Einen Tag nach seinem Freispruch wegen mutmasslicher Falschaussage hat Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) eine «offene und mutige Debatte» über Reformen im Justizsystem gefordert.
«Es gibt auch in guten Systemen Fehlentwicklungen», sagte der 38-Jährige mit Blick auf sein vierjähriges Verfahren.
Das Oberlandesgericht (OLG) Wien hatte am Montag ein Urteil der Erstinstanz aufgehoben, dass eine achtmonatige Bewährungsstrafe vorsah. Das OLG wertete eine Aussage von Kurz im Ibiza-Untersuchungsausschuss nicht als falsch – im Gegensatz zum Landgericht Wien.
In seinem Fall wie auch in anderen langjährigen Ermittlungen und Prozessen vermisse er eine Verhältnismässigkeit zum Schutz der Beschuldigten, sagte Kurz. «Nicht jede Anzeige und nicht jede politisch motivierte Anschuldigung sollte wie ein Heissluftballon aufgeblasen werden zu einem gigantischen Verfahren.» So sei bei ihm erstinstanzlich an zwölf Tagen verhandelt und es seien 30 Zeugen gehört worden, Tausende Aktenseiten seien entstanden und fast 10'000 Berichte in den Medien weltweit veröffentlicht worden.
Kurz plädierte für eine andere politische Kultur, in der es nicht mehr um den nächsten Skandal, um die nächste Anzeige gehe. Kurz war nach seinem Auftritt im Ibiza-Untersuchungsausschuss von den liberalen Neos angezeigt worden.
Gegen den Ex-Regierungschef wird auch noch in der sogenannten Inseraten-Affäre ermittelt. Dabei wird ihm vorgeworfen, dass er mit Steuergeld bezahlte Umfragen sowie Regierungs-Inserate in Boulevard-Zeitungen platzieren liess. Dafür soll sich das Team um Kurz positive Berichterstattung erhofft haben. Der Ex-Kanzler bestreitet die Vorwürfe.
Zu Spekulationen, dass der Freispruch seine Rückkehr auf die Politikbühne erleichtern könnte, gab sich Kurz bedeckt. Er werde sich als Bürger in die politischen Debatten einbringen, sagte Kurz, der als Unternehmer aktiv ist. (nib/sda/dpa)