International
Israel

Israel findet deutlich weniger Hamas-Terroristen im Schifa-Spital als

In this image taken from a video released by the Israeli Defense Forces on Wednesday, Nov. 15, 2023, Israeli soldiers walk in the area of Al-Shifa hospital in Gaza City. The Israeli military released  ...
IDF-Soldaten vor dem Schifa-Spital.Bild: keystone

Israelische Armee findet deutlich weniger Hamas-Terroristen im Schifa-Spital als erwartet

Israels Armee ist im grössten Krankenhaus Gazas auf Waffen und Hunderte Patienten in katastrophaler Lage gestossen. Hamas-Terroristen wurden hingegen nur wenige gefunden.
16.11.2023, 12:32
Frederike Holewik / t-online
Mehr «International»
Ein Artikel von
t-online

Es galt als ein strategisch wichtiges Ziel im Krieg zwischen der Terrorgruppe Hamas und dem Staat Israel: das Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza. Doch nachdem die israelische Armee (IDF) in der Nacht zum Mittwoch in die Klinik eingedrungen ist, sind viele Fragen offen.

Die IDF hat nach eigener Darstellung vor Ort zwar Waffen sichergestellt, doch die im Krankenhaus vermuteten 200 Hamas-Terroristen wurde bisher nicht gefunden. «Haben sich 200 Hamas-Kämpfer in Luft aufgelöst?», fragt deshalb nun unter anderem die «Jerusalem Post».

Offenbar nicht ganz: Fünf Hamas-Terroristen sollen ausserhalb des Krankenhauses getötet worden sein. Seit Tagen ist die Region rund um die Klinik schwer umkämpft. Die heftigen Kämpfe am Mittwoch bestätigte ein Arzt, der vor Ort war. Es habe stundenlange Schusswechsel und Bombardements gegeben, berichtete der Mediziner der Klinik laut «Washington Post». Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Armeesprecher: «Schifa ist ein Symbol»

Ob die israelische Armee sich mehr von dem Einsatz erhofft hatte, ist unklar, aber naheliegend. Dem Krankenhaus Al-Schifa wird eine besondere strategische Bedeutung zugeschrieben – und das nicht erst seit Kurzem.

Bereits im Gaza-Konflikt 2014 hatten israelische Militärexperten betont, dass die Hamas das grösste Krankenhaus in Gaza nutze und sich in darunter liegenden Tunnelsystemen verstecke. «Schifa ist ein Symbol, keiner von der Hamas-Führung hätte sich vorstellen können, dass wir dort hingelangen», erklärte Israels Armeesprecher Daniel Hagari nun erneut.

Nach dem Massaker am 7. Oktober 2023 seien 200 Hamas-Terroristen dort untergekommen, sagte Hagari weiter. Ein Arzt vor Ort bestätigte der BBC, dass es unter dem Krankenhaus Tunnelsysteme gebe, das sei allerdings unter quasi allen Gebäuden der Fall.

In this image taken from a video released by the Israeli Defense Forces, Wednesday, Nov. 15, 2023, Lt. Col. Jonathan Conricus, an Israeli military spokesman, holds up a bullet proof vest with a Hamas  ...
In einem Video präsentiert die israelische Armee, was sie im Al-Schifa-Spital gefunden hat: darunter eine Weste mit dem Symbol der Hamas. Bild: keystone

Wo sich die nun alle aufhalten, ist unklar. Klar ist hingegen: Die Hamas hatte Zeit, sich vorzubereiten. Dass das israelische Militär früher oder später versuchen würde, zu dem Krankenhaus vorzudringen, war absehbar. Es könnte also sein, dass die Terrororganisation Hamas Spuren vor Ort weitgehend beseitigt und an anderer Stelle Unterschlupf gefunden hat.

Doch die Zahl der möglichen Orte sinkt mit dem Vordringen der israelischen Armee. So wird bereits vermutet, dass sich Hamas-Terroristen auch unter Zivilisten gemischt haben könnten, um zu entkommen, und sich deshalb mittlerweile in grösserer Zahl im Süden Gazas aufhalten.

Denn selbst wenn die Zahlen der israelischen Armee stimmen, wonach bislang 5'000 Hamas-Terroristen getötet wurden, ist das nur ein kleiner Teil der geschätzten 30'000 Hamas-Terroristen, die es insgesamt geben soll.

Israelische Medien wie die «Jerusalem Post» hinterfragen deshalb die Strategie der Armee. Warum erfolgte der Zugriff auf das Krankenhaus erst jetzt? Hat das den Terroristen zu viel Zeit verschafft? Von der Armee selbst gab es dazu bislang keine einheitlichen Antworten. Am Mittwoch hiess es vom IDF lediglich, es sei «eine präzise und gezielte Operation» durchgeführt worden.

Waffen gefunden

In einem siebenminütigen Video präsentierte Armeesprecher Jonathan Conricus das Ergebnis: Hinter einem MRT-Gerät habe man eine Tasche mit einem Sturmgewehr, Munition, Handgranaten und einer Uniform gefunden.

This image taken from a video released by the Israeli Defense Forces, Wednesday, Nov. 15, 2023, shows a cache of weapons the IDF says were found in a closet at the MRI center at al-Shifa hospital in G ...
Die IDF fanden mehrere Sturmgewehre, Munition und Handgranaten im Spital.Bild: keystone

In einem anderen Schrank seien andere Waffen gefunden worden, erklärte er. Eine Ausrüstung sei mit dem Namen des bewaffneten Hamas-Arms, den Kassam-Brigaden, beschriftet gewesen. Es seien auch zahlreiche nachrichtendienstlich relevante Informationen gefunden worden. Alle Funde würden gegenwärtig untersucht.

Die Funde bewiesen «eindeutig, dass Schifa für militärische Zwecke missbraucht wurde, im absoluten Gegensatz zu internationalem Recht», sagte IDF-Sprecher Hagari. Hinweise auf die von den Hamas entführten Geiseln wurden hingegen bislang nicht gefunden. Dabei war genau das eine der grossen Hoffnungen gewesen, die mit dem Einsatz verbunden wurden.

Katastrophale Lage im Krankenhaus

Worauf die IDF im Krankenhaus hingegen stiess, waren Hunderte Patienten in teils erschreckendem Zustand. Bilder zeigen, wie Soldaten Kisten mit Beschriftungen für Babynahrung und Medizinprodukte in die Klinik bringen. Zudem sollen Brutkästen für Frühchen geliefert worden sein. Laut Armee wurden die Soldaten von einem medizinischen Team und arabisch sprechenden Ärzten begleitet.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO befanden sich mit Stand Montag mehr als 2'000 Menschen in der Schifa-Klinik im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens, darunter vermutlich mehr als 600 Patienten und rund 1'500 Vertriebene. Die Angaben beruhen auf Schätzungen des dortigen Gesundheitsministeriums, das von der Hamas kontrolliert wird. Augenzeugen bestätigten jedoch die Zahlen.

Verwendete Quellen:

  • jpost.com: "Shifa Hospital anticlimax – 200 Hamas forces evaporate into thin air? – analysis" (englisch)
  • bbc.com: "Al-Shifa: What we know about Israel's raid on Gaza's main hospital" (englisch)
  • guardian.com: "‘All men 16 years and above, raise your hands’: how al-Shifa raid unfolded" (englisch)
  • Handelsblatt: "Israels Armee dringt in Al-Schifa-Krankenhaus ein"
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
108 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
naturwald
16.11.2023 12:46registriert Oktober 2023
Israel findet im Spital weniger Hamas-Kämpfer als erwartet? Welche Überraschung, die haben sich doch längst anderswo verkrochen. Bin dezidiert gegen Hamas, aber so dumm sind die nun auch wieder nicht. Es wird viel schwieriger sein diese mitsamt den Geiseln aufzuspüren als gedacht. Es wurde noch lange nicht jedes Loch gefunden. Vielleicht sollte halt doch bald mal ein wenig verhandelt werden..
10822
Melden
Zum Kommentar
avatar
H.P. Liebling
16.11.2023 13:08registriert September 2018
Man könnte ja fragen, warum sich auch nur ein einziger Terrorist in einem Krankenhaus befindet...
13955
Melden
Zum Kommentar
avatar
Anunnaki Project
16.11.2023 14:38registriert Oktober 2023
"Israelische Medien hinterfragen deshalb die Strategie der Armee. Warum erfolgte der Zugriff auf das Krankenhaus erst jetzt?"

Irgendwie wird es langsam absurd.
Wenn die IDF schnell/bestimmt großflächige Operationen vornimmt, wirft man ihr vor, sie würde zu wenig gezielt gegen die Terroristen vorgehen& unnötig Zivilisten gefährden.

Wenn sie dann aber auf eine bessere Informationslage wartet, um Hamas gezielt/punktuell mit Spezialeinheiten anzugreifen& die Verluste in der paläst. Zivilbevölkerung zu minimieren, wird ihnen vorgeworfen, sie gingen zu langsam/ zögerlich vor.

Ja was denn jetzt 🤷
9148
Melden
Zum Kommentar
108
Drohnensichtungen an US-Ostküste: Weisses Haus beschwichtigt

Die zahlreichen gemeldeten Drohnensichtungen an der US-Ostküste sind für das Weisse Haus kein Grund zur Sorge. «Wir haben derzeit keine Beweise dafür, dass die gemeldeten Drohnensichtungen eine Bedrohung der nationalen oder öffentlichen Sicherheit darstellen», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, in Washington. «Wir verstehen, dass die Menschen besorgt sind. Wir verstehen, dass sie Fragen haben. Wir haben auch Fragen – und wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Antworten darauf zu bekommen.»

Zur Story