die einheimischen Wildtiere.
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