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Hamas Gaza Krieg beendet: Das sagen Israeli und Palästinenser dazu

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In Tel Aviv feiern die Menschen das Friedensabkommen auf dem Platz, der den Übernamen Geiselplatz erhalten hat.Bild: keystone

Wird das der «ewige Frieden» in Nahost? So sehen es Menschen in Israel und Gaza

In Tel Aviv feiern Tausende die angekündigte Waffenruhe – doch Trumps Vision stösst neben Hoffnung auch auf Skepsis und Schmerz.
10.10.2025, 19:29
Felix Wellisch, Tel Aviv und Lisa Schneider / ch media

Sie sind euphorisch, sie tanzen, weinen, singen auf dem Tel Aviver Geiselplatz am Donnerstag, bis in die Nacht hinein. Tausende Menschen sind da, sie freuen sich über die Nachricht über eine Waffenruhe im Gazastreifen. Zwei Jahre war der Platz zwischen Kunstmuseum und Armeehauptquartier das Herz der Protestbewegung der Geiselangehörigen. Jetzt, angesicht der Aussicht auf die baldige Rückkehr der 20 noch lebenden Geiseln, ist die Freude riesig.

In den Hintergrund tritt, dass die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump nur die Zustimmung für eine «erste Phase» beinhaltet. Zahlreiche Fragen für ein endgültiges Ende des Krieges sind noch zu beantworten: Wird die Hamas ihre Waffen abgeben? Wie soll die künftige Verwaltung des Gazastreifens aussehen?

Vor allem aber geht Trumps Plan über eine Waffenruhe weit hinaus. Nichts weniger als «ewigen Frieden» im Nahen Osten soll er bringen. Doch viele Israelis sind zwei Jahre nach dem Hamas-Überfall am 7. Oktober, bei dem rund 1200 Menschen getötet und 251 verschleppt wurden, nicht mehr für Kompromisse für Frieden mit den Palästinensern bereit. Drei Viertel der jüdischen Israelis denken laut Umfragen nicht, dass Palästinenser überhaupt ein Recht auf einen eigenen Staat haben sollten, ein historisch hoher Wert. Wie ernst nimmt man Trumps Friedens-Vision in Israel?

Unweit des Geiselplatzes beginnt das Wochenende. Der Lärm in den gefüllten Bars und Restaurants auf der Ibn-Gabriol-Strasse schafft eine absurde Normalität, kaum eine Autostunde entfernt von den pausenlosen israelischen Luftangriffen auf den Gazastreifen. Nur wer am nahegelegenen Strand genau horcht, hört hin und wieder leise das Wummern einer der Explosionen in Gaza, wo binnen zwei Jahren mehr als 67'000 Menschen getötet wurden, die meisten von ihnen Zivilisten. Erst um Mitternacht wird die Waffenruhe in Kraft treten.

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Eine Frau hält ein Plakat mit den Geiseln, die nun freikommen sollen, hoch.Bild: keystone

«Das Abkommen gibt mir Hoffnung», sagt Moschik Bibi, der neben seiner Verlobten Atalya Ben Zeev in einer Bar Platz genommen hat. «Vielleicht sogar auf Frieden», meint der Elektrotechniker. Ben Zeev widerspricht: «Ich glaube nicht, dass die Araber Frieden wollen», sagt sie und meint die Palästinenser im Gazastreifen. Es müsse eben vorher die Hamas weg, wendet Bibi ein. «Gazaner bleiben Gazaner», beharrt Ben Zeev. Sie würden «ihren Kindern Hass beibringen» – ein Satz, der in Israel sehr oft gesagt wird.

Trump als «Gouverneur von Gaza»

Es sei die junge Generation in Gaza, die nicht bereit zum Frieden sei, sagen beide. Aber sei nicht ein Grund dafür, dass binnen zwei Jahren rund 20'000 Kinder bei israelischen Angriffen getötet wurden und ein Teenager in Gaza bereits vor dem 7. Oktober mehrere Kriege mit tausenden Toten auf palästinensischer Seite erlebt hat? «Daran ist die Hamas schuld, wir müssen uns verteidigen», sagt Ben Zeev. «Ich glaube nicht, dass wir jemandem etwas getan haben», sagt sie. Den Israelis aber seien von den Hamas-Kämpfern Dinge angetan worden, die es «nicht einmal im Holocaust gegeben habe.»

Er bestellt ein grosses Bier, sie Aperol Spritz und Nachos mit Guacamole. Was also müsste in Gaza für «ewigen Frieden» passieren? Vielleicht könne ja die Verwaltung durch die USA, wie von Trump vorgeschlagen, etwas ändern, sagt Bibi. «Ich will glauben, dass auch unter den Palästinensern die meisten gerne in Frieden leben würden.» Eine israelische Mitverantwortung auf dem Weg zum Frieden aber sieht auch er nicht.

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Eine israelische Mitverantwortung am Kriegsleid? Die sehen viele Israeli nicht.Bild: keystone

Ein paar Meter weiter im Restaurant Miznon schlagen Irit Segal und ihre Freundin Ronit nachdenklichere Töne an. «Frieden ist das falsche Wort nach all dem Grauen, das in den letzten zwei Jahren passiert ist», sagt Segal. Realistischer sei, «dass sie dort ihre Ruhe haben und wir hier.» Ohne Waffen in Gaza, ohne Raketen, «ohne Provokationen». Ronit wendet ein: «Dann dürften wir auch nicht provozieren und ihnen wie vor dem Krieg bei jeder Armeeoperation Wasser und Strom abdrehen.»

Auch den beiden Frauen gefällt die Idee von Trump als «Gouverneur von Gaza». Jemand müsse dort «die Lage kontrollieren», sagt Segal. Die Palästinenser müssten dazu «nur den richtigen Blickwinkel finden.» Es komme jemand und kümmere sich, eine Art Wiederaufbau wie in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Danach würde es «für sie dort genug Dinge geben», sagt Segal. Der US-Präsident hätte es wohl selbst kaum paternalistischer ausdrücken können.

Hoffnung und Verzweiflung in Gaza

Mahdi, der nur seinen Vornamen nennt, steht an diesem Donnerstag an seinem Gemüsestand im Gazastreifen und verschenkt Orangen – obwohl diese normalerweise nur für sehr viel Geld über die Ladentheke gehen. Wohl die meisten Menschen in Gaza haben in den vergangenen beiden Jahren keine Orangen mehr gegessen. Für Mahdi zählt an diesem Tag nichts als die Hoffnung, dass der Krieg wirklich vorbei ist.

A displaced Palestinian woman carries her baby as she walks with others along the coastal road near Wadi Gaza in the central Gaza Strip, heading toward Gaza City, Friday, Oct. 10, 2025, after Israel a ...
Zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Eine vertriebene Mutter mit ihrem Säugling unterwegs nach Gaza City.Bild: keystone

Die Palästinenserin Nahed, die ebenfalls nur ihren Vornamen nennt, kann sich über den Waffenstillstand nicht freuen. Sie habe ihre gesamte Familie verloren erzählt sie: die Eltern, alle Geschwister. Ihre Stimme klingt emotionslos. Sie wolle Gaza nur noch verlassen sagt sie. «Die Erinnerungen sind zu schmerzhaft. Ich kann hier nicht mehr sein». Jedes Land, das sie aufnehmen wolle, sei ihr recht, sagt sie. Hauptsache weg.

Ein wenig Hoffnung auf Besserung in Gaza hat Mohamed Shaheen, Künstler und vor dem Krieg einmal Lehrender an einer Universität im Küstenstreifen. Er wolle beim Wiederaufbau helfen. Wolle Kurse geben in Kunst, damit helfen, Kindern ihr Lächeln zurückzugeben. «Als Künstler – und auch als palästinensischer Bürger – ist das meine Rolle», sagt er.

Die grundlegenden Probleme bleiben

Die Ursachen des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern lassen sich mit dem Waffenruhe-Deal allein nicht beheben. Das weiss man auch in Jaffa, etwas südlich von Tel Aviv. «Ewiger Frieden ist komplizierter, als Trump sich das vorstellt», sagt Chalil. Der 19-Jährige arbeitet nach seinem Schulabschluss in einer Bäckerei in der Stadt. Er will bald ein Studium in Umwelttechnik beginnen. «Die Gründe, warum dieser Konflikt seit mehr als 100 Jahren existiert und immer komplizierter wird, lassen sich nicht einfach wegwischen», sagt er.

Seine Familie lebe seit Generationen in Jaffa. Seine Grossmutter habe bis heute Kontakte zu Verwandten, deren Eltern und Grosseltern 1948 nach der israelischen Staatsgründung vor der israelischen Armee nach Süden geflohen waren. Manche von ihnen seien bei israelischen Angriffen in Gaza getötet worden.

«Trump ist verrückt», sagt Chalil, aber immerhin habe er diesmal etwas Gutes erreicht. Die Lösung aber sei eine temporäre. «Für echten Frieden braucht es gleiche Rechte für alle Menschen in diesem Land», sagt er. Das sei von Anfang an ein Kernproblem dieses Konfliktes gewesen, darum ginge es bis heute. Auch Chalil spricht von Erziehung: Er sagt, auf beiden Seiten würde Kindern Hass beigebracht. Der Kreislauf der Gewalt und der Angst gehe weiter. «Das kann man nicht über Nacht lösen, das braucht Zeit.» (aargauerzeitung.ch)

Tausende Palästinenser strömen zurück nach Gaza

Video: extern/reuters
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