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Gaza: Frühchen vom Schifa-Spital zur Behandlung in Ägypten

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Die Frühchen werden im Emirati-Spital in Rafah für ihre Evakuierung vorbereitet.Bild: keystone

Das Schicksal der Frühchen vom Schifa-Spital

28 zu früh geborene Babys, die sich im Schifa-Spital in Gaza auf der Intensivstation befanden, wurden am Montag für medizinische Behandlung über die Grenze nach Ägypten gebracht. Für einige kam die Hilfe jedoch zu spät.
22.11.2023, 11:0222.11.2023, 13:26
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Die Babys vom Schifa-Spital wurden zum Symbol für das Leid der Zivilisten im Spital, das letzte Woche von den israelischen Streitkräften (IDF) gestürmt wurde. 31 von ihnen wurden am Sonntag zunächst vom Schifa-Spital nach Rafah ins Emirati-Spital, nahe der Grenze zu Ägypten, evakuiert. Von dort wurden 28 der Frühchen am Montag über die Grenze gebracht – drei weitere verblieben im Gazastreifen.

Das Schicksal von Mera, Dahab und Anas

Ayat Al Daour ist die Mutter von Zwillingen, die ins Emirati-Spital nach Rafah gebracht wurden, wie die New York Times schreibt. Sie habe sie fünf Tage nach Beginn der Kämpfe zur Welt gebracht und konnte kurz darauf das Spital verlassen – jedoch ohne ihre beiden Töchter Mera und Dahab. 39 Tage musste sie auf ein Wiedersehen warten.

Als sie das Spital verliess, sei sie in ein Flüchtlingslager in Gaza geflüchtet und kurz darauf weiter in den südlichen Gazastreifen. Während dieser Zeit hatte sie keine Möglichkeit, das Schifa-Spital zu kontaktieren, und wusste darum auch nicht, wie es ihren Töchtern ging. Als sie hörte, dass alle Frühchen ins Emirati-Spital in den Süden des Gazastreifens verlegt worden seien, machte sie sich zu Fuss auf den Weg. Ihre Sorge war gross, da sie in den News gehört hatte, dass ein Frühgeborenes gestorben sei. Ob es eines ihrer Babys war, wusste sie nicht. Nach einem stundenlangen Marsch dann endlich die Erleichterung: Sie konnte ihre Zwillinge sehen, denen es den Umständen entsprechend gut ging. Für weitere Behandlungen wurden sie dennoch nach Ägypten gebracht.

Auch Warda Sbeta fürchtete um ihr Neugeborenes, wie sie am Dienstag gegenüber Reuters erzählte. Sie und ihr Mann hätten verzweifelt die Namensliste überprüft, welche die Neugeborenen-Abteilung des Rafah-Spitals veröffentlicht hatte. Und da stand es schwarz auf weiss: Anas. Ihr kleiner Junge war in Sicherheit.

Sie hätte ebenfalls die Möglichkeit gehabt, sich mit ihrem Sohn nach Ägypten transferieren zu lassen. Die 32-jährige Mutter hat jedoch noch weitere sieben Kinder, um die sie sich mit ihrem Mann kümmern muss. Aus diesem Grund schlug sie das Angebot aus, weshalb sie jetzt mit ihrem Mann, dem Frühchen und ihren sieben weiteren Kindern in der Flüchtlingsunterkunft in Chan Yunis lebt. Anas ist somit eines von drei Babys, das im Gaza-Streifen geblieben ist. Gemäss Ärzten im Rafah-Spital konnte eines der beiden anderen Babys bislang nicht identifiziert werden. Zum dritten Baby gaben sie keine Informationen.

Für einige Babys kam die Hilfe zu spät

Für mindestens fünf der Babys kam die Hilfe zu spät: Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA) vermeldete, dass aufgrund von mangelndem Strom und Treibstoff fünf zu früh geborene Babys im Schifa-Spital gestorben seien. Reuters spricht derweil von acht toten Frühchen. Als das Spital am 12. November Alarm geschlagen habe, hätten die Pflegenden sich noch um 39 Babys gekümmert.

Die WHO teilte am Sonntag mit, dass alle Babys ernsthaft krank seien. 11 oder 12 befänden sich in kritischem Zustand. Auch das UNICEF, das an der Evakuierung der Babys beteiligt war, sagte, dass sich der Zustand der Babys vor der Evakuierung rapide verschlechtert habe.

WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus postete auf der Plattform X ein Foto eines UNO-Blauhelmsoldaten mit einem der Frühchen. Er schreibt, die Babys seien zusammen mit sechs Pflegenden und zehn Familienangehörigen von Spitalangestellten unter extrem heiklen und hochgefährlichen Bedingungen evakuiert worden. Wie UNICEF Sprecher James Elder gegenüber Reuters sagte, seien 20 Babys ohne die Begleitung von Familienangehörigen in Rafah eingetroffen. Während einige von ihnen verwaist seien, gebe es bei anderen keine Informationen über ihre Familien.

Seit Oktober von den Babys getrennt

Viele Babys im Schifa-Spital wurden nach dem 7. Oktober von ihren Familien getrennt. An diesem Tag startete die Hamas einen beispiellosen Angriff auf Israel, bei dem sie 1200 Menschen tötete und 240 entführte. Israels Militär flog als Reaktion darauf zahlreiche Luftangriffe auf den Gazastreifen und rückte mit Bodentruppen in die abgeriegelte Region ein. Mehr als 13'000 Menschen wurden seither nach Angaben der Hamas im Gazastreifen getötet. Den Vereinten Nationen zufolge wurden 1,7 Millionen Menschen durch die militärische Eskalation vertrieben.

Auch Sbeta musste mit ihrer Familie ihre Heimat in Gaza-City verlassen und in den Süden flüchten. Den kleinen Anas, der bereits vor dem 7. Oktober im Schifa-Spital in Behandlung war, musste sie zurücklassen. Wenig später aber habe sie einen Anruf aus dem Spital erhalten, erzählt Sbeta. Sie wurden gebeten, das Baby abzuholen, doch die Strassen zurück in den Norden waren zu.

Das Spital war nach kurzer Zeit bereits überfüllt. Patientinnen und Patienten wurden in den Gängen auf dem Boden versorgt, während Strom und Treibstoff langsam ausgingen. Als das Spital am 15. November von israelischen Streitkräften gestürmt wurde, hielt Sbeta die Trennung von ihrem Baby kaum mehr aus. Israel warf den Hamas vor, das Spital als ihre Kontrollzentrale zu nutzen, was die Hamas stets bestritt. Nach dem Sturm auf das Spital riss die Kommunikation zum Spital komplett ab und Sbeta wusste nicht, ob ihr Baby noch lebte oder sich irgendjemand darum kümmerte.

Am 20. November wurden die Frühchen schliesslich aus dem Schifa-Spital gerettet. An der Evakuierung waren gemäss eigenen Angaben auch die israelischen Streitkräfte beteiligt. Wie sie auf Twitter schrieben, hätten sie die Evakuierung erleichtert und Brutkästen geliefert.

So geht's jetzt weiter

Dr. Mohammad Salama, verantwortlich für die Neugeborenen-Abteilung im Emirati-Spital in Rafah, sagte gegenüber Reuters, der Zustand der drei Babys, die sich zunächst noch im Spital in Gaza befunden hatten, sei «stabil». Alle 31 Frühchen seien jedoch in «katastrophalem Zustand» gewesen, als sie in Rafah eingetroffen seien. «Einige waren mangel-ernährt, andere dehydriert und gewisse hatten eine tiefe Körpertemperatur.»

Nachdem die Babys zunächst in der Geburtsklinik in Rafah versorgt wurden, wurden sie in die Stadt al-Arisch, die Hauptstadt des ägyptischen Gouvernements Nordsinai, gebracht. Zwölf von ihnen wurden weiter nach Kairo geflogen. Jeremy Hopkins, Chef der UNICEF in Kairo, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, man arbeite mit den ägyptischen Behörden zusammen, um die genauen Umstände der Babys abzuklären. Man kläre insbesondere ab, wie man den Babys, die ohne Begleitung in Ägypten eingetroffen seien, auch über die medizinische Hilfe hinaus helfen könne.

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55 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Dr. Lillian Bonner
22.11.2023 11:13registriert November 2023
Babys, Kinder, Jugendliche leiden oder müssen sterben, weil erwachsene, mächtige Männer es nicht hinkriegen, friedlich und wertschätzend ihre Gesellschaften zu führen sondern darauf aus sind oder damit beschäftigt sind, andere zu demütigen, zu dominieren und zu töten.
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Die Geschichte wiederholt sich...
22.11.2023 12:11registriert Februar 2022
Es ist einfach nur erschütternd zu sehen, dass auch in diesem Konflikt mal wieder die Schwächsten am meisten leiden. Ich hoffe, Israel gelingt es die Hamas zu eliminieren. Es wäre zum Wohle der Palästinenser und Israels das Beste! So lange die Hamas weiter besteht, wird es nie Frieden geben.
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Randy Orton
22.11.2023 11:42registriert April 2016
Schrecklich was die Hamas den Menschen auf beiden Seiten des Grenzzaunes antut. Ich hoffe, dass nach dem Krieg verhindert werden kann, dass erneut terroristische Gruppierungen die Macht an sich reissen.
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