Stell dir vor: Es ist Dezember 2002, du bist ein riesiger Oasis-Fan. Du kannst es gar nicht erwarten, deine Lieblingsband aus dem UK bald live in Deutschland zu sehen; schliesslich freust du dich ja schon fast ein halbes Jahr auf das Konzert. Und dann kommt die Hiobsbotschaft:
Oasis logiert in München im Traditionshotel «Bayrischer Hof»; sehr schick, sehr teuer. Am Abend des Vorfalls sitzt die Band im hoteleigenen Nachtclub, teils alkoholisiert, teils unter Kokain-Einfluss. Wie genau es zur Auseinandersetzung kommt, ist nicht 100 Prozent klar. Die NZZ berichtet, dass Gallagher auf den Tisch italienischer Touristen knallte, Gallagher selber behauptet, diese hätten einen Glastisch auf ihn geworfen.
Wie auch immer, die Situation eskaliert. Fäuste fliegen, laut Gallagher wird «die Mehrheit der Möblierung zu Kleinholz». Das Personal schafft es gerade noch, die Streithähne aus dem Club zu bringen. Das hält diese jedoch nicht ab, weiterzuprügeln: jetzt einfach im Eingangsbereich.
Den Betreibern reicht es, die Polizei wird gerufen. Diese kommt gleich im Grossaufgebot: 80 Beamte erscheinen am Geschehen. Und dies ist auch notwendig, denn die Bandmitglieder schlagen mit Absperr-Eisenständern um sich.
Beim Versuch, Gallagher festzunehmen, tritt dieser einem Polizisten mit voller Wucht in die Brust, wie «The Guardian» berichtete. Er selber verliert im Gerangel seine Schneidezähne. Wie genau das passiert ist, wissen wir nicht. Gallagher hat aber eine Vermutung: Die Polizisten hätten ihn bewusstlos geprügelt und anschliessend die Zähne mit einer Zange gezogen. Oder wie er es ausdrückte:
Die beteiligten Bandmitglieder verbringen die Nacht im nicht ganz so edlen Staatshotel «Zelle». Gegen eine Kaution von läppischen 240'000 Euro kommen die «Wonderwall»-Musiker wieder frei. Noel Gallagher, Liams Bruder und Bandmanager, der zum Zeitpunkt der Prügelei in seinem Zimmer war, ist empört über die Aktion und bläst die restlichen Deutschlandkonzerte ab. Die deutsche Justiz ermittelt gegen Liam wegen Körperverletzung, lässt das Verfahren aber nach einer Zahlung von 50'000 Euro fallen.
Und die Zähne? Die lässt sich Gallagher für über 30'000 Franken in London neu machen. Aber auch der neue Smile konnte die Band nicht mehr von der langsamen Abwärts-Spirale retten. Die nachfolgenden Alben waren zwar kommerziell erfolgreich, aber nicht auf demselben Niveau wie die Erfolge der 90er-Jahre. 2009 ist es dann definitiv vorbei, die Band trennt sich; nicht zuletzt wegen des langanhaltenden Streits zwischen den Gallagher-Brüdern.
Heutzutage ist Liam Solo auf der Bühne unterwegs – und kann seinen Fans wieder mit vollem Gebiss entgegentreten.