International
Palästina

Humanitäre Hilfe in Gaza nicht möglich – «es braucht eine Gefechtspause»

epa10911537 A Palestinian woman (L) sits among the rubble in the destroyed Al-Ramal neighborhood following an Israeli air strike in Gaza City, 10 October 2023. More than 700 people have been killed an ...
Ein Palästinenser rettet seine Habseligkeiten aus den Trümmern nach einem israelischen Luftangriff in Gaza-Stadt, 10. Oktober 2023.Bild: keystone

«Es braucht eine Gefechtspause, um humanitäre Hilfe in Gaza leisten zu können»

Israel fordert die Menschen in Gaza auf, in den Süden des Landes zu fliehen. Dieter Wüthrich vom Schweizer Hilfswerk HEKS spricht von einer «kaum umsetzbaren» Anordnung. Die Menschen können sich nicht selbst evakuieren.
13.10.2023, 15:4713.10.2023, 19:57
Mehr «International»

Die Menschen in Gaza leben mit knappen Lebensmittelvorräten im Bombenhagel. Verlassen können sie die Region nicht: Der einzige Grenzübergang nach Ägypten, der nicht von Israel kontrolliert wird, ist geschlossen worden.

Israels Militär hat nun zur Massenevakuierung im nördlichen Gazastreifen aufgerufen: «Das Militär ruft alle Zivilisten von Gaza auf, ihre Häuser innert 24 Stunden zu ihrer eigenen Sicherheit nach Süden zu verlassen.»

Mediensprecher Dieter Wüthrich des Hilfswerks HEKS spricht von einer «kaum umsetzbaren» Anordnung. «Es herrscht ein Dauerbombardement. Die Menschen können sich kaum frei fortbewegen in dieser lebensgefährlichen Situation.»

Hinzu kommt, dass die Strassen im ganzen Gazastreifen durch die Luftangriffe zerstört worden und mit Trümmern übersät sind. «Die Menschen können nicht einfach in ein Auto steigen und in Richtung Süden fahren.» Unterkünfte würde es im Süden auch keine geben. Zudem sind viele Menschen bereits in den letzten Tagen innerhalb des Gazastreifens von einem Standort zum anderen geflüchtet, um sich in Sicherheit zu bringen.

Fire and smoke rise following an Israeli airstrike, in Gaza City, Sunday, Oct. 8, 2023. The militant Hamas rulers of the Gaza Strip carried out an unprecedented, multi-front attack on Israel at daybre ...
Feuer und Rauch steigen nach einem israelischen Luftangriff in Gaza-Stadt auf, 8. Oktober 2023.Bild: keystone
GAZA CITY, GAZA - OCTOBER 09: A view of destroyed Al-Garbi Mosque hit by Israeli airstrike, in western Gaza City, Gaza Strip on October 09, 2023. A total of 6 mosques in Gaza have been destroyed by Is ...
Die zerstörte Al-Garbi-Moschee im Westen von Gaza-Stadt, 09. Oktober 2023.Bild: Anadolu

In Gaza leben rund 2,3 Millionen Menschen in einem Gebiet, das etwa so gross ist wie der Kanton Schaffhausen. «Stellen Sie sich vor, dort müssten in kürzester Zeit Hunderttausende Einwohnerinnen und Einwohner evakuiert werden. Das ist kaum durchführbar.»

Ägypten hatte den einzigen Grenzübergang in Rafah am Südrand des Gazastreifens nach Luftangriffen am Montag für unbestimmte Zeit geschlossen. Ägypten hat zwar angeboten, Treibstoff nach Gaza passieren zu lassen, aber Israel hat dies abgelehnt. «Und selbst wenn Ägypten seine Grenzen öffnen würde, bleibt die Evakuierung so vieler Menschen eine kaum lösbare Aufgabe», sagt Wüthrich.

Die Versorgung mit Strom, Treibstoff, Wasser und Nahrung wurde gekappt, nachdem Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die «totale Abschottung» des Gazastreifens anordnete. Humanitäre Hilfe könne derzeit keine geleistet werden. Der Gazastreifen ist völlig abgeriegelt. «Es gibt keinen Zugang für Hilfslieferungen», sagt Wüthrich. Die Vorräte von früheren Hilfsgütern dürften bald ausgehen. Die Krankenhäuser stehen kurz vor dem Kollaps.

epaselect epa10907217 An aerial view shows people inspecting the destroyed Al-Aklouk Tower following Israeli air strikes, in Gaza City, 08 October 2023. The air strikes, in retaliation for the 07 Octo ...
Eine Luftaufnahme zeigt Menschen, die den zerstörten Al-Aklouk-Turm nach israelischen Luftangriffen in Gaza-Stadt inspizieren, 08. Oktober 2023.Bild: keystone

«Es braucht einen Waffenstillstand oder es müsste zumindest eine Gefechtspause eingelegt werden, damit man überhaupt humanitäre Hilfe leisten kann», schätzt Wüthrich. So könnte man die Grenzen öffnen und die Menschen mit Hilfsgütern versorgen. «Man darf nicht vergessen, dass der Konflikt, der zu dieser katastrophalen Lage geführt hat, nicht erst in den letzten Tagen begonnen hat», betont Wüthrich. Schlussendlich seien die Leidtragenden die Zivilistinnen und Zivilisten auf beiden Seiten – einmal mehr.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Angriff auf Israel
1 / 24
Angriff auf Israel
Am Morgen des 7. Oktobers 2023 startete die Terrormiliz Hamas einen grossflächigen Angriff auf zahlreiche Ziele in Israel. Es handelt sich um den grössten Massenmord an Jüdinnen und Juden seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges.
quelle: keystone / abir sultan
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Hamas-Video suggeriert: Beim Grossangriff auf Israel kamen Paragleiter zum Einsatz
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
93 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Esther R.
13.10.2023 17:38registriert November 2018
Anscheinend bereitet die Hamas die Attacke schon über einem Jahr vor. Hätten sie sich auch nur einen Deut um die Bevölkerung gekümmert, hätten sie mehr als genug Zeit sich mit Wasser und Elektrizität und anderen grundlegenden Versorgungsmittel auszustatten. Israel beschützt ihr Volk mit der IDF, Hamas beschützt sich selbst mit dem Volk. Jeder der das anders sieht ist entweder sehr Naiv oder schlichtweg blind.
5311
Melden
Zum Kommentar
avatar
Pat da Rat
13.10.2023 17:23registriert Mai 2022
Die Palästinenser dürfen sich bei der Hamas dafür bedanken und können auch gleich mal nachfragen wo die zig Millionen an erhaltenen Spendengeldern hingeflossen sind. Die Hamas hat das so bestellt... und das wird jetzt so geliefert, wie bestellt.
5622
Melden
Zum Kommentar
avatar
TheHawk
13.10.2023 17:03registriert März 2020
Ich verstehe die Verweiflung der Palästinenser/innen. Schrecklich was ihnen passiert. Es ist aber auch schrecklich was den Israeler/innen passiert. Aber was ich nicht verstehe, ist wieso die Palästinenser/innen die Hamas auf demokratischem Weg gewählt hat. Genau so wenig verstehe ich wieso Israel eine nationalpopulistische Regierung gewählt hat.

Hier sieht man sehr "schön" was passiert, wenn man im 21. Jahrhunder populistische Politiker wählt. Im Endefekt richten sie IMMER mehr Schaden an, als das sie Lösungen bieten. Ein Warnschuss an alle Demokratien in Europa!
3816
Melden
Zum Kommentar
93
17 Jahre danach: Britische Polizei erhält wieder Geld, um nach Maddie zu suchen
17 Jahre nach dem Verschwinden der kleinen Maddie stellt das britische Innenministerium weiteres Geld für die Ermittlungen zur Verfügung.

Das Ministerium habe der Metropolitan Police bis zu 192'000 Pfund (umgerechnet etwa 220'000 Franken) für das Jahr 2024/2025 bewilligt, meldete die britische Nachrichtenagentur PA am Mittwoch unter Berufung auf eine Anfrage im Parlament.

Zur Story