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Emeritierter Papst Benedikt XVI. entschuldigt sich bei Missbrauchsopfern

Benedikt XVI. bekundet «grossen Schmerz» – weist Vorwurf der Vertuschung aber von sich

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat alle Opfer von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche um Entschuldigung gebeten – Vorwürfe bezüglich Vertuschung weist er aber entschieden zurück.
08.02.2022, 13:25
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«Ich habe in der katholischen Kirche grosse Verantwortung getragen. Umso grösser ist mein Schmerz über die Vergehen und Fehler, die in meinen Amtszeiten und an den betreffenden Orten geschehen sind», schrieb er in einer Stellungnahme, die der Vatikan am Dienstag veröffentlichte.

Er wolle seine «tiefe Scham», seinen «grossen Schmerz» und seine «aufrichtige Bitte um Entschuldigung gegenüber allen Opfern sexuellen Missbrauchs zum Ausdruck bringen», heisst es in dem Schreiben weiter.

A photograph dated 19 April 2005 showing the newly elected Pope Benedict XVI as he greets pilgrims while standing on the balcony of Saint Peter's Basilica, in the Vatican, after his election. Car ...
Benedikt XVI., damals frischgewählter Papst.Bild: EPA

«Faktencheck» von Ratzingers Anwälten

Benedikt, der frühere Kardinal Joseph Ratzinger, steht seit Wochen heftig in der Kritik, weil ihm ein Gutachten zu Missbrauchsfällen im Erzbistum München und Freising Fehlverhalten in vier Fällen vorwirft. Die Gutachter der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) gehen davon aus, dass Ratzinger in seiner Zeit als Münchner Erzbischof Priester, die Kinder missbraucht hatten, wieder in der Seelsorge einsetzte.

Diese Vorwürfe werden in einem ebenfalls am Dienstag veröffentlichten «Faktencheck» von Ratzingers Anwälten und Beratern kategorisch abgestritten. «Das Gutachten enthält keinen Beweis für einen Vorwurf des Fehlverhaltens oder der Mithilfe bei einer Vertuschung», heisst es darin. «Als Erzbischof war Kardinal Ratzinger nicht an einer Vertuschung von Missbrauchstaten beteiligt.»

Missverständnis über Teilnahme an der Ordinariatssitzung

Benedikt äusserte sich auch selbst zu Vorwürfen, er habe über seine Teilnahme an einer Sitzung gelogen, in der es um die Versetzung eines Priesters von Nordrhein-Westfalen nach Bayern ging. Dieser Priester soll später in zwei oberbayerischen Gemeinden wieder mehrere Kinder missbraucht haben. Die falsche Angabe, er sei bei der fraglichen Sitzung nicht dabei gewesen, beruhe auf einem Missverständnis. Das habe sich beim Verfassen der Stellungnahme zu dem Gutachten ergeben, bei dem «eine kleine Gruppe von Freunden» ihm geholfen habe.

«Bei der Riesenarbeit jener Tage – der Erarbeitung der Stellungnahme – ist ein Versehen erfolgt, was die Frage meiner Teilnahme an der Ordinariatssitzung vom 15. Januar 1980 betrifft». Der Fehler sei «nicht beabsichtigt» gewesen - und «so hoffe ich, auch entschuldbar», schreibt Benedikt. «Dass das Versehen ausgenutzt wurde, um an meiner Wahrhaftigkeit zu zweifeln, ja, mich als Lügner darzustellen, hat mich tief getroffen.»

Die Teilnahme an der Sitzung belege nicht, dass er von früheren Missbrauchstaten des Priesters aus Essen gewusst habe, betonen Ratzingers Anwälte. Die Akten zeigten, «dass in der fraglichen Sitzung nicht thematisiert wurde, dass der Priester sexuellen Missbrauch begangen hat», schreiben sie.

Anlaufstellen für Opfer von sexueller Gewalt
Sexuelle Übergriffe können in den unterschiedlichsten Kontexten stattfinden. Hilfe im Verdachtsfall oder bei erlebter sexueller Gewalt bieten etwa die kantonalen Opferhilfestellen oder die Frauenberatung Sexuelle Gewalt. Für Jugendliche oder in der Kindheit sexuell ausgebeutete Erwachsene gibt es in Zürich die Stelle Castagna. Betroffene Männer können sich an das Männerbüro Zürich wenden. Wenn du dich sexuell zu Kindern hingezogen fühlst oder jemanden kennst, der diese Neigung hat, kann dir diese Stelle weiterhelfen.

Mindestens 497 Kinder und Jugendliche missbraucht

Laut dem am 20. Januar vorgestellten Gutachten wurden mindestens 497 Kinder und Jugendliche zwischen 1945 und 2019 in dem katholischen Bistum von Priestern, Diakonen oder anderen Mitarbeitern der Kirche sexuell missbraucht. Mindestens 235 mutmassliche Täter gab es demnach – darunter 173 Priester und 9 Diakone. Allerdings sei dies nur das «Hellfeld» - es sei von einer viel grösseren Dunkelziffer auszugehen.

In seinem Brief bittet Ratzinger die Gläubigen, für ihn zu beten: «Immer mehr verstehe ich die Abscheu und die Angst, die Christus auf dem Ölberg überfielen, als er all das Schreckliche sah, das er nun von innen her überwinden sollte», schreibt er. «Dass gleichzeitig die Jünger schlafen konnten, ist leider die Situation, die auch heute wieder von neuem besteht und in der auch ich mich angesprochen fühle.»

(yam/sda/dpa)

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11 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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cosmonaut
08.02.2022 15:41registriert Februar 2020
Ihr werdet alle in eurer Hölle schmoren.
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