Lichter aus, Vorhang auf, die Bühne betritt: Emory Tate. Der internationale Schachmeister und US-Airforce-Unteroffizier heiratet 1985 eine Engländerin und hat mit ihr drei Kinder: Janice, Tristan und den sagenumwobenen Andrew.
Die Ehe geht 1987 zu Bruch und Emory Tate verschwindet wieder. Jetzt steht Andrew, dessen Mutter sich nun allein um die drei Kinder kümmern muss, im Rampenlicht.
Mit 18 Jahren beginnt Andrews Karriere im Kickboxen. Nebenbei hält er sich mit kleinen Jobs in der Werbebranche über Wasser. 2008 wird er von der International Sport Kickboxing Association (ISKA) zum siebtbesten Light-Heavyweight-Kickboxer Grossbritanniens gekürt.
Er ginggt und boxt sich weiter durchs Leben: 2011 wird er zum ersten Mal ISKA-Weltmeister in der Cruiserweight-Klasse. Im Jahr darauf verliert er den Titel wieder nach einem spektakulären Knock-out durch den Slowenen Franci Grajš. 2013 kann er sich den Gurt zurückholen und wird zum zweiten und letzten Mal Weltmeister.
Seitdem hat sich Andrew vom grossen Kickbox-Rummel verabschiedet, gelegentlich kämpft er noch um eine kleinere niederländische Meisterschaft.
Mittlerweile (D-)Promi, schafft er es 2016 auch ins Fernsehen: Er darf bei «Big Brother UK» mitmachen. Während der Show tauchen ältere Tweets von Tate auf, die das Licht um ihn dimmen. So hatte er über den kanadischen Rapper Drake geschrieben, er sähe aus, als hätte er das Down-Syndrom, sei schwul und bezeichne sich selbst als «Cock». Der Sender entschuldigte sich und verwies darauf, dass solche Kommentare während der Sendung nicht toleriert würden.
Tatsächlich geht es nicht lange, bis Andrew aus der Sendung fliegt. Denn kurz nach Sendebeginn tauchen Videos auf, wie er eine Frau ohrfeigt und sie anschliessend mit einem Gürtel schlägt. Keine schönen Szenen. In einem anderen Video zeigt eine Frau, wo und wie viel sie geschlagen wurde. Tate sagt dazu, dass alles in gegenseitigem Einverständnis geschah, es soll ein Rollenspiel gewesen sein.
Irgendwie muss Andrew nun aber sein Geld verdienen. Dazu geht er online: Einerseits betreibt er, zusammen mit seinem Bruder, eine Cam-Website, wo sich zeitweise bis zu 70 osteuropäische Frauen vor Webcams setzen und gescriptete Heul-Storys vorgaukeln – Zuschauen gegen Bezahlung natürlich. Laut eigenen Aussagen verdient Tate damit mehrere Millionen. Das Modell ist auf einsame Männer ausgelegt, Andrew gibt im Nachhinein zu, dass das ganze ein «totaler Beschiss» sei.
Daneben schlägt er noch einen weiteren Weg ein: den des Finanzberaters. Wer sich für schlappe 50 Franken im Monat Zugang zu seiner «Hustler University» (zu Deutsch: Geldbeschaffer-Universität) verschafft, lernt so einiges über passives Einkommen, Anlage, Rendite und andere wichtige Business-Begriffe. Das Motto: Schnell und einfach Geld verdienen.
Man kann sich dabei von ausgesuchten «Professoren» in Videolektionen alles Wissen beschaffen, das der junge Hustler benötigt. So erzählt dir Professor Adam mit dem Anime-Profilbild, wie du einfach mit Krypto abkassierst, während Professor Andrew (nicht Tate) dir die Basics des «Copywritings» erklärt. Wunderbar seriös, das Ganze. Die Website der Uni ist gespickt mit Sprüchen à la «Escape the Matrix» und «Take the red pill», die sehr verbreitet sind in der QAnon-Szene.
Aber wirklich kennen tut man Andrew Tate nicht wegen seiner sportlichen Leistungen oder seiner Online-Uni, sondern wegen seiner Social-Media-Präsenz. Wem der Herr bisher noch sympathisch ist, der dürfte spätestens jetzt ins Stutzen geraten. Tate ist auf Instagram, YouTube und TikTok gesperrt (Elon Musk hat ihn dieses Jahr auf Twitter wieder entsperrt), und dies nicht ohne Grund – sein Content reicht von rechts aussen bis hin zu offen sexistisch und misogyn.
2017 schreibt er auf Twitter, dass Frauen «eine gewisse Verantwortung» haben, wenn sie vergewaltigt werden. Auch sagt er, dass es Depressionen nicht geben würde. Frauen vergleicht er mit Objekten – bei einer Heirat gingen sie in den Besitz des Ehemanns über. Auto fahren sollten sie nicht dürfen.
Heutzutage verbreitet er seinen Content mehrheitlich auf der rechten Plattform Rumble. Geklickt werden seine Videos dort Hunderttausende Male, aber seine Reichweite ist weit grösser. Denn die Mehrheit seines Contents findet sich auf Fan-Accounts auf TikTok und Instagram.
Auch hier sind die Themen fragwürdig: Wie soll man Mann sein, wie soll man nicht Mann sein, wie wird man reich (natürlich verlinkt Andrew seine Uni), wer gehört zum Abschaum der Gesellschaft und wie du zu den Top-Männern gehören kannst.
Kurz vor Silvester passiert es: Die rumänische Polizei nimmt Tate und seinen Bruder Tristan fest. Ermittelt wird wegen Vergewaltigung und Menschenhandel. Das Gerücht geht um, dass die Aktion nach einer Twitter-Fehde mit Klima-Prophetin Greta Thunberg entstanden ist. Die ganze Story rund um Greta, Andrew und die Pizzaschachtel gibt's hier:
Und wenn wir schon dabei sind:
Laut Berichten ist Andrew mittlerweile wieder auf freiem Fuss, bestätigt wurde dies jedoch noch nicht. So müssen wir wohl noch auf den Ausgang unseres Stücks warten. Gibt es ein Grande Finale in der Causa Tate, oder bleibt das Ende offen? Wir werden sehen.
STOP MAKING STUPID PEOPLE FAMOUS
Zu viele Schläge auf das Hirn lässt zusätzlich nicht mehr viel Material heile. War aber wohl noch nie Qualitätsware.
Game, Set and Match Thunberg